Gnade und Friede in Christo Jesu, unserm Herrn und Heiland! Amen.
Meine herzliebe Mutter! Ich habe die Schrift meines Bruders Jacobs von eurer Kranckheit empfangen, und ist mir ja herzlich leid, sonderlich, dass ich nicht kann leiblich bey euch seyn, wie ich wohl gerne wäre; aber doch erscheine ich hie mit dieser Schrift leiblich, und will ja nicht von euch seyn geistlich, samt allen den unsern. Wiewohl ich aber hoffe, dass euer Herz ohne das längst und reichlich genug unterrichtet, und (Gott Lob) sein tröstlich Wort wohl innen habt, dazu mit Predigern und Tröstern allenthalben versorget seyd: so will ich doch das meine auch thun, und meiner Pflicht nach mich euer Kind und euch für meine Mutter erkennen, wie unser beyder Gott und Schöpffer uns gemacht und gegen einander verpflichtet hat, damit ich zugleich den Haufen eurer Tröster vermehre.
Erstlich, liebe Mutter, wisset ihr von Gottes Gnaden nun wohl, dass eure Kranckheit seine väterliche, gnädige Ruthe ist, und gar eine geringe Ruthe gegen die, so er über die Gottlosen, ja auch oft über seine eigene liebe Kinder schickt, da einer geköpft, der andere verbrannt, der dritte ertränckt wird und so fortan, dass wir allesamt müssen singen: Wir werden um deinetwillen täglich getödtet, und sind gleich wie die Schlachtschafe, Ps. 44,23 Röm. 8,36. Darum euch solche Kranckheit nicht soll betrüben, noch bekümmern, sondern sollet sie mit Danck annehmen, als von seiner Gnaden zugeschickt, angesehen, wie gar ein geringes Leben es ist, wenn es gleich zum Tode oder Sterben sollte gehen, gegen das Leiden seines eignen lieben Sohns, unsers Herrn Jesu Christi, welches er nicht für sich selbst, wie wir, leiden müssen, sondern für uns und unsere Sünde erlitten hat.
Zum andern wisset ihr, liebe Mutter, auch das rechte Hauptstück und Grund eurer Seligkeit, worauf ihr euren Trost setzen sollt in dieser und allen Nöthen, nemlich den Eckstein, Jesum Christum, Esa. 28,16., Röm. 9,33., 1. Pet. 2,6., der uns nicht wancken noch fehlen wird, auch uns nicht sincken noch untergehen lassen kann. Denn er ist der Heiland und heisset der Heiland aller armen Sünder, 1. Tim. 1,4., und aller, die in Noth und Tod stecken, so auf ihn sich verlassen und seinen Namen anruffen.
Es spricht: Seyd getrost, ich habe die Welt überwunden. Hat er die Welt überwunden, so hat er auch gewißlich den Fürsten der Welt mit aller seiner Macht überwunden. Was ist aber seine Macht anders, denn der Tod, damit er uns unter sich geworfen, um unserer Sünde willen gefangen hatte? Aber nun der Tod und Sünde überwunden ist, mögen wir fröhlich und tröstlich das süsse Wort hören: Seyd getrost, ich habe die Welt überwunden! und sollen ja nicht zweifeln, es sey gewisslich wahr, und nicht allein das, sondern uns wird auch geboten, dass wir sollen mit Freuden uns solches Trosts annehmen und mit aller Dancksagung. Und wer sich solche Wort nicht wollte trösten lassen, der thut dem lieben Tröster unrecht und die größte Unehre, gleich als wäre es nicht wahr, daß er die Welt hätte überwunden, damit wir den überwundenen Teufel, Sünde und Tod uns selbst wieder zum Tyrannen stärcken wider den lieben Heiland, da uns Gott für behüte.
Derhalben mögen wir nun mit aller Sicherheit und Freudigkeit uns freuen, und wo uns will etwa ein Gedancken von der Sünde oder Tod erschrecken, wir dagegen unser Herz erheben und sagen: Siehe, liebe Seele, wie thust du? Lieber Tod, liebe Sünde, wie lebest du, und schreckest mich? Weißt du nicht, dass du überwunden, und du Tod gar todt bist? Kennest du nicht einen, der vor dir sagt: Ich hab die Welt überwunden? Mir gebühret nicht, dein Schrecken zu hören, noch anzunehmen, sondern die Trostworte meines Heilandes: Sey getrost, seyd getrost, ich hab die Welt überwunden. Das ist der Siegsmann, der rechte Held, der mir hiemit seinen Sieg gibt und zueignet. Seyd getrost! Bey dem bleib ich, deß Worts und Trosts halte ich mich, darauf bleibe ich hie, oder fahre dorthin, er leuget mir nicht. Dein falsches Schrecken wollte mich gerne betrügen und mit Lügengedancken von solchem Siegsmann und Heiland reissen, und ist doch erlogen, so wahr es ist, dass er dich überwunden und uns, getrost zu seyn, geboten hat.
Also rühmet St. Paulus auch und trotzt wider des Todes Schrecken, 1. Cor. 15,44. ff.: Der Tod ist verschlungen im Sieg, Tod, wo ist dein Sieg? Hölle, wo ist dein Stachel? Schrecken und reizen kannst du, wie ein hölzern Todesbild, aber Gewalt hast du nicht, zu würgen; denn dein Sieg, Stachel und Kraft ist im Sieg Christi verschlungen. Die Zähne magst du blecken, aber fressen kannst du nicht, denn Gott uns den Sieg wider dich gegeben durch Jesum Christum, unsern Herrn. Dem sey Lob und Danck gesagt. Amen.
Mit solchen Worten und Gedancken, liebe Mutter, lasse sich euer Herz bekümmern, und sonst mit nichts, und seyd ja danckbar, dass euch Gott zu solchem Erkenntniß bracht hat, und nicht lassen stecken in dem Päbstischen Irrthum, da man uns gelehret hat, auf unser Werck und der Mönchen Heiligkeit bauen, und diesen einigen Torst, unsern Heiland, nicht für einen Tröster, sondern für einen grausamen Richter und Tyrannen halten, dass wir von ihm zu Maria und den Heiligen haben müssen fliehen, und uns keiner Gnaden noch Trost zu ihm haben versehen können. Aber nun wissen wirs anders von der grundlosen Güte und Barmherzigkeit unsers himmlischen Vaters, dass Jesus Christus unser Mittler, 1. Tim. 2,5., und Gnadenstuhl ist, Röm. 3,25., und unser Bischof im Himmel vor Gott, der uns täglich vertritt und versöhnet, alle, die nur an ihn gläuben und ihn anruffen. Hebr. 5,15.16.; 7,25., und nicht ein Richter ist, noch grausam, ohn allein über die, so ihm nicht gläuben, noch seinen Trost und Gnade annehmen wollen. Es ist nicht der Mann, der uns verklagt noch dräuet, sondern, der uns versöhnet und vertritt durch seinen eigenen Tod und Blut, für uns vergossen, dass wir uns nicht für ihm fürchten, sondern mit aller Sicherheit zu ihm treten, und ihn nennen sollen: lieber Heiland, du süsser Tröster, du treuer Bischof unserer Seelen ec. 1. Tim. 4,10. 1. Pet. 2,25.
Zu solchem Erkenntniß (sage ich) hat euch Gott gnädiglich beruffen, deß habt ihr sein Siegel und Briefe, nemlich das Evangelium, die Taufe und das Sacrament, so ihr höret predigen, also, dass keine Gefahr noch Noth mit euch haben soll. Seyd nur getrost und dencket mit Freuden solcher grossen Gnaden. Denn der es in euch angefangen hat, wird es auch gnädiglich vollenden. Denn wir können uns selbst in solchen Sachen nicht helfen, wir mögen der Sünde, Tod und Teufel nichts abgewinnen mit unsern Wercken, darum ist da an unser Statt und für uns ein andrer, der es baß kann und uns seinen Sieg gibt, und befiehlet, daß wirs annehmen und nicht dran zweifeln sollen, und spricht: Seyd getrost, ich habe die Welt überwunden, Joh. 16,22. Joh. 14,19. Und abermal: Ich lebe und ihr sollt auch leben, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.
Der Vater und Gott alles Trostes verleihe euch durch sein heiliges Wort und Geist einen vesten, fröhlichen und danckbaren Glauben, damit ihr diese und alle Noth möget seliglich überwinden, und endlich schmecken und erfahren, dass es die Wahrheyt sey, da er selbst spricht: Seyd getrost, ich habe die Welt überwunden! und befehle hiemit euer Leib und Seele in seine Barmherzigkeit. Amen. Es bitten für euch alle eure Kinder und meine Kethe. Etliche weinen, etliche essen und sagen: Die Großmutter ist sehr kranck. Gottes Gnade sey mit uns allen. Amen. Am Sonnabend nach Ascensionis Domini 1531.
Euer lieber Sohn
Mart. Luther
Quelle:
Dr. Martin Luthers Werke In einer das Bedürfniß der Zeit berücksichtigenden Auswahl Zehntes Bändchen Hamburg, bey Friedrich Perthes 1826