Melanchthon an Lutherum.

1) Gestern haben wir die Unterredung, oder vielmehr das Gezanke von den Unterhändlern geendiget. Anfänglich sind Unterhändler gewesen: Herzog Heinrich zu Braunschweig, der Bischof zu Augsburg, Eccius, Cochläus, darnach ist Herzog Georg an Heinrichs Statt gekommen. Denn der Herzog von Braunschweig hat zum Landgrafen in Hessen, vor welchem sie sich fürchten, daß er Kriegsvolk annehme, reiten müssen.

2) Was die Lehre belangt, stehet’s also: Eck cavillirt das Wort sola, wenn wir sagen, der Mensch werde allein durch den Glauben gerecht. Doch hat er die Lehre an sich selbst nicht verdammt, sondern sagte, daß die Unerfahrenen sich ärgerten. Denn ich habe ihn gezwungen zu bekennen, daß die Gerechtigkeit dem Glauben recht zugeeignet werde; doch hat er gleichwohl begehret, wir sollten also schreiben, daß der Mensch durch die Gnade und Glauben gerecht werde. Dieß habe ich nicht widerfochten; aber der Narr versteht das Wort Gnade nicht.

3) Der andere Zank ist gewesen von der Erlassung der Strafe und von der Genugthuung. Der dritte vom Verdienst der guten Werke. In diesen zweien Stücken ist Nichts verglichen: wiewohl es geringe ist, das er unserm Verdienste zumaß; so haben wir doch auch dasselbige nicht angenommen.

4) Danach sind wir zur Disputation von beiderlei Gestalt gekommen. Hier hat er mit großer Arbeit sich unterstanden, zu beweisen, daß es nicht ein Gebot sei, beiderlei Gestalt zu nehmen; er hielt’s für ein Mittelding, man nehme eine oder beide Gestalt, und wenn wir solches lehreten, so wolle er beide Gestalt uns gerne nachgeben. Ich habe dieß nicht können annehmen, und habe doch die entschuldiget, welche bisher aus Irrthum nur eine Gestalt empfangen. Denn sie schrieen, daß wir die ganze Kirche verdammten. Was dünkt Euch? Christi Ordnung gehet sowohl auf die Laien, als auf die Priester. Darum, weil wir des Sacraments gebrauchen müssen, sollen die Gewissen das ganze Sacrament behalten. Ist dieß Eure Meinung, so schreibet mir’s deutlich.

5) Von der Messe, Gelübden und Priesterehe ist Nichts disputirt. Es sind nur etliche Conditiones vorgehalten, welche wir doch nicht haben angenommen.

6) Ich kann nicht wissen, wo es noch hinaus will. Denn wiewohl auch unsern Feinden Friede von Nöthen ist; so dünket mir doch, daß Etliche nicht bedenken, was für große Gefahr sein wird, wenn die Sache zum Krieg geräth. Wir haben gar leidliche Conditiones vorgeschlagen. Den Bischöfen haben wir den Gehorsam und Jurisdiction wieder übergeben, und verheißen, daß wir die gemeinen Ceremonien wieder anrichten wollen. Was wir damit ausrichten werden, weiß ich nicht. Bittet Christum, daß er uns erhalte. Gegeben den 22. Aug.

Quelle:
Philipp Melanchthon's Werke, in einer auf den allgemeinen Gebrauch berechneten Auswahl. Herausgegeben von Dr. Friedrich August Koethe Erster Theil Leipzig: F.A. Brockhaus 1828