Melanchthon an Luther.

1) Ich habe Euch geschrieben, daß oft neue Rathschläge gehalten werden; solches erfahren wir in der That. Gestern ist in der Kur und Fürsten Rath beschlossen, daß man den Kaiser wegen des ganzen deutschen Reichs bitten solle, daß er ein Concilium verschaffe. Dabei ward angehangen, daß man es mittlerweile also halten möchte, daß der Friede nicht gebrochen würde. Die Unsern haben gestritten, daß man den andern Punkt auslassen sollte; ob sie aber wohl solches vielleicht nicht ohne Ursach gethan, so habe ich doch keinen sonderlichen Gefallen daran; wir wollen uns also wohl vorsehen.

2) – Ich sende Euch ein Verzeichniß der Schriften, welche unsere Widersacher Kais. Maj. haben übergeben, darinnen werdet Ihr sehen, daß sie etliche widerwärtige Artikel und Andres aus boshaftigem Vornehmen der Confutation angehänget haben, daß sie Kais. Majestät sanftmüthiges Herz gegen uns verbittern. Solche Griffe brauchen die Buben gegen uns! Werden wir zur Antwort kommen, so will ich wahrlich die losen Bluthunde wiederum bezahlen.

3) Ich bin nun etliche Mal bei unsern Feinden, des Eccii Rottgesellen, gewesen; es stehet nicht zu sagen, wie einen hochverbitterten pharisäischen Haß ich an ihnen vermerkt habe. Sie thun und trachten nirgends anders auf, denn daß sie die Fürsten wider uns verhetzen, und den frommen Kaiser wider uns zu kriegen, aufbringen. Hiermit Gott befohlen und bittet für uns!

Gegeben Freitags nach Margarethä, den 15. Julii.

Quelle:
Philipp Melanchthon's Werke, in einer auf den allgemeinen Gebrauch berechneten Auswahl. Herausgegeben von Dr. Friedrich August Koethe Erster Theil Leipzig: F.A. Brockhaus 1829