Luther, Martin – An Johann Grickel von Eisleben

Gnad und Friede. Euren Brief schick ich an meine Frau: ihre antwort wird nicht schwer zu errathen seyn. So bald sie ihn gelesen hat, wird sie sogleich lächelnd sagen: Ey! wie ist M. Eisleben doch ein Grundschalk! Ich hoffe, Casper Aquila werd schon wieder zu euch zurückgekehret seyn, nachdem er die Katze, in die er metamorphsirt war, wieder abgeleget hat. Ihr seyd sichere böse Buben, den guten Mann zu vexiren.

Ich überschicke Euch etwas zu Eurer Uebung, einen alten Gesang. Da ich vier Tage nichts schreiben durfte, zog ich zufälliger Weise aus irgend einem Winkel einen Fleck Papier, worauf dieser alte Gesang in drey Stimmen aufgesetzt war, welchen ich berichtigte, ergänzte und verbesserte, noch die vierte Stimme hinzucomponirte, und geschwinde einen Text dazu dichtete. Nun wollt ich, daß Ihr euren Kapellan, M. Georg, damit zum Besten hättet: er sollte glauben, Ihr hättet mir diesen Gesang mitgetheilet; er wäre nur erst zu Augsburg auf des Kaysers und Ferdinands Ankunft von der dortigen Kapelle aufgesetzet worden. Ich denke, wir werden ihn fangen, besonders wenn Ihr den Gesang manchmal lobet, und vorgebet, Ihr hättet ihn von Vielen wegen seiner Simplicität loben gehört; Ihr würdet den übrigen Text nachschicken. Wenn Ihr merket, daß er ihm gefällt, so werd ich das Uebrige ihm zuschicken, und wenn wir unsern Zweck erreichet haben, daß ich diesen bayerischen Kriddeler und unzeitigen Momus in der Musik bey der Nase kriege: so werd ich ihm auf sein Lebetag den Muth benehmen musikalische Stücke zu beurtheilen, womit er sich so sehr brüstet. Vielleicht daß wir auch hier einige Sirenen ausstauppen. Thut also das Eurige, und spielet Eure Rolle tapfer. Ein andermal mehr. Gehabt euch indeßen alle wohl im Herrn. Den 15ten Jun. 1530.

Euer
Martin Luther

Quelle: Gottfried Schütze