Melanchthon an Johann von Sachsen, 20.6.1526

Dem Durchlauchtigsten Hochgebornen Fürsten und Herrn, Herrn Johans, Churfürsten, Hertzogen zu Sachsen, Landgraven in Doringen, Marggraven zu Meyßen, meinem gnädigsten Herrn.

Durchlauchtigster, Hochgeborner Fürst, gnädigster Herr. Ewre Churfürstlichen Gnaden seyen meine arme unterthänige Dienst zuvor. Durchlauchtigster, Hochgeborner Fürst, gnädigster Herr. Es hat mir Johannes Walter, der Componist in der Cantorey, angezeigt, daß er vernommen hab, man werd ihn und seine Gesellen abfertigen, und damit angezeigt sein Noth, daß er jetzund in den seltsamen Läuften nicht weiter wisse, und mich gebeten, E. C. F. G. um Gottes willen zu suppliciren, daß E. C. F. G. angesehen seine Noth, ihn gnädiglich wollen bedenken, und ihm etwas verschaffen oder leihen. Darum ich E. C. F. G. demuthlich bitt, daß E. C. F. G. wolle ansehen, daß er bisher sich stille und zuchtig gehalten, auch mit seiner Kunst gemeinen Nutz gefördert; denn er das Gesang, so jetzund sehr gebraucht wird, gemacht. Es ist auch in diesen Läuften, da Kirchengesang geändert, solcher Leut von Nöthen, die da helfen konnten, daß nicht alt Gesang allein unterdruckt werden, sondern auch neue und besser wieder angericht. Solche Leut halten, acht ich gänzlich für ein gut und recht Werk, dem Gott Wohlgefallen an hat. Man hat bisher Singerei an viel Orten zu unnützem Pracht, oder andern unziemlichen Sachen gehalten, warum wollte jetzund die edel Kunst Musika nicht handhaben um Gottes willen, so sie zu Gottes Dienst und Ehre recht gebraucht wurd? Darum bitt ich E. C. F. G. wolle diesen armen Gesellen Johann Walter gnädiglich bedenken, und ihm helfen. Solch würd ohn Zweifel Gott E. C. F. G. bezalen. Gott bewahre E. C. F. G. allezeit. Datum Witeberg Mittwochs nach Viti anno XXVI.

E. C. F. G.
armer unterthäniger Diener
Philippus Melanchthon.

Bretschneider, Carolus Gottlieb
Corpus Reformatorum
Volumen 1
Halis Saxonum
C. A. Schwetschke und Sohn
1834