Dieser Brief ist ein liebliches Zeugniß von Luthers treuem Gemüthe gegen Melanchthon und des letzteren Gewissenhaftigkeit und Genügsamkeit.
Meinem gnädigsten Herrn, Herzog Johannes, Kurfürsten zu Sachsen. Zu Sr. K. F. G. selbst Händen.
Gnade und Friede in Christo. Durchlauchtigster, Hochgeborner Fürst, gnädigster Herr! Es hat E. K. F. G. in der Ordnung der Universität befehlen lassen, M. Philippsen 25 Gulden jährlich zu geben. Nun beschwert sich der Mensch solches zu nehmen, aus der Ursache, denn weil er nicht vermag so steif und täglich in der Schrift zu lesen, möchte ers nicht mit gutem Gewissen nehmen, und meinet, E. K. F. G. fordere solch gestrenge Lesen von ihm, so hilft mein Sagen und Deuten gar nichts bei ihm; ist derhalben meine unterthänigliche Bitte, E. K. F. G. wollte ihr Gemüthe selbst gegen ihn läutern und deuten, als daß sie zufrieden sei, daß er die Theologie helfe handhaben mit der Disputation und Lesen, wie vorhin geschehen, doch so viel er vermag, es sei gleich die Wochen nur einmal, oder wie er kann. Denn wenn gleich E. K. F. G. solchen Sold ihm ein Jahr oder zwei schenkte, wäre ers doch wohl Werth, denn er zuvor wohl zwei Jahre ohne Sold in der Schrift gelesen hat mit großer Arbeit und Frucht, und vielleicht sich auch damit zum Theil so verderbet. Ich wollte ja gerne die Schrift hie in den Schwang wieder bringen, weil man bei uns an allen Orten sucht der Schrift Verstand. Hiemit Gott befohlen, Amen. Freitags nach Agathae, 1526.
E.K. F.G.
unterthäniger
Martinus Luther.
Quelle:
Luthers Volksbibliothek Zu Nutz und Frommen des Lutherschen Christenvolks ausgewählte vollständige Schriften Dr. Martin Luthers, unverändert mit den nöthigen erläuternden Bemerkungen abgedruckt. Herausgegeben von dem Amerikanischen Lutherverein zur Herausgabe Luther’scher Schriften für das Volk Siebenter Band St. Louis, Mo. Druck von Aug. Wiebusch u. Sohn. 1862