Melanchthon an die Waldenser

Unserm ehrwürdigen Bruder in Christo, samt allen übrigen Brüdern unter den Waldensern, meinen Gruß!

Gnade und Friede, u.s.w. Ich zweifle nicht, es werden eure Brüder aus dieser unserer Unterredung meine Meynung sattsam verstanden und abgenommen haben, welchergestalt wir und, was die wichtigsten Glaubens-Lehren anbetrifft, gemeinschaftlich verstanden und brüderlich vereiniget haben: sintemalen es eine Schwachheit seyn würde, um des geringen Unterschieds willen in einigen äusserlichen Gebräuchen die Gemüther trennen wollen.

Zwar pflegt die Welt über die äußerlichen Ceremonien mehr als über das rechtschaffene Wesen, so in Christo JEsu ist, zu halten: aber der Apostel Paulus warnet ausdrücklich, so ofte er solcher Ceremonien gedencket, daß die Christen ja nicht daher Gelegenheit nehmen sollen, sich von einander zu trennen.

Betreffende die scharffe Kirchen-Zucht, so bey euch so gar genau beobachtet wird, so verwerffe noch mißbillige ich solche keinesweges. Wolte GOtt, man verführe disfals auch in unsern Kirchen mit etwas mehrerm Ernst. Was meine besondere und hertzliche Liebe zu euch anbelanget: so wünschte ich im Stande zu seyn, euch davon recht vollkommen zu überzeugen, und es zu erleben, daß alle diejenigen, denen das Euangelium von Christo, und die Verherrlichung seines Namens am Hertzen lieget, sich so brüderlich gegen einander bezeigen möchten, als ich mich gegen euch verhalte; und daß sie alle insgesamt mit vereinigten Kräften dahin trachten möchten, alle irrige Lehren auszurotten, und sich nicht selbst, um eitler und nichtswürdiger Dinge willen, von einander feindschaftlich zu zertrennen, und einer dem andern Schaden zuzufügen. GOtt empfohlen! betet für mich, und für die Ehre Christi JEsu.

Gegeben zu Wittenberg,
im Jahr 1533

Philippus Melanchton

Quelle: Leger, Johann – Johann Legers allgemeine Geschichte der Waldenser

Oekolampad an die Waldenser (Auszug)

„Nicht ohne christlich freudige Bewegung habe ich von euerm treuen Seelsorger Georg Morel vernommen, wie es um euern religiösen Glauben und um die Uebung desselben stehe. Ich danke unserm allgütigen himmlischen Vater, daß er in dieser Zeit, wo fast überall dichteste Finsterniß das Erdreich bedecket, und da der Antichrist übermächtig geworden, euch zu solchem Lichte geführt hat. Ich erkenne wahrlich Christum in euch und liebe euch daher als Brüder, und möchte diese meine Herzensgesinnung euch durch die That beweisen. Was wäre ich nicht trotz aller Schwierigkeit bereit zu thun! Für jetzt bitte ich euch, was ich euch in brüderlichem Ernste vorlegen werde, nicht als im Tone hochfahrenden Befehls geschrieben anzusehen, sondern als freundlichen Rath eines Mannes, der an euern Schicksalen den innigsten Antheil nimmt.“ Auf die Uebung, die Sakramente aus den Händen der römischen Priester zu empfangen, übergehend, fährt Oekolampad fort: „Wie vieles ich an euch gutheiße, so ist vieles, daß ich gebessert wünschte. Ihr wisset, daß wir mit dem Herzen glauben zur Gerechtigkeit, mit dem Munde aber bekennen zum Heil, daß hingegen diejenigen, welche sich des Bekenntnisses Christi vor der Welt schämen, einst auch von seinem Vater nicht werden erkannt werden. Weil unser Gott die Wahrheit ist, so will er auch, daß die, welche ihm dienen, ihm in der Wahrheit dienen und ohne Schminke der Heuchelei. Er ist ein eifriger Gott und will nicht dulden, daß wir zugleich am Joche des Antichrists ziehen. Es gibt keine Gemeinschaft zwischen ihm und Belial. Nun aber haben wir gehört, daß ihr aus Furcht vor den Verfolgungen euern Glauben so verheimlicht und verbergt, daß ihr auch mit den Ungläubigen Gemeinschaft haltet und ihren verabscheuungswürdigen Messen beiwohnt, von denen ihr doch euch selbst überzeugt habt, daß der Tod und das Leiden Christi in ihnen gelästert werde, denn da jene sich rühmen, durch ihre Opfer genug zu thun für die Sünden der Lebendigen und der Todten, was bleibt dann übrig, als daß Christus nicht genug gethan habe mit seinem Opfer und daß Christus nicht ist Jesus (d. i. Seligmacher) und der Erlöser, sondern gewissermaßen vergeblich für uns gestorben ist? So wie wir ihres verunreinigten Tisches uns theilhaftig machen, so geben wir uns dar als solche, die zu einem Leibe verbunden sind mit den Gottlosen, wenn auch mit verbittertem Gemüthe. Wenn wir „Amen“ sprechen zu ihren Gebeten, verleugnen wir dann nicht Christum? Welche Todesarten sollten wir uns nicht lieber wählen, welche Henkersqual nicht eher erdulden, ja, in welchen tiefen Schlund der Hölle lieber uns werfen lassen, als wider das Gewissen den Blasphemien der Gottlosen beistimmen. Ich kenne eure Schwäche, aber denen, die sich durch Christ Blut erkauft wissen, geziemt es, tapfer zu sein. Der ist mehr zu fürchten, der die Seele sammt dem Leibe in die Hölle werfen kann. Was sind wir doch für unser Leben besorgt? Soll uns das lieber sein als Christus? Werden wir uns zufrieden geben mit den Lockungen dieses Lebens und nicht lieber zu dem ewigen Frieden eilen? Die Siegerkronen sind ausgestellt, und wir wollen das Angesicht von ihnen wegwenden? Wer wird von der Wahrheit unsres Glaubens sich überzeugen, wenn derselbe nachläßt in der Hitze der Verfolgung? Ich bitte daher, daß der Herr euch den Glauben mehre. Wahrlich lieber möchte ich sterben, als der Versuchung unterliegen. Darum so ermahne ich euch, Brüder, daß ihr die Sache reiflicher erwäget, denn wenn es erlaubt ist, unter dem Antichrist den Glauben zu verheimlichen, so wird es euch auch freistehen, mit den Türken in ihren Moscheen, es wird euch freistehen, mit Diocletian zu den Altären des Jupiter und der Venus zu flehen, und vielleicht mit geringerer Gefahr. Dann wäre es auch dem Tobias erlaubt gewesen, das Kalb in Bethel anzubeten! Wo bleibt dann unsre Hoffnung auf den Herrn? Ich fürchte, daß wenn wir den Herrn nicht nach Gebühr verehren, unser ganzes übriges Leben vom Sauerteig der Heuchelei durchsäuert werde und daß der Herr die Lauen ausspeien werde aus seinem Munde. Wie sollten wir uns des Kreuzes Christi rühmen, wenn wir aus Furcht vor Drangsal den Herrn nicht verherrlichen? Nicht ziemt es sich, Brüder, die Hand vom Pfluge abzuziehen; nicht ziemt es sich, Gehör zu geben den Einflüsterungen des übel rathenden Eheweibes (ich meine des Fleisches), die bei allem, was sie verbietet, doch den Schiffbruch im Hafen herbeiführt.“ Zum Schlusse ruft er noch aus: „Das Fleisch soll nicht siegen zu seinem eigenen Verderben, sondern besiegt werden zu seinem Heile; denn wenn wir unser Leben auch verlieren um Christi willen, so werden wir es wiederfinden in der Auferstehung der Gerechten zum ewigen Leben, das uns allen durch die Gnade Christi möge verliehen werden. Ich bitte euch, diese brüderliche Vermahnung nicht zu verachten; denn ich wollte nichts reden oder schreiben, von dem ich glaubte, daß Christus nicht dazu stehen werde. Bittet Gott für uns und unsere Kirche, denn wir werden auch euer eingedenk sein im Herrn.“