Luther, Martin – An die Christen zu Erfurt, im November 1527.

Treue Warnung, vor falschen Lehrern sich vorzusehen, und freundliche Vermahnung, rechtschaffene Lehrer lieb und Werth zu halten, und ihrer Lehre nicht müde und überdrüssig zu werden.

Allen frommen Christen zu Erfurt. Gnade und Friede in Christo. Es hat mir einer eurer Prediger, Herr Just Menius, ein Büchlein zugeschickt, so er wider den Prediger zun Barfüßen bei euch gemachet, daß ich dasselbige solle urtheilen, ob es würdig und genugsam wäre, an den Tag zu geben. Nun bin ich nicht gesinnet, Gott soll mich auch dafür behüten, daß ich mich über andere Prediger Gewalt unterwinde, Richter oder Regierer zu sein, daß ich nicht auch ein Pabstthum anfange; sondern will sie Christo befehlen, welcher alleine regieren soll über seine Prediger in der Christenheit: das bin ich aber schuldig, und will es auch gerne thun, daß ich aus der Liebe Pflicht, einem jeglichen zu Dienst und den Christen zu Nutz, Zeugniß gebe seiner Lehre, wo sie recht ist, und für den falschen Lehrern warne, und auch wider sie zeuge, so viel mir Gott verleihet; wie ich denn bisher gethan habe.

Demnach gebe ich diesem Büchlein mein Zeugniß, daß es ja wohl gemacht ist, recht und rein die Lehre des christlichen Glaubens handelt und verficht, mit guten, feinen, deutschen Worten, im Evangelio und anderer heiliger Schrift wohl gegründet, und je billig ist, ihr auch schuldig seid, solche Gnade und Gaben Gottes zu erkennen, wenn er euch gleich nicht mehr denn solchen einen Mann gegeben hätte. Nun aber hat er euch mit vielen berathen und gleich überschüttet. Sehet zu, daß ihr nicht überdrüssig und undankbar erfunden werdet, und euch die Ohren jücken lasset, anders zu hören und zu wissen, damit denn der Satan Raum gewinnet, mit aller Gewalt Irrthum einzuführen, durch Gottes Verhängniß und Zorn, wie St. Paulus die Thessalonicher auch warnet. Denn er will sein theures Wort in Ehren gehalten haben, und seine Prediger und Boten unverrichtet; oder wills gar greulich rächen, wie er dräuet Kapernaum, Chorazin, Bethsaida, Matthäi am 11.

Ihr habt bei euch viele Jahre eine hohe Schule gehabt, darin ich auch etliche Jahre gestanden bin; aber das will ich wohl schwören, daß alle die Zeit über nicht eine rechte christliche Lection oder Predigt von irgend einem geschehen ist, der ihr jetzt alle Winkel voll habet. O wie selig hätte ich mich dazumal gedäucht, wenn ich ein Evangelium, ja ein Psälmlein hätte mögen einmal hören; da ihr jetzt die ganze Schrift klar zu hören habt. Wie theuer und tief lag da die Schrift vergraben, da wir so trefflich hungrig und durstig darnach waren, und war niemand, der uns etwas gab; und ging doch so viel Mühe, Kost, Gefahr und Arbeit drauf. Jetzt aber seid ihr für großer Fülle und Reichthum des Worts gleich satt und faul worden, und habts ohne Kost, Mühe und Arbeit.

Es sprach einmal Doctor Sebastian, Prediger auf unser lieben Frauen Berge bei euch, da es so wohlfeil zu Erfurt war: Gott plaget andere Leute mit Theurung, uns strafet er mit Fülle. Sehet zu, daß nicht das von der geistlichen Fülle wahr sei. Zu unsern Zeiten hatten wir die Plage, daß uns das Wort theuer und verhalten ward; eure Plage will jetzt sein, daß ihrs zu voll und zu viel habet, darum es verachtet wird sammt seinen Dienern.

Aus der Ursache, besorge ich, kömmt es, daß euch Gott in solchem großen Licht noch lasset mit dem Prediger der Finsterniß, Doktor Conrad Klingen, zun Barfüßern, anfechten, und gibt euern Rathherren nicht den Muth, daß sie es angriffen und dazu thäten, auf daß Zwietracht der Prediger beigethan würde, daß man sie ließe gegen einander sich hören, und welche nicht bestehen könnten, daß die schweigen müßten, wie andere Städte, als Nürnberg und dergleichen, gethan haben. Denn es ist ja keiner Stadt gut, daß im Volk Zwietracht gelitten werde durch öffentliche Anreger und Prediger. Es sollte ein Theil weichen, es wären die Evangelischen oder die Päbstischen, wie Christus lehret Matthäi am zehnten Kapitel: In welcher Stadt sie euch nicht hören wollen, da weichet von, und schüttelt den Staub eurer Schuhe über sie. Wer uns nicht hören will, von dem sind wir leicht und bald geschieden.

Also bitte ich nun um Gottes Willen, daß ihr diese meine Vermahnung geduldiglich und christlich wollet annehmen, und euch ja dankbar erzeigen Gott, dem Vater aller Barmherzigkeit, der euch solche tröstliche Prediger zugesandt, und aus der vorigen schweren Finsterniß berufen hat in fein wunderbarliches Licht. Und hütet euch für der Finsterniß Lehrern, welche euch suchen, und nicht feiern werden. Denn der Satan schläft nicht, wie ihr wohl sehet und erfahret. Darum habe ich das Büchlein nicht wollen lassen liegen, sondern durch den Druck ausbracht, euch und alle andere damit zu stärken. Denn das ist ja der rechte Weg, den das Evangelium uns lehret. Und schicke und schenke es euch hiemit in einer geistlichen Gabe; Gott gebe, daß es viel Nutzes bei euch schaffe, Amen. Anno 1527.

Quelle:
Luthers Volksbibliothek Zu Nutz und Frommen des Lutherschen Christenvolks ausgewählte vollständige Schriften Dr. Martin Luthers, unverändert mit den nöthigen erläuternden Bemerkungen abgedruckt. Herausgegeben von dem Amerikanischen Lutherverein zur Herausgabe Luther’scher Schriften für das Volk Siebenter Band St. Louis, Mo. Druck von Aug. Wiebusch u. Sohn. 1862

Luther, Martin – Von den hailgen Epistel oder vnderricht Von den hailgen: an die kirch zu Ertfurdt in got versamelt. 1522

D. Martin Luther. Ecclesiastes zu Wittemberg

M.D.XXii.

Jhesus

Martinus Luther Ecclesiastes zu Wittemberg / allen Christen zu Ertfurt sampt den Predigern und dienern / gnad und frid in Christo Jhesu unnserm herren.

GOt sey gelobt und gebenedeyet / der nach abgrüntlichem reichtumb seiner barmherzigkait / zu disen zeiten wider auffricht sein hailges euangeli / von seinem son / unserm herren Jesu christo / durch wölchen wir zu rechter erkantnuß des vaters aller barmherzigkait komen die er durch in auff uns / die wir glauben / reichlich überschütt hat / nach dem gerülichen finsternuß und irthumb des Endchrists / darinn wir alle ertruncken gewesen seyen bißher / und dem got diser welt sauren und schwären dienst gelaist haben mit sünden und allerlay ungötlichem wesen / darumb so ich erfaren hab / das auch bey eüch / lieben brüder / das theüre liecht der gnaden auffgangen ist / bin ich fro / und bitt den selben vater aller barmherzigkait / der solches bey eüch angefangen hat / wölle eüch weiter sampt unns begaben mit allerlay völle der weißhait unnd erkantnus / das ir gewiß werdet in eüwern herzen / und völligklich erkennet / wie der selb gaist / der unnsern herren aufferweckt hatt / auch mitt gleicher macht und krafft in eüch wircke an eüwerm glauben / dardurch wir von den todten aufferstannden seyen / nach seiner allmechtigen stercke / die in uns würcket durch sein heiliges wort / und gebe eüch die lieb gegen andern zu dienen und aines syns zu sein in Christo unserm herren / und das ir eüch nit förcht vor dem widerwertigen / vor dem grimm des brandschwanz / der noch ain wenig reücht / und nun an sein end kumen ist / dem wölle got der vatter wören / das sein list nit stat find an eüwerm rainen glauben / sonder stercke eüch zu bayden seiten / das eüwer Creüz und leiden gerat zur seligen und festen hoffnung der zukunfft unsers haylands Jesu Christi / des wir teglich warten Amen.

Es ist für mich kummen / lieben brüder / wie under eüch zanck und zwytracht entsprungen sey / auß etlichen predigen von unnötigen sachen / nemlich Von der hailgen dienst Wiewol aber das wort der gnaden / durch zwytracht und allerlay widerwertigkait / als das gold durch das feür muß versucht werden / das sein glanz und krafft dester meer frucht bring / und vilen nütz werde / zur stercke der schwachen / und besserung der starcken. Derhalben auch nitt zufürchten ist / das sich der schaum darob selb absündert / und mitt falschem gleissen vil ergert und verfüret. So ist uns doch ye mit aller sorg und vleiß des war zu nemen / das wir allzeit mit ainerlay mund und sinn got den vatter predigen und breysen Auff das unnser herz gerüst und gewarnet sey / ymmer dem ainigen anzuhangen das da nt ist / wölchs Maria erwölt hat / und uns von den mancherlay fragen und bekümernuß wenden / die der Martha vil zuschaffen on not.

Darumb bit ich in Christo eüwer prediger / wollen sich der fragen Von den hailgen im hymel / und von den todten entschlahen / und das volck dannen wenden / angesehen / das des fragens kain end sein würdet / wo ir aine zulasset / Als auch S. Paulus leret. i Timo. i. und doch weder nutz noch not ist zur säligkait. Darzu auch got uns nichts hat wollen wissen lassen / wie erx mit den todten mach / dann es thut yeder kain sünd der kainen hayligen anrufft / sonder nur fest an dem ainigen mitler Jesu Christo helt / ja ain solcher faret sicher und ist gewiß. Warumb wolt ir dann eüch von dem sichern und gewissen wenden / und bemüen mit dem / das weder not noch gebott ist: Mainet ir / das ir zuwenig zu schaffen habt / wenn ir nur des ainigen wartet / das ir Christum wol leeret und lernet. Hütet eüch / Satanas hats im synn / das er eüch mit dem unnötigen aufhalt / und das nötig darmit verhindere / und wenn er ainer handbrait zu eüch einbricht / will er darnach den ganzen cörper mitt secken vol unnützer fragen einfüren / wie er bißher in den Hohenschulen durch die Philosophia gethon hatt. Darumb seit fürsichtig / das ir bey der ainfaltigen leer Christi / am lautern glauben / unnd rechter liebe bleibet / das seine list dise ainfaltigkait ewers syns nit verruck / wie er Eva gethon hat. Wa ir aber an diser ainfaltigkait beleibt / und eüch bedinget / das ir unnötiger sachen und fragen nit wolt gewarten / wirdt er von im selbs ablassen / und des fragens müd werden. Contemptus franget eum. Observatio inflabit eum. Ir habt meer dann überig zuvil gewunnen / wenn man eüch zulassen muß / das kain not sey / hayligen eeren / sonder überreichlich genug sey / das man allain an Christo hang. Wer weitter unnöttig schaffen will / den laßt schaffen / er würdt wol müd / wenn er sicht sein ding nit geacht werden.

Widerumb ist den andern gnug zugelassen / das man sy nit veracht in irer schwachait / laßt sy die namen der hailigen anruffen wenn sy ja wollen / sovern das sy wissen und sich hüten darvor / das sy ir zuversicht und vertruwen auff kainen hailgen stellen / dann allain auff Christu Dann zuversicht ist die höchst ere / die got allain gepürt / als dem der die warhait selbs ist. Wir sein sicher das die hailgen all in Cristo seind / sy leben oder seyen tod. Es lebt vor im Abel stercker nach dem tod dann im leben / darumb / wiewol es on not ist die hailgen zu eeren / acht ich doch den nit zu verdammen der sy noch eeret / so er nitt sein vertrauwen auff sy setzet / dann was er inen thut das thut er Christo / und muß auch Christum treffen / wenn er iren namen trifft / dieweil sy in Christo / und Christus in inen / und ir nam in Christus namen / und Christus name in irem namen ist / wo sy auch seind. Darumb schonet der schwachen / und fürt sy seüberlich / das sy das unnotig lassen / und den ainigen Christum / als notig ergreiffen / dann wir müssen doch entlich die hailigen und uns selbs lassen / das wir von nichts dann von Christo wissen / und alles ander abfalle / Moses und Elias verschwinde / und weder Abraham noch Israhel uns mer kenne. Also mein brüder / treibt auff Christum allein / und straffet den aberglauben / und lasset das unnotige / unnötig beleiben / und verschonet der schwachen. Es würt der Sathan hinfüro noch vil der geleichen unnötige sachen und fragen auffspringen / auf das er die ainig / nottig / ainfeltig erkantnuß Christi verderb / und es werden im folgen die leichtfertigen unfürsichtigen gaister / und vil secten anrichten / wie schon an allen orten layder der iamer angeet. Darumb seyt weiß / tailt die pfatten. Seit ainfeltig im guten / klug im bösen. Was nit not ist das lasset faren / so werden die torechten fragen eüch mit friden lassen. Dann was ists das ir eüch begebt die halßstarrigen sophisten zuschwaigen oder überwinden / kund doch Christus selbs mit allen Aposteln seine Juden nit überreden. Thut wie Paulus sagt. Ainen haßstarrigen menschen meide / wenn er ains und abermal vermanet ist / und wisse das er verkert ist. Leret ainfeltigklich / und gebet antwort von eüwerm glauben senfftigklich. Wer nit folgt den laßt nit folgen / wer verüfrt der verfüre / wer stinckt der stincke weiter / wer hailiget der hailige weitter / ir seit entschulgiget / Got würt es wol richten / man kan niemant on sein danck geben.

Ich bit auch mein lieben brüder / wolt daran sein das kain auffrur durch uns erregt / noch ursach darzu gegeben werden / Es seind vil leichtfertiger leüt / die mainen der sache des Euangelii mitt dem schwert und der faust zu helffen / und wöllens wol außgericht haben / wenn sy Pfaffen und Münich schmähen oder beschedigen Sy wissen aber nit das unser streit nit wider flaisch und blut ficht / sonder wider die schalckait in den lüfften. Satanas ist ain gaist / der hatt weder flaisch noch bain / darumb würdt man im nichts mitt eysen oder mit der faust thun. Wir müssen im die herzen zuvor abreissen / durchs wort der warhait / Das ist unser schwert und faust / der niemant widersteen kan / darmit zertailen die freünd Christi den Behemot / und zerschneiden in / Sehet warmit ich das Papstthum und gaistlich regiment geschlagen hab das vorhin aller welt erschrecklich gewesen ist / do man im sang Wer kan mit der bestien streitten / dann sy hat macht / auch die hailigen zubestreiten / und zuüberwinden Noch hab ich nie kainen finger wider sy geregt und Christus hat sy mit dem schwert seines munds getödt.

Es seind etliiche prediger die maynen sy mügen nit prediger sein / wa sy nitt etwas meer dann Christum / und über unser predigen leeren / Das seind die eergeizigen sonderlinge / die unser ainfaltigkait lassen / und farn daher in sonderlicher weißhait / das man sy mit augen werffen soll / und sagen / das ist ain prediger. Solche soll man gen Athen senden / da man alle tag neüwe ding hören wolt / Sy suchen ir ere und nit Christi / darumb ir end auch mit schanden außgeen Hüt eüch vor den selben / und bleibt mit Paulo / der nichts wissen wolt dann Jhesum christum den gecreüzigten.

Ich sorg auch das unser schuld vil zu allem übel helffe / Das wir vil predigen / wie on gotes gnad wir nichts thun mögen / und wir doch allerlay selbs anfahen und schaffen wollen / ee wir got mit demütigem gebet ersuchen / das er es anfach und schaffe durch seinen gaist / So geet es denn das wir in Egipten faren / unnd fahen das wircken an durch aignen gaist / und fragen seinen mund nit zuvor darumb.

Darumb mein allerliebsten / wie wir leeren / also laßt uns auch thun / das wir alles got haymstellen / und on underlaß bitten / das er uns regiere / er uns rate und helff / bayde in grossen und klainen sachen / und nitt gestatte / das wir auß unserm gutduncken und vernunfft / etwas anfahen / dann das würt kain glück habeen / noch got gefallen mügen. Aber unnser herr Jhesus christus sterck eüch sampt uns in aller völle seiner selbserkantnuß / zu eeren seinem und unserm vatter / der gebenedeyt sey in ewigkait Amen.

Grüsset Johannem Lange / Georgium Vorcheim / Johannem Culsamer / Antonium Musam / Egidium Mechlerium / Petrum Bamberger sampt allen eüwern. Er grüsset eüch Philippus und Jonas / und alle die unsern. Gotes genad sey mit eüch allen Amen Wittemberge am X tag des Heümonats des Fünfzehenhundert und zwayundzwainzigsten Jars.