„Gnade und Friede durch Christum! Obwohl ich nicht zweifle, mein Bruder, dass ihr Freunde schon genug beschwert seid von dem allgemeinen Unglück, das in dieser für unsre Kirche so unheilbringenden Zeit auch bis zu euch gedrungen ist, so kann ich doch nicht umhin, dir zu schreiben, wie es mir, meinen Kollegen und meiner Kirche ergangen ist. Denn schon die Mitteilung schafft im Unglück Linderung. Nachdem meine Mitbürger notgedrungen das Interim angenommen, fuhr ich fort, nach meiner Weise zu predigen. Als ich aber am Johannistag abends von der Predigt nach Hause kam, ließ mir ein Freund sagen: ich möge so eilig als möglich fliehen. Ich gehorchte, hoffte aber, bald wieder heimkehren zu können, sobald ich einmal die Ursache meiner Flucht wüsste. Êrst des andern Tages sagte man mir, der Kaiser habe meinen Mitbürgern befohlen, mich gebunden nach Augsburg zu liefern, weil ich in öffentlicher Predigt den Kaiser verdammt und die übrigen Fürsten mit Schimpfworten belegt hätte. Ich habe nun zwar meine Meinung vom Interim im stillen dem Rat schriftlich übergeben, aber in der öffentlichen Predigt des Interims nie mit einem Wort erwähnt; auch kam mir niemals in den Sinn, gegen die höchsten Würden des Reichs je ein Schimpfwort fallen zu lassen, sondern ich fuhr in meiner gewohnten Weise fort, einige Stellen der Schrift in der Kürze zu erklären. Deswegen entschuldigte mich der Rat, der wohl wusste, dass mir offenbares Unrecht geschehe, bei dem Kaiser mit der Bitte, wenn man ihm nicht glaube, einen eignen Abgeordneten hierher zu schicken, der auch die Zeugnisse einzelner Bürger hören könnte. Aber gegen den Biss der Verleumder gibt es kein Mittel, Der Unwille über meine Predigten war sehr groß; und weil die Bürger den Befehl nicht befolgt, sondern durch die Finger gesehen hätten, um mir noch Zeit zum Fliehen zu lassen, so erhielt die spanische Besatzung in Heilbronn den Befehl, nach Hall zu ziehen und dort das Interim selbst einzuführen. Während die Soldaten noch auf dem Wege waren, wurden auch meine Kollegen (Gräter und Isenmann) vertrieben, weil sie erklärt hatten, sie wollen und können nicht Messe lesen. Bald wurde auch meine Ehefrau, die seit vielen Monaten an der Schwindsucht hart darniederliegt, von meinen Freunden genötigt, das Wichtigste von unsern Habseligkeiten zu verkaufen, das Minderwichtige aber dahinten zu lassen. Jetzt nahmen die Soldaten Besitz von der Stadt. Sogleich eilte der Hauptmann mit seiner Wache und mit Steinmetzen in mein Haus, es zu plündern und wenn ich etwas innerhalb der Mauern verborgen hätte, sie niederzureißen. Da er aber nichts als einige Kleinigkeiten fand, nahm er ein Verzeichnis darüber auf und verließ das Haus wieder, ohne etwas zu verletzen. Bald wurden auch die Kirchendiener auf dem Lande, die sich weigerten, Messe zu lesen, verjagt. Unter diesen sind nicht nur ehrbare und gelehrte junge Männer, sondern selbst Greise, deren Schicksal mich in meinem eignen Exil tief bekümmert.
So wird denn nun in derselben Kirche, in der ich fünfundzwanzig Jahre lang das Evangelium gepredigt habe, die Messe wieder eingeführt. Da hast du, Bruder, die Größe und Schwere des Unglücks, das auf uns liegt. Die Spanier halten Stadt und Land besetzt und quälen unsre Bürger in bekannter Weise. Der Götzendienst wird in meiner Kirche wieder hergestellt; ich und meine Amtsgenossen irren als Verbannte umher; mein Weib kann vor Schwäche kaum auf die Füße stehen; meine kleinen Kinder leben unter Fremden. Wohin ich komme, heißt man mich weiter fliehen, weil ein Preis auf mein Haupt gesetzt sei. In dieser Not tröstet mich mildiglich und stärkt mich der Herr, der bei denen wohnt, die demütigen Geistes und zerschlagenen Herzens sind. Würde man mich nicht für vermessen halten, so würde ich nicht anstehen, mit der Gnade des Herrn meine Mitbürger selbst mit meinem Leben von den Spaniern zu befreien. Denn wenn meinetwegen dieses Unglück über die Stadt gekommen ist, so lasse ich mir gerne gefallen, wie einst der Prophet Jonas ins Meer geworfen zu werden. Vorerst bin ich verborgen, freilich kaum, und kann nur warten auf den Sieg der Wahrheit. Siehe, wie die Augen der Knechte sind in den Händen ihrer Herren, so erheben sich unsre Augen zu dem Herrn unserm Gott, bis er sich unsrer erbarme. Das wird er auch sicherlich tun um seines Sohnes, unsers Heilandes, willen, in dessen Namen wir das dulden. Kannst bu, so wirst du uns große Freude machen, wenn du über eure Angelegenheiten mit nur wenigen Worten schreibst. Wir empfehlen uns alle deiner und der Deinigen christlichen Fürbitte.“