Gnad und Friede. Ich habe meinen Deuterononium latein herausgegeben. Die deutsche Uebersetzung ist mir nur nicht zu Gesicht gekommen, geschweige daß ich ihn verdeutscht hätte. Dann aber mögt ich gerne wissen, warum Ihr dieses zu wissen verlanget.
Wenn Melchior1), jener liefländische Prophet, zu Euch kömmt, so versaget ihm Euer Haus und Freundschaft. Ich mußte einige derbe Briefe meines Zeugnißes wegen verschlucken, das ich betrogener Thor ihm gab. Darauf steifet er sich nun, und verachtet, vom Stolz aufgeblasen, die übrigen Prediger um sich her. Dieser Mensch ist mir recht sehr verhaßt, so wie sein stolzes Wesen, der ungeheißen und unberufen und in seine Wundergedanken verlohren die Schwärmerey herumtreibt. Wenn er zu Euch kömmt, so weiset ihn zu seinen Handtwerk, als Kürschner, zurück; er soll das Prophezeyen aufgeben, und überhaupt von allem abstehen, bis er nicht vor die Kirche gelassen, von ihr abgehört, und geprüft worden. Lebet wohl, und besuchet uns, doch einmal. Gönnet uns das Vergnügen Euch zu sehen und zu genießen.
Freytags nach Servatus. 1527. [17.5.]
Euer
Martin Luther
Quelle:
D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe. Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt. Erster Band. Leipzig, in Kommission bey Christian Friderich Wappler. 1784.