Luther, Martin – An Lambertus Thorn. 1524

19. Januar 1524 (Datum fraglich)

Gnade und Friede im Herrn! Christus, der bey euch ist, mein lieber Bruder Lamperte, giebt mir ein starkes Zeugniß, daß ihr meines Trosts weder durch Wort noch durch Schrift bedürftet. Denn er leidet und wird verkläret; er ist gefangen, und herrschet; ihm geschieht Gewalt, und triumphirt doch in und bey euch, welcher euch sein Erkenntniß, so heilig und gerecht machet, (aller Welt verborgen und unbekannt) reichlich gegeben hat. Welcher euch auch nicht allein inwendig stärket durch seinen Geist, in euren leiblichen Trübsalen, sondern auch durch das wahre heilsame Exempel der zween Brüder, Henrici und Johannes, (so zu Brüssel Anno 1523. verbrannt sind, von wegen beständiger Bekenntniß göttlicher Wahrheit.) Also daß beyde, sie und ihr, mir fast tröstlich, ja der ganzen Christenheit ein süßer Geruch, auch dem Evangelio Christi eine herrliche Zierde und Schmuck seyd. Wie käme ich denn dazu, daß ich mit meinem kalten, kraftlosen Trost euch beschweren sollte? Und wer weiß, warumb der Herr nicht gewollt habe, daß ihr mit jenen solltet umbkommen? Vielleicht hat er euch darumb erhalten, daß er etwas sonderlichs noch durch euch schaffen will.

Bin derhalben herzlich erquicket, und freue mich mit euch, danke auch dem treuen Heiland, unserm Herrn Jesu Christo, daß er mir nicht allein sein Wort zu erkennen, und seines Geistes ERstling zu schmecken gnädiglich verliehen hat; sondern auch ein reich, herrlich Gedeihen seiner Gnaden an euch dreyen mich erleben und sehen hat lassen.

Ich mage mich, gegen euch zu rechen, wohl unselig achten, von dem gesagt wird: Ich sey der erste, so diese Lehre / umb welcher Bekenntniß willen jene zween verbrannt, und ihr nu gefangen lieget), an den Tag gebracht habe. Aber in dem halt ich mich billig für den letzten, daß ich dergleichen Verfolgunge und Trübsal, wie ihr drey, und andere (Gott lobe) mehr, noch nicht erlitten und ausgestanden habe, werde vielleicht auch nimermehr wirdig, umb Christus Namen und Wort willen Verfolgung und Schmach zu leiden.

Doch will ich diese meine Unseligkeit damit rechen, daß ich mich deß trösten kann, daß eure Bande meine Bande, euer Kerker mein Kerker, euer Freuer mein Feuer ist. Zu dem predige und bekenne ich ja auch öffentlich für der gottlosen argen Welt, ihrem Fürsten und seinen Engeln, eben das Wort, umb welches willen jene verbrannt sind, und ihr gefangen und gebunden seyd; derhalben ich mich auch zugleich mit euch leide und erfreue.

Der Herr Jesus aber, welcher angefangen hat zu beweisen seine Herrlichkeit an euch, der wirds auch vollführen, bis an den Tag seiner herrlichen und fröhlichen Erscheinung (Phil. 1,6.). Bittet derhalben, mein lieber Bruder im Herrn, für mich, wie auch ich für euch, und denket, daß ihr nicht allein leidet, sondern daß auch der mit euch leide, so da spricht Psalm 91,14: Ich bin bey ihm in der Noth: er begehret mein, so will ich ihm aushelfen; er kennet meinen Namen, darumb will ich ihn schützen. Ja, wir alle sampt dem Herrn sind bey euch, darumb seyd ihr unverlassen. Allein harret des Herrn, seyd getrost und unverzagt, und harret des Herrn, (Ps. 27,14) der gesagt hat: In der Welt habt ihr Angst; aber seyd getrost, ich habe die Welt überwunden. (Joh. 16,33).

Disputiret nicht mit dem Satan, sondern richtet euer Augen unverwandt zu dem Herrn. Gründet euch feste auf den wahren, reinen Glauben; seyd gewiß und zweifelt ja nicht daran, daß wir allein durch das theure Blut Christi, des unschuldigen und unbefleckten Lambs, gerecht und selig werden. Unser Werk und Menschengebot, so wenig sie können Christus Blut seyn, so wenig vermögen sie Sünde wegnehmen und gerecht machen; also auch weder verdamen, noch einiger Sünde schuldig machen.

Bey uns, in unsers Kurfürsten Lande, ist guter Friede (Gott lobe). Der Herzog in Baiern und Bischof in Triern lassen viel umbbringen, verfolgen und verjagen ein Theil. Andere Bischofe und Fürsten sind zwar nicht Bluthunde, gleichwohl plagen sie ihre Leute mit Dräuen, und thun ihnen groß Leid. Also ist Christus nu abermal zum Spott der Leute, und Verachtung des Volks (Psalm 22,7.), welches Gliedmaß ihr worden seyd, durch den heiligen Beruf unsers Vaters im Himel, welchen er in euch auch erfülle, zu Ehren seines Worts und Namens, Amen.

Es grüßen euch alle unsere, und unser ganze Gemeine, fürnehmlich Jakobus Präpositi, und die Brüder von Antorf, und befehlen sich in euer Gebet. Zu Wittemberg, Dienstags nach Antonii, Anno 1524.

Martinus Luther D.

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefe, Sendschreiben und Bedencken, vollständig aus den verschiedenen Ausgaben seiner Werke und Briefe, aus andern Büchern und noch unbenutzten Handschriften gesammelt, kritisch und historisch bearbeitet von Dr. Wilhelm Martin Leberecht de Wette, Professor der Theologie zu Basel. Zweyter Theil. Luthers Briefe von seinem Aufenthalt auf Wartburg bis zu seiner Verheurathung Berlin, bey G. Reimer 1825