Luther, Martin – An die Augustiner zu Wittenberg 1521

25. November 1521

Den Augustinern zu Wittemberg, meinen lieben Brüdern, wünsch ich Martinus Gnad und Fried unsers Herrn Jesu Christi.

Es ist mir mundlich und schriftlich kund worden, lieben Brüder, daß ihr fur allen die ersten seyd, die in ihrer Sammlung den Mißbrauch der Messen habt angefangen abzuthun. Und wiewohl miichs doch erfreuet hat, als ein Werk, daran ich spüre, daß das Wort Christi in euch wirket und es ummbsonst nicht empfangen habt; jedoch hab ich daneben aus christlicher Liebe, die nichts unterläßt, große Sorg, daß ihr nicht alle gleicher Beständigkeit und gutes Gewissen ein solch groß merklich Ding habt angefangen. Ich will schweigen, wie die Bischof und Pfaffen Baal die Gewissen der Schwachen im Glauben täglich erschrecken, itzt mit päpstlichen Bullen, itz mit Ablaß, itzt mit Bruderschaft; der fähet die ehlichen POriester; der thut dieß, der ander das Wunder, und ieglicher das ärgiste, was er kann.

Was wird aber geschehen, so ihr in der ganzen Welt von allen Menschen, auch von den frummen, klugen, heiligen und weisen, alle Hohn, Schmach, Laster und Unehre leiden werdt, und als Gotteslasterer geachtet werden, darumb, daß ihr allein, und euer so wenig, alle geistliche und menschliche Ordnung wider aller Menschen Vernunft zu verandern euch habt unterstanden? Denn es ist gar ein merklich groß Ding, einer solchen langen Gewohnheit und aller Menschen Sinn zu widerstehen, ihre Scheltwort, Urtheil und Vordamnen geduldiglich leiden, und solchen Sturmwinden und Wellen unbeweglich stille zu stehn. Ich weiß wohl: so ihr auf den Fels gebauet seyd, daß euch kein Ungestüme der Wasser und Wind schaden kann; so ihr auber auf dem Sand stehet, wird euch ein schwinder großer Fall begegen.

Ich empfinde täglich bey mir, wie gar scher es ist, langwährige Gewissen, und mit menschlichen Satzungen gefangen, abzulegen. O wie mit viel großer Mühe und Arbeit, auch durch gegründte heilige Schrift, hab ich mein eigen Gewissen kaum können rechtfertigen, daß ich einer allein widder den Papst habe dürfen auftreten, ihn fur den Antichrist halten, die Bischof fur sein Aposteln, die hohen Schulen fur sein Hurhäuser. Wie oft hat mein Herz gezappelt, mich gestraft, und mir furgeworfen ihr einig stärkist Argument: Du bist allein klug? Sollten die andern alle irren, und so ein lange Zeit geirret haben? Wie, wenn du irrest, und so viel Leut in Irrthum verfuhrest, wilche alle ewiglich verdamnet wurden? Bis so lang, daß mich Christus mit seinem einigen gewissen Wort befestiget und bestätiget hat, daß mein Herz nicht mehr zappelt, sondern sich widder diese Argument der Papisten, als ein steinern Ufer widder die Wellen, auflehnt, und ihr Drauen und Sturmen verlachet.

Und darumb, daß ich dieß in mir empfunden, und bedacht, hab ich euch diesen meinen Brief wolln zuschreiben zu Trost und Stärk der Schwachen, die solchen Sturm und Gewalt des Widdertheils und der verzagten Gewissen nit tragen kunnen. Denn es muß mit solchen Gewissen, Glauben und Vertrauen gehandelt werden, daß wir nicht allein die Urtheil der ganzen Welt als Streu und Spreu achten; sondern daß wir im Tod wider den Teufel und alle sein Macht, auch gegen dem Gericht Gottis zu streiten, geschickt seyn, und mit Jacob Gott durch ein solchen starken Glauben überwinden. Es kunnen wohl die Schwachen im Glauben der Welt Hohn und Spott verachten, und thun gleich als ob sie es mit höreten; wer kann aber odder mag sich fur dem Teufel und dem ernsten Gericht Gottis, daß er die nicht empfinde, bewahren?

Die Welt kann nit mehr, denn uns Ketzer und Unglaubige schlten; zu Ketzer kann sie uns nicht machen. Unsere Gewissen werden uns mancherley Weise zu Sunder fur Gott machen, und ewig verdamnen, es sey denn, daß sie mit dem heiligen, starken und wahrhaftigen Wort Gottis allenthalben wohl verwahrt und beschirmet sind, das ist, auf den einigen Fels gebauet. Und wer das thut, der ist der Sachen gewiß, un d kann nit feylen noch wanken, auch nit betrogen werden. Solche gewisse unbetrügliche Festung suchen und begehen wir.

Darumb will ich von der Meß ein eigen Buchle machen, das auch einem ieglichen, wer da will, soll nütz seyn. Denn ich sehe wohl, daß meine Bücher, die ich vorhin davon geschrieben habe, noch nicht gnug bewegen, darumb, daß die Bischof dawidder streben, auf daß, so oft das Wort der Wahrheit verneuet, erhaben und widderholet werde, so oft die Papierhenker dasselbige verfdamnen und unterdrucken. Wir sollen auch den Herrn bitten, daß er Werkleut in seine Ernte schicke, und seine Engel, daß sie wegnehmen die Aergerniß, der itzund sehr viel ist, von dem Reich Gottis. Es ist itzunder dieß großes furhanden; wenn wir dasselbige kunnten wegnehmen, so hätten wir nit eins weggenommen, dieweil es ein Grund und Haupt ist aller andern. Der Herr Jesus stärke und bewahr euer Sinn und Herzen, in einem wahren, rechten, ungedichtem Glauben, und göttlicher Liebe, Amen. Aus meiner Wüsten, am Tage Catharinä.