Luther, Martin – An Georg Spalatin (4.11.1520)

Heil! Auch ich wundere mich, wie es komme, mein lieber Spalatin, daß ihr meine Briefe nicht erhaltet. Denn ich habe zweimal geschrieben, und sehe, daß ihr nichts bekommen. Ich freue mich, daß ihr einmal seht, daß der Deutschen Hoffnung vergeblich ist, daß ihr lernt, euch nicht verlassen auf Fürsten und daß ihr nicht mehr nach den Urtheilen der Leute fragt, sie mögen meine Sachen gleich loben oder verwerfen. Wenn das Evangelium der Art wäre, daß es durch die Mächtigen der Welt fortgepflanzt oder erhalten würde, hätte es Gott nicht Fischern befohlen.

Nein, mein lieber Spalatin, es ist nicht der Fürsten und Hohenpriester dieser Welt Werk, das Wort Gottes zu schützen; und ich begehre derhalben Niemandes Schutz, da sie vielmehr einander helfen müssen wider den Herrn und seinen Christ. Was ich thue, das thue ich vielmehr darum, daß sie durch ihren Dienst gegen mich sich des Wortes Gottes würdig, machen und dadurch selig werden. Deren aber jammert mich, die es gehört und erkannt haben. Denn die können nicht ohne ewiges Verderben dasselbe verleugnen, verlassen und heucheln; und ist sehr zu fürchten ist, daß viele Freunde und wir selber unter ihnen erfunden werden: darum laßt uns um den Geist der Tapferkeit bitten.

Es ist ein Schweres andrer Meinung zu sein, als alle Bischöfe und Fürsten; aber anders ist kein Weg, die Hölle und den Zorn Gottes zu meiden. Darum seht zu, daß nicht die, welche sich an meiner Heftigkeit ärgern, solche seien, die des Wortes Sache geringe halten und nur menschlich gesinnt sind. Denn welche die Sache nach Würden achten, möchten gewißlich laut schreien und bersten. Ich würde, wenn ihr nicht so drängtet, die ganze Sache Gott befehlen, daß ich nicht mehr thäte, als ich gethan habe, weil ich weiß, daß die Sache allein durch seinen Rath und That geschehen muß. – Thut was der Geist euch befiehlt und gehabt euch wohl.

Wittenberg am 4. November im Jahre 1520.

Martin Luther, Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867