Caspar Schwenckfeldt an Bonifacius Wolfhardt (1542)

Freuntlicher lieber herr. Mir ist furkomen, als ob Pilgram Marpeckh, den ir on zweifel kennet, herren Wolffgang Meußlin ain buch zu besehen und sein judicum druber zu horen hab fur gelegt, darinnen under anderen ain artikel vom glauben der lieben alten vater patriarchen und propheten steen solle, das nemlich weder Abraham noch die andern hailigen vater im alten testament weder den hailigen gaist, noch kaine vergebung der sunden, sonder nur ainen figurlichen glauben gehabt haben, darauf Musculus solle gesagt haben, er kenne es wol, es sei des Schwenckhveldts schwermerei und irrung etc. Ist derhalben mein freintliche bitt an euch, wellet mich entschuldigen und ihn bitten, das er mich mit solchem nicht beschweren, noch mit deme oder dergleichen irrtumb, so mir mein lebenlang nie in synn komen, nicht also welle verdechtig machen, denn ich waiß, got lob, das Abraham, David und alle hailigen patriarchen und propheten den gaist Christi (wie auch 1. Pet: 1 steet geschriben) und vergebung der sunden, so wol als itz alle warglaubigen mit gutem gewissen, frid und freud ires herzens gehapt, das sie auch des kunftigen leidens und aller wohlthat Christi, so wol als wir, durch den waren glauben seligklich genossen, allain die offenbarung und zeitliche dispensacion schaidets, nemlich das solchs, was in Christo war verhaissen, nu in der folle der zeit geschehen ist, wie es dort geschehen sollte, und die, so es also dort, das es geschehen wurde, geleubt, durch den glauben eben so vil an Christo als wir gehabt haben. Solchs wellet ihm anzaigen, und nachmal bitten, das er got drunter forchten, und nicht wider mich so grymmig sein wolle, weil ich ihm doch kain laid nie gethan, sonder das er sich zuvor aller sachen recht well erfraen, auch mich drunder hören etc. Daran beschicht on zweifel gotte wohlgefallens, und es steht mir zu verdienen.

Beiträge zur Bayerischen Kirchengeschichte
herausgegeben von D. Theodor Kolde
ord. Professor der Kirchengeschichte an der Universität Erlangen
8. Band.
Erlangen 1902
Verlag von Fr. Junge.