Calvin, Jean – An Kaspar Olevianus in Heidelberg (751)

Nr. 751 (C. R. – 4051)

Über die Krankenkommunion.

Als du mich schon vor längerer Zeit um meine Meinung über die Krankenkommunion fragtest, bester Bruder, erhieltest du keine Antwort, weil ich dich weit auf Reisen glaubte. So kams, dass ich Crispin keinen Brief mitgab. Jetzt, da ich neulich meinen letzten Brief schon versiegelt hatte, fällts mir ein, dass ich diese Hauptsache vergessen habe. Ich weiß, die Sache ist strittig, weil die Gründe dafür und dawider nicht fehlen. Ich habe nun nicht vor, diese Gründe eingehend zu erörtern, schon weil mir dazu die Zeit nicht reicht. Aber aus der Art, dem Zweck und dem rechten Gebrauch des Sakramentes glaube ich doch ganz richtig den Schluss ziehen zu dürfen, dass man die eines solchen Gutes nicht berauben darf, die an einer langwierigen Krankheit leiden oder in Lebensgefahr sind. Es dient zur Glaubensstärkung, gleichsam ein Unterpfand aus Christi Hand zu empfangen, das uns dessen gewiss macht, dass wir zu seinem Leib gehören und durch sein Fleisch und Blut gespeist werden zur Hoffnung des ewigen Lebens. So wappnet uns der Empfang des Abendmahls für die geistigen Kämpfe, wie wir zu bestehen haben. Wenn nun ein frommer Mensch sieht, dass er aus dieser Welt abscheiden muss, so kanns nicht anders sein, als dass er von mancher Versuchung bestürmt und geängstigt wird, und so wird er denn mit Recht wünschen, sich zu rüsten, dass er den Kampf bestehe. Darf man ihm nun dieses ganz einzigartige Hilfsmittel rauben, das sein Vertrauen so stärkt, dass er freudig in den Kampf geht und den Sieg erringt? Schon einen seit langer Zeit bettlägerigen und dem Tode nahen Kranken daran zu hindern, dass er seine fromme Übereinstimmung mit der Kirche bekenne und bezeuge, ist hart und gibt ein böses Beispiel, und nun ist ja gerade das Abendmahl das Sinnbild der heiligen Einheit der Kinder Gottes. Obwohl ich nun die Sache nur kurz angedeutet habe, so siehst du doch schon, welche Gründe mich zu der Ansicht gebracht haben, man sollte die Kranken nicht von der Kommunion abhalten. Doch möchte ich deswegen keine Unruhe stiften. Du weißt, in der Genfer Kirche herrscht ein anderer Brauch; ich gebe mich damit zufrieden, weil ich es nicht für gut halte, darüber zu streiten. Die Theologen, die die Austeilung der Krankenkommunion nicht als dem Gebot Christi entsprechend erachten, wenden ein, das heilige Mahl sei gestiftet worden, damit die Gläubigen dabei gemeinsam gespeist würden, und ich gebe die Wahrheit dieses Satzes gerne zu. Aber obschon eine richtige Abendmahlsfeier nicht sein kann ohne Gemeinschaft, so ist doch die Krankenkommunion noch nicht als eine Verunstaltung anzusehen, weil sie nicht eine eigentliche Privatfeier sein wird. Denn sie ist tatsächlich nur ein Teil oder Anhang der öffentlichen Feier. Auch schließt Paulus das Abendmahl nicht aus Privathäusern aus, wenn er die Korinther mahnend fragt: Habt Ihr aber nicht Häuser, da Ihr essen und trinken möget [1. Kor. 11, 22]? Denn damals standen den Gläubigen noch keine Tempel offen, noch durften sie je einen bauen. Sondern Paulus will dadurch nur das geistliche Sakramentsmahl von den gewöhnlichen Mahlzeiten unterscheiden, damit es nicht mit ihnen verwechselt werde. Übrigens das gebe ich zu, man muss sich bei der Krankenkommunion recht in acht nehmen, dass nicht der Aberglaube sich einschleiche und die Hoffnung auf Seligkeit an das äußerliche Sinnbild geheftet werde; auch dass kein Ehrgeiz dabei im Spiel sei oder unangebrachte Neugier sich darin geltend mache. So möchte ich, dass das Abendmahl bei Kranken nur selten und mit Auswahl, und ja nicht ohne genaue Kenntnis der Sachlage gefeiert werde. Damit auch die Feier sich nicht von der Einsetzung Christi entferne oder nur im Geringsten abweiche, so möchte ich sie nur im Kreise von Gläubigen und nicht ohne Ansprache und Liturgie wie bei der öffentlichen Feier gehalten wissen. Die Torheit mancher Pfarrer, die das Abendmahlsbrot wie ein Schaugericht in feierlichem Aufzug zu den Kranken tragen, hat bewirkt, dass fromme Leute sich daran als an einem unerträglichen Ärgernis stießen; also auch dieser Übelstand wäre abzustellen. Ich persönlich übe gerne Nachsicht mit der Furcht derer, die meinen, zur Verhütung von Gefahr solle man lieber von einer solchen nicht durchaus notwendigen Feier absehen; nur sollen sie dann auch ihrerseits zugeben, dass ich nicht unbedacht anderer Meinung bin. Lebwohl, bester, trefflichster Bruder. Grüße die Freunde. Der Herr behüte Euch alle, rüste Euch aus mit unüberwindlicher Kraft und leite, was Ihr plant und erstrebt, mit seinem Geiste.

Genf, 1. Dezember 1563.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Kaspar Olevianus in Heidelberg (713)

Nr. 713 (C. R. – 3869)

Weggelassen eine Bemerkung über einen nach Heidelberg zu berufenden Dozenten. Über Bouquin vgl. 457, über Diller, den Hofprediger des Pfalzgrafen 551. Konrad Marius war Professor am Gymnasium zu Heidelberg.

Über die Kirchenzucht in Heidelberg und die Juristen.

– – – Wenn du über die Zusammensetzung einer kirchlichen Disziplinarbehörde meinen Rat erbittest, so weiß ich fast nichts zu antworten, als dass der Pfalzgraf nach Anhörung seines Rates zwei, die Universität zwei, die Stadtgemeinde vier Männer wähle, die dann mit den Pfarrern der Kirche vorstehen und über die Sittenzucht wachen sollen. Denn so könnten die Teile, die sonst durch verschiedene Rechtsordnungen getrennt sind, zu einem Ganzen zusammenwachsen, und die Kirche erhielte ihr Recht, ohne dass jemand geschädigt würde. Jedenfalls ist auf alle Weise darauf zu dringen, dass Ihr doch eine gewisse Kirchenzucht zustande bringt. Schwer ist die Arbeit und verdrießlich, das gebe ich zu, ja ich sage sogar, sie macht verhasst; aber wenn du Christum zum Führer nimmst, so brauchst du nicht müde werden. Hast du mit den Juristen zu streiten, so wisse, dass diese Menschenrasse fast überall den Knechten Christi entgegenarbeitet; denn sie glauben, ihren Rang nicht behaupten zu können, wenn die Macht der Kirche kräftig ist. Doch fahre standhaft fort; es wird dir umso leichter fallen, als du nicht nur treue, sondern auch tapfere und energische Helfer gefunden hast. Lebwohl, trefflicher Mann, bester Bruder. Viele Grüße an Herrn Pierre Bouquin, und auch an die Herren Diller und Marius, sowie die übrigen Freunde. Der Herr erhalte Euch alle gesund und segne Euer frommes Wirken.

Genf, 27. Oktober 1562.

Dein

Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Kaspar Olevianus in Heidelberg (643)

Nr. 643 (C. R. – 3272)

Vgl. 577. Nachdem der Bischof in Trier die Reformation mit Gewalt unterdrückt und ihre Hauptführer verbannt hatte, lebte Olevianus als Lehrer in Heidelberg; 1561 wurde er vom Kurfürsten Friedrich III. dem Frommen zum Professor an der Universität ernannt. Er hatte Calvin um eine Darstellung der Genfer Kirchenordnung gebeten und ihm von einer siebentägigen Disputation zwischen Lutheranern und Reformierten berichtet, die zu Heidelberg anlässlich der Hochzeit Johann Wilhelms von Sachsen mit der Tochter Friedrichs III. gehalten worden war; dabei war Bouquin, Professor der Theologie in Heidelberg (vgl. Nr. 457, 458) seinem lutherischen Gegner Johann Stössel unterlegen. Thomas Erastus (Lieber), war Professor der Medizin und zugleich aus Liebhaberei Theologe.

Von der Genfer Kirchenzucht.

Wenn auch der Ausgang Eurer Disputation nicht so war, wie man hätte wünschen müssen, so war es mir doch sehr lieb, mein bester Kaspar, dass du es dich nicht verdrießen ließest, mir den Hergang der ganzen Sache genau auseinanderzusetzen. Wenn jetzt nur dieser Bouquin aus einer solchen Erfahrung lernte, sein aufgeblasenes Selbstvertrauen ein wenig abzulegen! Vermigli habe ich aufgefordert, wenn er von dem durchlauchtigsten Kurfürsten berufen werde, nicht nur selbst willig den Ruf anzunehmen, sondern auch seinen Kollegen beizubringen, dass das von Nutzen sei. Wie mühevoll dein jetziges Amt ist, sehe ich; doch muss dich der Erfolg und auch die Notwendigkeit deines Wirkens zum energischen Weiterarbeiten drängen. Als weiterer Antrieb kommt dazu noch der Trotz der Gegner, die alles durcheinander bringen wollen. Dass einige Hoffnung besteht, in der Pfalz die Kirchenzucht einführen zu können, freut mich sehr. Wenn dabei vielleicht unsere hiesige Ordnung von Nutzen sein kann, so will ich die Hauptsache gerne zusammenfassen.

Die Pfarrer werden von unserm Kollegium gewählt. Es wird den Kandidaten eine Schriftstelle gegeben, an deren Auslegung sie eine Probe ihrer Geschicklichkeit geben können; dann werden sie über die Hauptpunkte der Lehre geprüft; schließlich haben sie sowohl vor uns als vor der Gemeinde zu predigen. Dabei sind auch zwei Ratsmitglieder anwesend. Wird ihre Ausbildung genügend erfunden, so schlagen wir sie dem Rate unter Beilegung des Zeugnisses vor, und es steht in seiner Macht, sie abzulehnen, wenn er etwa einen untauglich hält. Werden sie angenommen, (was bis jetzt stets geschah), dann werden ihre Namen veröffentlicht, so dass, wenn einer irgendein unbekanntes Vergehen auf dem Gewissen hat, dies innert acht Tagen angezeigt werden kann. Wessen Wahl durch allgemeine stillschweigende Zustimmung gebilligt wird, der wird dann Gott und der Gemeinde anbefohlen.

Die Kinder werden nur im öffentlichen Predigtgottesdienst getauft, da es widersinnig scheint, dass die feierliche Aufnahme in die Gemeinde nur vor ein paar Zeugen geschehe. Die Väter müssen, wenn sie nicht eine dringende Abhaltung haben, dabei sein, um mit den Paten auf die Tauffrage zu antworten. Zur Patenschaft wird niemand zugelassen, der nicht mit uns gleichen Bekenntnisses ist; auch die Gebannten werden von dieser Ehre ausgeschlossen.

Zum heiligen Abendmahl Christi darf keiner kommen, der nicht seinen Glauben bekannt hat. Deshalb werden jährlich vier Prüfungen abgehalten, an denen die Kinder befragt und eines jeden Fortschritte festgestellt werden. Denn wenn sie auch jeden Sonntag in der Katechismus-Stunde anfangen, in gewissem Sinne Zeugnis abzulegen, so dürfen sie doch nicht zum Abendmahl kommen, bis erkannt ist, dass sie nach dem Urteil des Pfarrers im Hauptinhalt des Glaubens genügend weit gekommen sind. Was die Erwachsenen angeht, so wird jährlich eine Inspektion jeder Familie abgehalten. Wir verteilen die Quartiere untereinander, so dass die einzelnen Bezirke der Reihe nach besucht werden können; der Pfarrer ist von einem Ältesten begleitet; dabei werden dann neu Zugezogene auch geprüft. Den schon Aufgenommenen wird das erlassen und nur untersucht, ob es im Hause ordentlich und friedlich zugeht, ob Streit mit den Nachbarn oder etwa Trunkenheit vorkommt, ob sie faul und träge im Predigtbesuch sind.

Die Sittenzucht wird folgendermaßen gehandhabt. Jährlich werden zwölf Älteste gewählt, nämlich zwei aus dem kleinen Rat, die übrigen aus dem Rat der Zweihundert, gleichgültig ob Alteingesessene oder Neubürger. Wer recht und treu seines Amtes waltet, wird nach Jahresfrist nicht entlassen, außer wenn er etwa durch ein anderes Staatsamt in Anspruch genommen wird. Vor der Wahl werden die Namen der Kandidaten veröffentlicht, so dass, wer einen als unwürdig erkennt, es rechtzeitig melden kann.

Vor dieses kirchliche Gericht wird nur vorgeladen, über wen dies einstimmig beschlossen wird; so wird jeder gefragt, ob er etwas vorzubringen habe. Es wird auch niemand vorgeladen, als wer sich einer persönlichen Mahnung ungehorsam erwiesen hat und der Gemeinde durch böses Beispiel Ärgernis gibt. So werden Flucher, Trunkenbolde, Hurer, Raufbolde und Streitsüchtige, Tänzer und Reigenführer und dergleichen Leute vorgeladen. Wer nur leicht gefehlt hat, wird mit freundlichen Worten zurechtgewiesen und entlassen. Bei schwereren Sünden ist die Rüge strenger; der Pfarrer tut sie dann nämlich in den Bann, wenn auch nur für kurze Zeit; dadurch werden sie vom Abendmahl ausgeschlossen, bis sie um Verzeihung bitten und vom selben Pfarrer wieder mit der Gemeinde wieder ausgesöhnt worden sind. Verachtet jemand verstockt die kirchliche Macht und lässt nicht innert Jahresfrist von seinem Trotz, so wird er vom Rat auf ein Jahr ausgewiesen. Benimmt sich jemand besonders frech, so nimmt der Rat die Sache auf und erteilt die Strafe. Wer, um sein Leben zu retten, bei den Papisten die evangelische Lehre abgeschworen und der Messe beigewohnt hat, wird aufgefordert, sich der Gemeinde zu stellen. Der Pfarrer erklärt dann die Sache von der Kanzel; dann wirft sich der Gebannte auf die Knie und bittet demütig um Verzeihung. Die Befugnisse des Konsistoriums sind nur der Art, dass die staatliche Gerichtsbarkeit in ihrem Vorgehen durch sie nicht gehemmt wird. Damit das Volk nicht über maßlose Strenge klagen kann, sind nicht nur die Pfarrer denselben Strafen unterstellt, sondern jedes des Bannes werte Vergehen zieht zugleich die Absetzung mit sich.

Diese Zusammenfassung halte ich für genügend; du kannst daraus die Gestaltung der Kirchenzucht schon erkennen, die ich dir ja doch nicht vorschreiben kann. Was du bei Euch für nützlich hältst, das bringe bescheidentlich vor, damit die guten, klugen Männer, die zu ermahnen nicht schwer sein wird, selbst beraten können, was das beste ist. Herrn Thomas Erastus, den Rektor Eurer Hochschule, grüße ehrerbietig von mir. Das Buch Tilemanns, das er Bullinger gesandt hat, habe ich zu durchfliegen begonnen, nicht ohne Spaß; denn die Geschwätzigkeit dieses Zungendreschers ist zu erbärmlich, als dass sie mich ärgern könnte. Ob ich antworten soll, darüber habe ich mich noch nicht entschieden. Einer Arbeit, die viele Tage in Anspruch nimmt, werde ich das Zeug sicher nicht würdigen; denn das viele Schreiben verdrießt mich. Eine kurze Darstellung dieses Handels habe ich neulich entworfen, die ich vielleicht nächstens herausgebe. Hast du etwa Zutritt zu dem erlauchten, edeln Herrn Grafen von Erbach, so zeige ihm, bitte, die Abschrift, die du diesem Briefe beigeschlossen findest. Dass ich ihm jetzt nicht schreibe, mag er meiner Scheu zuschreiben; doch kann er überzeugt sein, dass ich seine Hoheit stets mit geziemendem Respekt verehre. Lebwohl, bester, von Herzen geliebter Bruder. Der Herr leite dich mit seinem Geiste; er halte dich aufrecht mit seiner Kraft und behüte dich und segne dein Wirken.

Genf, 25. November 1560.