Heil und Frieden! Aber nicht den, der nach der Menschen Sinn offenbar ist, sondern der unter dem Kreuz verborgen ist und höher ist als alle Vernunft, im Herrn.
– Ihr suchet und begehrt zwar Frieden, aber verkehrt, denn ihr suchet ihn. wie ihn die Welt giebt: nicht, wie Christus ihn giebt. Wisset ihr auch, geliebtester Vater, daß Gott darum wunderbar ist in seinem Volk, weil er seinen Frieden inmitten des Unfriedens gesetzt hat, das ist, mitten unter alle Versuchungen, wie er spricht! „Herrsche mitten unter Deinen Feinden!“ Darum nicht der hat Frieden, den niemand stört – das ist Friede der Welt – sondern der, den Alle und Alles quält und der das Alles ruhig, ja mit Freuden erträgt. Ihr sprecht mit Israel: „Friede, Friede!“ und ist doch kein Friede. Sprecht lieber mit Christo: „Kreuz, Kreuz“ und ist doch kein Kreuz. Denn alsobald ist das Kreuz nicht mehr Kreuz, so ihr fröhlich sprecht: Gebenedeietes Kreuz, unter allem Holz ist keines Dir zu gleichen!
So sehet denn, wie gnädig euch der Herr zum wahren Frieden mahnt, der euch mit soviel Kreuz umgiebt. – Den Frieden suchet, so werdet ihr ihn finden. Ihr werdet ihn aber nicht besser suchen, als wenn ihr Unruhe und Trübsal als heilige Reliquien mit Freuden annehmt, nicht aber Frieden nach eurer Meinung und Sinn suchet.
Gehabt euch wohl und bittet für mich, liebster Vater; der Herr regiere euch.
Wittenberg, am Tage der zehntausend Märtyrer, (22. Juni) 1516.
Bruder Martin Luther, Vicarius.
Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867