Calvin, Jean – An einige polnische Pfarrer und Edelleute.

Nr. 520 (C. R. – 2602)

Sieben evangelische Pfarrer und zehn Edelleute Polens hatten Calvin aufgefordert, nach Polen zu kommen, um der Reformation zum Durchbruch zu verhelfen, und den Genfer Rat um seine Entlassung gebeten. Lismano war nach seiner Rückkehr nach Polen vom König auf Betreiben der Bischöfe zeitweilig wieder verbannt worden.

Ablehnung eines Rufes nach Polen.

Hätte ich Euern Brief, hohe und edle Herren und herzlich verehrte Brüder, an der Herbstmesse in Frankfurt erhalten, statt erst auf der Rückreise in Zürich, so hätte ich die Antwort nicht bis jetzt hinaus geschoben. Denn von jenem Handelsplatz aus findet sich stets günstige Gelegenheit, Botschaft zu senden, und damals war ja eben unser verehrter Bruder, Herr Johann von Laski, zur Reise bereit, der nicht nur um Euret- und meinetwillen dieses Amt gern übernommen hätte, sondern mir auch der treueste Vermittler meiner Gedanken gewesen wäre. Da sich mir aber seither kein Bote antrug, der einen Brief hätte mitnehmen können, so hielt ich besondere Eile für unnötig, besonders da ich aus der langen verstrichenen Frist leicht den Schluss ziehen konnte, dass man meine Hilfe nicht dringend brauche, und Herr Lismanino daran verzweifelte, dieses lange Warten noch länger aushalten zu können, und uns eher erwarten ließ, er komme wieder zu uns, als dass er uns durch Hoffnung auf Erfolg Mut zum raschen Handeln gemacht hätte. Wenn auch aus Euerm Schreiben zu ersehen war, dass Euch mein Kommen lieb gewesen wäre, so fürchtete ich doch, weil mein Wegzug von der Genfer Kirche einen nicht geringen Verlust bedeutet hätte, ich handelte in blindem Eifer wie ein unbedachter, allzu hitziger Mensch, wenn ich nach Polen käme, ehe es Zeit wäre. Als ich daher bei meiner Rückkehr Euer Schreiben dem Rat vorlegte, fügte ich gleich, weil alles betrübt und ängstlich wurde, bei, man brauche darüber gar nicht zu beraten; denn die fünf Monate, die schon damals nach Abgang Eures Briefes verflossen waren, hätten wohl die Sachlage bereits verändert. Ich sage, sie waren ängstlich, weil sie Euch nicht gern etwas abgeschlagen hätten, sondern aufs Beste für Euch hätten sorgen und sich Euch nach Kräften gefällig erweisen mögen, und doch nur sehr ungern mir Urlaub gegeben hätten. Jetzt, da Ihr durch Gottes Güte die Arbeit Herrn Johann von Laskis, dieses edeln Mannes und treuen Dieners Christi, genießen dürft, so sehe ich nicht ein, weshalb Ihr auch noch meine Gegenwart begehren solltet. Denn wenn er auch, wie ich hoffe, mich nicht ungern zum Genossen hätte, und es mir sehr angenehm wäre, gemeinsam mit ihm unter Euch zu wirken, so werdet Ihr mich doch nicht ohne Not von dem Posten, an dem ich jetzt mit Nutzen tätig bin, wegrufen wollen. Wenn ich mir nicht den Vorwurf des Leichtsinns zuziehen will, so darf ich bei so unsichern Verhältnissen nichts Derartiges probieren. Euch das früher zu schreiben, daran hat mich Herr Lismanino verhindert, der mir schrieb, er werde vielleicht erst in einigen Monaten bei Euch sein. Freilich kamen nachher noch andere Briefe, nach denen man hoffen konnte, es stehe besser, die aber doch durch das, was sie nicht meldeten, wohl merken ließen, dass kein Grund zu besonderer Eile sei. So bleibt mir nur eins übrig; ich will versuchen, durch mein fürbittendes Gebet das zu ersetzen, was Euch etwa durch mein Ausbleiben abgehen sollte; denn Eure Freudigkeit zum Guten ist so groß, dass sie eines besondern Ansporns durch Ermahnungen nicht bedarf. Lebt wohl, hohe Herren, ebenso edel durch Geburt als durch Eure außerordentliche Frömmigkeit. Der Herr leite Euch mit dem Geiste des Rats, stärke Euch durch seine unbezwingliche Kraft und halte Euch in seiner Hut.

Genf, 8. März 1557.

Dass unser Rat Euch nicht selbst antwortet, dafür habe ich die Verantwortung übernommen.
Euer
Johannes Calvin.