Calvin, Jean – An Pfarrer Gwalther in Zürich.

Nr. 505 (C. R. – 2515)

Johannes Fries war Schulmeister am Großmünster zu Zürich. Zum zweiten Abschnitt vgl. den vorigen Brief. Der Dachreiter des Genfer Münsters verbrannte am 10. August 1556.

Empfehlung eines jungen Genfers in Zürich. Noch einmal der Heiratsschwindler.

Der Vater des Knaben, durch den du diesen Brief erhältst, ist ein Ratsherr in Genf; weil er aber nicht sonderlich wohlhabend ist, wünscht er, sein Sohn möchte in Zürich mit möglichst wenig Kosten Deutsch lernen und zugleich auch sonst eine gute Schulbildung erhalten. Obwohl ich dir nur ungern damit lästig falle, konnte ich doch nicht umhin, dem Vater, meinem Freunde, meine Empfehlung zu versprechen. Ich bitte dich also, den Knaben, so weit es dir passt, zu beraten, und wenn nötig, ihm deine freundliche Gunst zu teil werden zu lassen. Unserm lieben Fries seinetwegen zu schreiben, hielt ich für überflüssig, wenn du ihm den Knaben in meinem Namen empfehlen willst.

Dass der Schurke, der Euch so entsetzlich angeführt hat, entwischt ist, tut mir leid; denn wohin er kommt, wird er denselben Heiratsschwindel wieder beginnen. Auch besteht Gefahr, dass er, wenn er wieder zum Papismus zurückkehrt, nach Art solcher Überläufer viel anstellen wird, unsere Brüder [in Frankreich] zu verderben. Denn da Ihr fürchtetet, auswärts böses Blut zu erregen, wenn Ihr ein Exempel statuiertet, so muss doch jetzt sicher sein Verbrechen und seine Treulosigkeit aufgedeckt werden, damit deine Base sich von ihm scheiden lassen kann. Doch wird es weit mehr Ärgernis erregen, dass er straflos davon kam, als wenn er aufs Schaffot gebracht worden wäre. Übrigens, da dies nun für Euch doch nicht mehr möglich ist, so wirst du von unserm Ratsschreiber ein Zeugnis über ihn erhalten, das durchaus genügt, die Ehescheidung zu begründen. Hoffentlich bietet sich bald ein fröhlicherer Anlass, dir einen Freundesdienst zu leisten. Wozu du meine Hilfe brauchst, ich bin stets gerne bereit.

Letzten Montag wurde das Türmchen, das an unserm Münster hoch und spitzig aufragt, dicht unter der Spitze vom Blitz getroffen und bot uns vier Stunden lang ein trauriges, grauenhaftes Schauspiel. Denn wegen der Höhe und der engen Treppen war keine Möglichkeit, den Brand zu löschen. So musste man warten, bis die Spitze von fünfzehn Ellen oder mehr von selbst herabfiel. Auch der übrige Teil brannte ab bis zu der quadratischen Basis, an der die Uhr war. Gott hat gnädiglich an uns gehandelt, da er nur abhauen wollte, was überflüssig hoch war; denn eine gewaltige Menschenmenge suchte mit großem Fleiß und nicht weniger Mut beim Löschen zu helfen; du würdest meinen, der Brand sei irgendwo künstlich eingeschränkt worden, dass er nirgends sonst Schaden anrichtete. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Der Herr sei stets mit dir; er leite dich mit seinem Geiste, er segne dein Wirken und behüte dein ganzes Haus. Grüße deinen Schwager Zwingli von mir, Herrn Wolf, Herrn Fries und die andern.

Genf, 15. August 1556.
Dein
Johannes Calvin.