Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (451)

Vgl. 449. Am 16. Mai suchten Anhänger der anticalvinistischen Partei in das Haus Baudichons de la Maisonneuve, eines Hauptfreundes der französischen Neubürger, einzudringen; bei dem Tumult soll Perrin den Syndicstab des einschreitenden Syndics Aubert angetastet haben. Die Hauptführer, zwei Brüder Comparet, wurden verhaftet; während der vom Rat gegen die Urheber des Komplotts begonnenen Untersuchung floh Perrin mit seinen Hauptanhängern aus der Stadt. Sulzer, der Basler Antistes, sympathisierte stark mit den Lutheranern, konnte sich aber um seiner Stellung willen nicht ganz zu ihnen schlagen.

Von der Genfer Verschwörung.

Über unsere Wirren sind zweifelsohne auch schon nach Zürich laute Gerüchte gedrungen. Und das nicht ohne Grund, denn wenig fehlte, so hätte eine Nacht uns alle samt dieser Stadt ins Verderben gestürzt. Doch durch Gottes wunderbaren Ratschluss geschah es, dass die Hilfe der größten Gefahr zuvorkam, in der wir ohne unser Wissen schwebten. Die ganze Partei, die drei Jahre hindurch ohne Unterlass uns anfeindete, hatte, als sie sich in jeder Beziehung überwunden sah, einen Plan gefasst, wie es nur Verzweifelte tun können. Zwar wurden nicht die Sklaven aus ihren Kerkern geführt, wie einst, als noch die Sklaverei bestand, aber alle Pflastertreter wurden in die Wirtshäuser geladen, um dort angeworben zu werden. Nachdem eine große Zahl solcher Strolche, wie aus deutlichen Zeugenaussagen erhellt, an zwei verschiedenen Orten umsonst mit einem Nachtessen regaliert worden war, entstand plötzlich ein Auflauf gegen die Wachen. Während von den Guten sich niemand rührte, riefen jene alle andern zu den Waffen. Mehrmals wurden einzelne Franzosen mit Namen genannt, die die Stadt verraten haben sollten. Von den Franzosen zeigte sich auch nicht einer. Den Syndics, die aus ihren Betten hereilten, folgten ein paar Bürger. Da wurde nun an die Syndics gewaltsam Hand angelegt, wie es seit Menschengedenken noch nie vorkam. Doch war der Ausgang ganz anders, als sich die Aufrührer versprochen hatten; es war ihr fester Plan, wenn jemand von französischer Nation herauskomme, ihn zu töten und ein Triumphgeschrei zu erheben, dann gleich die vier Syndics und die ersten Mitglieder des Rats nieder zu machen. Der Herr aber riss ihnen ihre Hülle ab und machte sie zu Schanden. Übrigens wurde mit solch ruhiger Mäßigung vorgegangen, dass ihr Führer sogar noch einmal, zweimal im Rat mitten unter den Richtern saß, alle Zeugenaussagen gegen sich hörte, und die Freiheit hatte, sie zu widerlegen. Als er aber anfing, Lärm zu schlagen, wurde er aus dem Rate gewiesen und ergriff mit vier Genossen die Flucht. Andere liegen in Haft und werden wohl in wenigen Tagen Red und Antwort geben müssen. Über die Flüchtigen wurde, da sie dadurch ihrer Schuld deutlich überführt sind, das Todesurteil ausgesprochen. Seither ist in der Stadt einige Aufregung, doch ohne dass die öffentliche Ruhe dadurch gestört würde. Willst du die ganze Geschichte ausführlicher hören, so solls mich nicht verdrießen, die Arbeit eines Berichtes an dich zu übernehmen; jetzt fürchte ich noch, du hältst mich für töricht, wenn ich auch die weniger wichtigen Umstände noch genauer aufführte.

Was in unsrer Angelegenheit zu Bern beschlossen worden ist, wissen wir nicht. Doch sehe ich, dass ich bei einigen so verhasst bin, dass sie wohl nie aufhören werden, Unruhe zu stiften, bis ich, von ihnen überwunden, ihrer Wut weichen muss.

Über unsere Verteidigungsschrift [gegen Westphal] haben mir die Churer im Namen aller Bündner zuerst ihren Dank ausgesprochen. Von den Schaffhausern brauche ich nichts zu sagen, da du selbst mir ihren Brief gesandt hast. Auch die St. Galler bezeugen, sie gäben sehr gern ihre Unterschrift dazu. Was unser Sulzer antwortete, kannst du besser aus seinem Briefe selbst sehen; ich mags gar nicht mit meinen Worten wiedergeben. Ich habe stets gefürchtet, er würde kühl sein, um neutral zu bleiben. Doch hatte ich immerhin etwas Besseres erwartet oder mindestens etwas weniger Dummes. Doch weil er sich wenigstens nicht von uns trennt, müssen wir ihn warm halten; ob er auf meine freimütige Widerlegung seiner Einwände hin seine frühere Meinung aufgegeben hat, weiß ich nicht, wenigstens schweigt er.

Aus Deutschland heißt es, es sei noch kein Friede geschlossen. Dass zwischen den Franzosen und dem Kaiser einige Verträge verhandelt worden sind, weiß du; doch ist nichts sicherer, als der Krieg. Denn es heißt, die türkische Flotte nahe, und das könnte schon allein zehn Frieden umwerfen. Ich bin zu spät an die Abreise des Boten gemahnt worden und sollte jetzt nach dem Nachtessen eigentlich die Predigt für morgen meditieren. Also lebwohl, hochberühmter Mann und von Herzen verehrter Bruder. Grüße deine Kollegen von mir und dein Haus, ich füge noch bei, auch Herrn Lismanino. Der Herr behüte und leite Euch alle in Ewigkeit.

Genf, 5. Juni, etwa 9 Uhr abends.