An den Rat zu Nürnberg, von dem entstandenen Streit zwischen den Predigern daselbst, von der Absolution, vom J. 1539.

Gottes Gnade durch unseren Herrn Jesum Christum! Ehrbare, Ehrsame, Günstige Herren. Nachdem uns die Uneinigkeit, so sich zwischen den Herren Prädikanten bei euch zugetragen, von Herzen leid ist, und selbst zum höchsten geneigt sind, allen Fleiß vor zuwenden, so viel uns immer möglich, die Uneinigkeit zu stillen, und Ärgernis zu wehren, habe ich, Dr. Martin Luther, nicht unterwegs lassen können, für dieser Zeit insgemein, und insonderheit die Herren Prädikanten (wiewohl mir des Herrn Osiandri Meinung dazumal nicht bewusst) zur Einigkeit und zum Frieden zu vermahnen, und dieweil Ew. W. uns Beider Schriften zu besehen zugeschickt, haben wir dieselben mit Fleiß gelesen und erwogen, und habe ich, Dr. Martin Luther, abermals an den Osiander geschrieben, und ihm meine Meinung davon angezeigt. Gott gebe Gnade, dass es diene zu Friede und Einigkeit, wie zu verhoffen; denn wir zweifeln nicht, beide Teile meinen es gut, und mit gut christlichem Herzen, und suchen in dieser Sache nichts Anderes als gemeine Besserung, und ist auf Ew. W. Fragen, dieses unsere Meinung und Antwort.

Wiewohl wir die privatam absolutionem für sehr christlich und tröstlich halten, und dass sie soll in der Kirche erhalten werden, aus Ursachen, die wir Ew. W. zuvor und sonst geschrieben haben, so können und wollen wir doch die Gewissen nicht so hart beschweren, als sollte keine Vergebung der Sünden sein, ohne privatam absolutionem. Denn auch die Heiligen von der Welt an, nicht privatam absolutionem gehabt haben, sondern sie haben sich müssen trösten durch gemeine promission und ihren Glauben daraus bauen; und ob schon David von seinem Fall privatam absolutionem gehabt, so hat er doch von andern Sünden vor und nach sich müssen halten an die gemeine Promission und Predigt, wie Jesaias und auch Andere. Nun aber das Evangelium offenbart, verkündigt es Vergebung der Sünden insgemein, und insonderheit.

Wahr ist’s, dass Osiander sagt, das Gewissen streitet nicht insgemein, ob Gott barmherzig sei, sondern von der Person, ob mir Gott gnädig sein wolle. Aber wiewohl die Predigten und promissiones gemeint sind, so soll doch ein Jeder merken, dass sie universales sind, und soll sich selbst Niemand davon ausschließen, sondern sich derer annehmen, als eines eigenen besonderen Wortes, dieweil Gott Allen geboten hat, seiner Verheißung zu glauben, und obgleich ihr Viele nicht glauben, so will Er sie doch allen denen halten, so sich darauf verlassen, wie Paulus spricht Röm. 3. Numquid eorum incredulitas fidem Dei evacuavit (hat ihr Unglaube Gottes Glauben aufgehoben)?

Was wollte auch folgen, so keine Vergebung der Sünden ohne privatam absolutionem wäre? Wie könnte man den blöden Gewissen raten, so sie privatam absolutionem so oft nicht haben könnten, als sie mit Schrecken und Angst angefochten werden, auf der Hand oder Faust, dass sie in der Eile nicht mögen einen Priester haben, wie sich solches auch wohl zutragen mag, an Orten, da das Evangelium verfolgt wird, dass auch einem rechten Christen ein Pfarrherr will keine Absolution mitteilen, so ist christliches Wesen und Leben ein solcher ewiger Streit, darin man für und für wider der Sünde Schreckung Vergebung sucht.

Zum andern wissen wir auch für gewiss, dass die gemeine Predigt auch das Werk hat, dass sie Vergebung im Gewissen wirkt in denen, so sich dadurch im Glauben trösten und aufrichten, wie Paulus spricht: „das Evangelium ist eine Kraft Gottes rc.“ Item, 2. Kor. 4 nennt er das Evangelium ein Amt des Heiligen Geistes, das Leben und Gerechtigkeit bringt.

Item: „fides ex auditu, auditus per verbum dei „((Der Glaube kommt aus dem Hören, das Hören durch das Wort Gottes.)), welches Alles vom Ministerio, Beides insgemein, und besonders geredet ist, und in Summa weil das Evangelium, Gottes Wort ist, dem wir zu glauben aus Gottes Befehl schuldig sind, wo der Glaube ist, da muss auch Vergebung und Seligkeit sein; also ist das Evangelium eine gemeine Absolution, denn es ist eine Verheißung, deren sich Alle und ein Jeder annehmen soll aus Gottes Befehl und Gebot, darum können wir die gemeine Absolution nicht als unchristlich verbieten und verdammen, dieweil sie doch dazu dient, dass sie die Zuhörer vermahnt, dass sich ein Jeder des Evangelii soll annehmen, dass eine Absolution sei, und ihm zugehöre, wie denn Ew. W. Schrift ferner zu solcher Erinnerung gestellt ist.

Dass aber dawider gesagt wird: man kann den Haufen nicht absolvieren; denn ihrer sind Viel, die man billig binden sollte; man soll Keinen absolvieren, der es nicht begehrt; darauf ist zu wissen, dass es zweierlei ist, predigen und Jurisdiktion. Die Jurisdiktion gehört zu öffentlichen Sünden; daneben sind vielmehr heimliche Sünden, die man nicht anders binden und strafen kann, denn insgemein durchs Predigtamt. Also bindet der Prediger alle Ungläubigen, und gibt da zugleich allen Gläubigen Vergebung, ja auch denjenigen, so durch die Jurisdiktion gebunden; wenn er durch die Predigt zum Glauben und Gehorsam kommen, so wird ihm bei Gott vergeben, wiewohl er sich hernach mit der Kirche auch versöhnen soll.

Da auch gedachte Absolution conditionalis ist, ist sie, wie sonst eine gemeine Predigt, und eine jede Absolution, beide gemeine und privata, hat die Kondition des Glaubens; denn ohne Glauben entbindet sie nicht, und ist nicht darum ein schlechter Schlüssel, denn der Glaube baut nicht auf unsere Würdigkeit, sondern ist nur so viel, dass Einer die Absolution annimmt und ja dazu spricht.

Dies ist aufs Kürzeste unsere einfältige Meinung, die wir Ew. W. nicht derhalben zuschreiben, Jemand damit zu beschweren, oder Unmut anzurichten, sondern weil ihr begehrt unsere Meinung zu wissen, und tun wir von Herzen wünschen, dass Gott Gnade verleihe, dass eure Kirche in Friede und Einigkeit bleibe, und im reinen Bekenntnis Christi, und an allen guten Früchten zunehmen möge; derhalben bitten wir ganz freundlich, Ew. W. wolle auf freundliche Wege gedenken, hierin zu handeln, wie wir nicht zweifeln, dass Ew. W. selbst dazu geneigt seien, und ist dies unser Bedenken, dieweil man einig ist auf beiden Teilen, dass die Privatabsolution christlich zu halten sei, dass beide Teile die Leute zu solchen privatis absolutionibus einhellig vermahnen, und weil es Herrn Osiander beschwerlich ist, die gemeine Absolution zu treiben, dass er nicht dazu gezwungen, aber doch dem Frieden zu Gut, der andere Teil, welcher die Absolution halt, unangefochten bleibe, sondern beide Teile zur privata absolutione die Leute zugleich vermahnen. Dies achten wir, sollte ein Weg sein, der Niemandes Gewissen beschwerlich, und zum Frieden dienstlich wäre; so hoffen wir auch beide Teile seien zum Frieden geneigt, als die, so in solchen Sachen nichts Anderes denn Besserung, und nicht Spaltung noch Ärgernis suchen. So hat Herr Osiander ein gutes christliches Bedenken vom Binden, welches doch allein zu öffentlichen Sünden gehörig, und was wir von solcher Exkommunikation bedacht, und vor diesem Ew. W. geschrieben, das weiß sich Ew. W. wohl zu erinnern. Gott verleihe Ew. W. Gnade und Friede, Amen. Zu Wittenberg gegeben Mittwoch nach Francisci.

Martinus Lutherus.
Johannes Bugenhagius.
Justus Jonas.
Caspar Cruciger.
Philippus Melanchthon.