Dem Fürsichtigen Jesel, Jüden zu Rosheim, meinem guten Freunde.
Mein lieber Jesel! Ich wollt wohl gern gegen meinen gnädigsten Herren fur euch handeln, beide mit Worten und Schriften, wie den auch meine Schrift der ganzen Jüdischheit gar viel gedienet hat; aber dieweil die Euren solchs meines Dienstes so schändlich mißbrauchen, und solche Ding fürnehmen, die uns Christen von ihnen nicht zu leiden sind, haben sie selbs damit mir genommen alle Forderung, die ich sonst hätte bei Fürsten und Herren können thun.
Denn mein Herz ja gewesen ist, und noch, daß man die Jüden sollt freundlich halten, der Meinung, ob sie Gott dermaleins wollt gnädiglich ansehen, und zu ihrem Messia bringen; und nicht der Meinung, daß sie sollten durch meine Gunst und Forderung in ihrem Irrthum gestärkt und ärger werden. Davon ich, so mir Gott Raum und Zeit gibt, will ein Büchlin schreiben, ob ich etlich künnte aus euren väterlichen Stammen der heiligen Patriarchen und Propheten gewinnen, und zu eurem verheißenen Messia bringen. Wiewohl es ganz frembde ist, daß wir euch sollen reizen und locken zu eurem natürlichen Herrn und Könige, wie denn vorhin euer Vorfahren, da Jerusalem noch stunde, die Heiden gereizt und gelockt haben zu dem rechten Gott.
Sollt ihr nicht billig denken, daß wir Heiden wohl so hoffärtig und ekel wären, weil ohn das Heiden und Jüden allzeit tödtlich feind einander gewesen sind, daß wir freilich auch euren besten König nicht würden anbeten, geschweig denn einen solchen verdampten gekreuzigten Jüden, wo nicht hierinne wäre die Gewalt und Macht des rechten Gottes, der solches uns hoffärtigen Heiden, euren Feinden, gar mächtiglich ins Herz brächte. Denn ihr Jüden würdet ja nimmermehr einen gehenkten oder geradbrechten Heiden nach seinem Tod fur einen Herrn anbeten, das wisset ihr.
Darumb wolltet ja uns Christen nicht fur Narren oder Gänse halten, und euch doch einmal besinnen, daß euch Gott wöllte dermaleins aus dem Elende, nu uber funfzehen hundert Jahr lang gewähret, helfen, welchs nicht geschehen wird, ihr nehmet denn euern Vettern und Herrn, den lieben gekreuzigten Jesum, mit uns Heiden an.
Denn ich habe eure Rabbinos auch gelesen, und wäre es darinnen, so wäre ich so hörnern und steinern nicht, es hätte mich auch bewogen. Aber sie können nichts mehr, denn schreien: es sein ein gekreuzigter, verdampter Jüde, so doch alle eure Vorfahren keinen Heiligen noch Propheten unverdampt, ungesteiniget und ungemartert haben gelassen, welche allzumal auch mußten verdampt sein, wenn euer Meinung darumb sollt recht sein, daß Jesus von Nazareth von euch Jüden gekreuziget und verdampt sei; denn ihrs zuvor mehr gethan und allwege gethan.
Leset, wie ihr mit eurem Könige David umb seid gangen, und mit allen frommen Königen, ja, mit allen heiligen Propheten und Leuten, und haltet uns Heiden nicht so gar fur Hunde. Denn ihr sehet, daß euer Gefängniß zu lang will währen, und findet doch uns Heiden, welche ihr fur eure höchsten Feinde haltet, günstig und willig zu rathen und helfen, ohn daß wirs nicht leiden können, daß ihr euer Blut und Fleisch, der euch kein Leib gethan hat, Jesus von Nazareth, verflucht und lästert, und (wenn ihr könntet) alle die Seinen umb alles brächtet, was sie sind, und was sie haben.
Ich will auch ein Prophet sein, wiewohl ein Heide, wie Bileam gewesen ist: es soll nicht gehen, das ihr hoffet, denn die Zeit, von Daniel bestimmet, ist lang aus; und wenn ihrs gleich noch so wunderlich drehet, und aus dem Text machet, was ihr wöllet, so ist das Werk furhanden.
Solchs wöllet von mir freundlich annehmen, euch zu eurer Vermahnung. Denn ich umb des gekreuzigten Jüdens willen, den mir Niemand nehmen soll, euch Jüden allen gerne das Beste thun wollte, ausgenommen, daß ihr meiner Gunst nicht zu euer Verstockung gebrauchen sollt. Das wisset gar eben.. Darumb müget ihr eure Briefe an mein gnädigsten Herrn durch andere furbringen. Hiemit Gott befohlen. Datum aus Wittenberg, Montags nach Barbarä, im 1537. Jahr.
Mart. Luther.
Quelle:
Dr. Johann Konrad Irmischer Dr. Martin Luthers vermischte deutsche Schriften 1. Deutsche Briefe Dritter Band Frankfurt a.M. und Erlangen 1853