Luther, Martin – An Urbanus Rhegius

(7.7.1528)

Gnad und Friede im Herrn. Nun kam ein erfreulicheres Gerücht, dank ehemals, zu uns, mein bester Urban! Denn so wol einiger Freunde Briefe, als auch Zwingels prahlerisches Vorgeben brachte mich auf den Verdacht, Ihr wäret von uns, in Absicht auf die Lehre vom heiligen Abendmal, gänzlich abwendig gemacht worden. Nun redet man freylich ganz anders von Euch, so daß es mein ehemaliger hoffnungsloser Gram über Euer Ausreißen mir noch kaum zu glauben erlaubet. Doch wünsch ich es mit jedem heissen Wunsche, daß Christus meine Seufzer um Euch erhöre, und uns mit dieser frohen Nachricht erfreue. Das soll für uns eine Osterfeyer, ein wahres brüderliches Passafest seyn, wenn Ihr Euch nicht von uns trennet, wenn Ihr Eines Glaubens mit uns seyd! Ich schreibe dieses nicht ohne alle Besorgniß. Denn ich weis es aus der Erfahrung, wie oft wir uns nicht nur mit schlimmen, sondern auch frohen Botschaften zu täuschen pflegen. Ich bitt Euch daher, beehrt mich mit einem Schreiben, worin Ihr mir zu wissen machet, was für ein Geist Euch belebe, was für Gesinnungen Ihr heget. Gehabt Euch recht wohl in Christo. Wittenberg den 7ten Jul. 1528.

Euer
Martin Luther

Quelle:
D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe. Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt. Erster Band. Leipzig, in Kommission bey Christian Friderich Wappler. 1784.