Luther, Martin – Sendschreiben an Hartmuth von Cronberg.

Hartmuth von Cronberg, ein rheinischer Ritter und Herr des Städtchens Cronberg in der Nähe von Frankfurt a. M., war einer der ersten aus dem deutschen Adel, die sich zu Luthers Lehre öffentlich bekannten. Im Jahre 1521 während des Reichstages zu Worms ließ er dem Kaiser, von dem er noch gute Hoffnung hegte, eine Schrift überreichen, wie einigen in der Kirche eingerissenen Mißbräuchen zu steuern sey. Auch an den gesammten Orden der Bettelmönche richtete er eine Schrift, um ihm die Irrthümer der römischen Kirche vorzustellen. Selbst an den Pabst, Hadrian, schrieb er, wünschte ihm die Erkenntniß Gottes und seiner selbst und zeigte ihm die Ursachen an, warum er sich von der päbstlichen Kirche getrennt habe. In einem Kriege, den sein Vetter, Franz von Sickingen, gegen den Erzbischof von Trier führte, wurden ihm alle seine Güter genommen und er selbst verjagt. Gleichwohl konnte ihn dies alles nicht bewegen, von der erkannten Wahrheit abzulassen. Mit Luthern stand er in häufigem Briefwechsel und bezeugte in seinen Briefen einen glühenden Eifer für dessen Lehre, für welche er selbst den Tod zu leiden sich bereit erklärte. Er starb im 61. Jahre seines Alters 1549. Luthers Sendschreiben an ihn, im März 1522, kurz nach seiner Rückkehr von der Wartburg, geschrieben, ist ein herrliches Zeugniß von des Mannes Gottes Glaubensmuth und Freudigkeit und ist nicht nur allen denen, die um Christi und seines Wortes willen Verfolgung leiden, sondern auch allen Gottseligen, mit was für Anfechtung sie auch beladen sind, nützlich und tröstlich zu lesen.

Ausg. Wittenb. VI. 363. VII. 485. Jena II. 66. Altenb. N. 116. Leipz. XVIII. 226. Walch. XV. 1979. De W. II. 161. Erlang. l.m. 119.

Gunst und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn Jesu Christo, sey euch gewünscht, günstiger Herr und guter Freund in Christo. Ich habe eurer Schriften zwo, eine an Kaiserliche Majestät, die andere an die Bettelorden gethan, mit großer Freude erfahren und gelesen, und danke meinem Gott für die Gunst und Gabe, so euch gegeben ist, an der Erkenntniß der christlichen Wahrheit, dazu auch die Lust und thätige Liebe zu derselbigen. Dann man spüret wohl, daß eure Worte aus Herzens Grund und Brunst quellen, und beweisen, daß nicht, wie in Vielen, das Wort Christi allein auf der Zunge und in den Ohren schwebe, sondern ernstlich und gründlich im Herzen wohne, also daß es auch seine Art angezogen, und so gar freudig und unschüchtern macht, dasselbige zu preisen und zu bekennen, nicht allein mit dem Munde, sondern auch mit der That und Schrift, für und gegen alle Welt, zuvor gegen solche hohe und kluge Geister. Wie groß aber und überschwänglich solche Gabe sey, kann Niemand genugsam bewegen, denn der den Geist hat, der uns verkündiget, was uns gegeben sey, und uns lehret. Geistliches gegen Geistliches achten, wie Paulus sagt 1 Cor 2,12. Denn es geht nicht zu Herzen den viehischen Menschen.

Darum ichs nicht habe mögen unterlassen, euch mit dieser Schrift zu besuchen im Geist, und meine Freude euch kund zu thun. Denn das kann ich ohne alle Lügen rühmen, daß michs nicht so sehr kränkt, noch betrübt, daß mich der Pabst mit aller Welt verdammt und verfolgt, so fast mich stärkt und erfreuet, wenn ich höre, daß ein Mensch die zarte Wahrheit fähet und preiset. Wie vielmehr aber tröstet mich das, daß ich erfahren habe und täglich erfahre, daß sie in euch und eures gleichen so herzlich erkennet und frei bekennet wird, welches mir auch Gott aus Gnaden zu Trost thut, auf daß mein Glaube desto stärker werde, und nicht eitel Betrübniß habe, wenn er mich sehen läßt, daß sein Wort nicht vergeblich ausgeht, wie er sagt durch Jesaiam am 55, 11. Wiederum, daß sich dawider setzt alle Welt, wie er auch sagt Matthäi am 24, 9.: Ihr müsset allen Menschen hälfig seyn, um meines Namens willen. Also daß die Art ist des göttlichen Worts, daß es von Wenigen aufs allerherzlichste empfangen, und von Vielen aufs allergräulichste verfolget wird. Wölfe und Bären und Löwen verfolgen es nicht, sondern Menschen, und alle Menschen, spricht Christus. Was ists denn nun‘ Wunder, ob die Welt voll Menschen, das ist, Verfolger Christi ist? Was ist die Welt, denn lauter Menschen? Das Wort aber macht aus Menschen Götter, wie der 82. Psalm V. 6. sagt: Ich habe gesagt, ihr send Götter, und allesammt Kinder des Allerhöchsten. Welches Christus selbst auslegt Joh. 10, 35. und spricht: Die Schrift nennet die Götter, zu welchen das Wort Gottes geschah. Und Joh. 1, 12.: Er hat ihnen Macht gegeben, Gottes Kinder zu werden, die da gläuben an seinen Namen. Also bleibts, was Mensch ist, das verfolgt Gottes Wort und Gottes Kinder.

Doch bringt das edle Wort natürlich mit ihm den heißen Hunger und unsättigen Durst, daß wir nicht Können satt werden, ob gleich viel tausend Menschen daran gläubten; sondern wollten gern, daß kein Mensch sein mangeln müßte. Solcher Durst ringet und ruhet nicht, und treibt uns zu reden, wie David spricht Ps. 116, 10.: Ich bin gläubig worden, darum rede ich. Und wir haben (sagt St. Paulus 2 Cor. 4, 13.) denselben Geist des Glaubens, darum reden wir auch, bis daß wir Jedermann in uns drücken und leiben, und einen Kuchen mit uns machen, wenn es möglich wäre. Aber der Durst thut nicht allein einen großen Fehlgriff mit seinem Reden, sondern wird auch mit Galle und Essig getränkt, wie Christus am Kreuz, Joh. 19, 28. Solchen Durst hatte St. Paulus Apg. 26, 29., da er wünschet, daß Jedermann wäre, wie er selbst war, ausgenommen seine Bande. Röm. 9,3. wünschet er von Christo verbannet zu seyn um seiner Brüder, der Juden willen. Sehet, solchen Durst nach brüderlicher Seligkeit habt ihr nun auch empfangen, zum gewissen Zeichen eines grundguten Glaubens. Was ist nun hinterstellig, denn daß ihr gewärtigen müsset der Gallen und des Essigs, das ist, der Verlästerung, Schmach und Verfolgung, um eurer durstigen Rede willen? Es thut es nicht anders, wo Christus ist, da muß seyn Judas, Pilatus, Herodes, Caiphas, Annas, dazu auch seyn Kreuz; oder ist nicht der rechte Christus.

Daher wir auch nicht unsers Trübsals, sondern der Verfolger Jammers halben uns bekümmern; sintemal wir genug haben für uns, und gewiß sind, daß sie uns keinen Abbruch thun mögen, sondern je mehr sie toben, je mehr sie sich verderben, und uns fördern müssen. Wie St. Paulus sagt Phil. 1, 25. Denn wer mag uns leid thun, so wir einen solchen Herrn haben, der den Tod und aller Widersacher Leben in seiner Hand hat? Röm. 14, 9. und uns so tröstlich in unser Herz spricht, Joh. 16, 33.: Send getrost, ich habe die Welt überwunden. Sie dräuen uns mit dem Tode. Wenn sie so klug wären, als sie thöricht sind, sollten sie uns mit dem Leben dräuen. Es ist ein spöttisches, schimpfliches Dräuen, daß man Christum und seine Christen mit dem Tode schreckt, so sie doch Herren und Siegmänner des Todes sind. Gleich als wenn ich wollte einen Mann damit erschrecken, daß ich ihm sein Roß aufzäumete, und ihn darauf reiten ließe. Aber sie gläuben nicht, daß Christus auferstanden von den Todten, und ein Herr des Lebens und des Todes sey; er ist bei ihnen noch im Grabe, ja noch in der Höllen. Wir aber wissen, trotzen, und sind freudig, daß er ist auferstanden, und der Tod nichts mehr sey, denn ein Ende der Sünde, und seiner selbst. Denn das Leben in diesem Fleisch klebt noch an und in den Sünden, und kann nicht ohne Sünde seyn, des Fleisches halben. Darum schreiet der angefangene Geist in uns: Komm, Tod und jüngster Tag, und mache beide, der Sünde und des Todes ein Ende, Amen, wie St. Paulus Röm. 7, 18,19. und c. 8, 22. 23. schreibt.

Solche Freude und Freudigkeit in Christo erkennen die elenden Feinde nicht, und zürnen mit uns, daß wir ihnen davon sagen, und sie ihnen anbieten, wollen uns um des Lebens willen tödten. Ach Gott! es ist die allmächtige Auferstehung Christi ja zu vielmal ein größerer Trotz, denn daß er sich sollte lassen scheuchen und feige machen durch ihre augenblickliche Gewalt der strohernen und papiernen Tyrannei. Der eine ist vornehmlich die Wasserblase N.1), trotzt dem Himmel mit ihrem hohen Bauch, und hat dem Evangelio entsagt; hats, auch im Sinn, er wolle Christum fressen, wie der Wolf eine Mücke; läßt sich auch dünken, er habe ihm schon nicht eine kleine Schramme in den linken Sporen gebissen, und tobet einher vor allen andern. Ich habe zwar mit ganzem Herzen für ihn gebeten, und mich seines gräulichen Anlaufs fast erbarmet; aber ich besorge, es drücke ihn sein Urtheil, vorlängst verdient. Ich bitte, ihr wollt ihn mit den euern auch im Gebet dem Herrn befehlen; wie wir denn schuldig sind, den Widersachern aus Herzen günstig zu seyn, ob sie es auch nicht leiden wollen, daß man ihnen wohl thue; ob er dermaleins aus des Drachen Mund möchte errettet werden, und für einen Saulus einen Paulus geben. Denn mit solcher elenden Leute Verderben uns nichts geholfen ist. Ich wollte euch wohl ermahnen, daß ihr dergleichen Schrift an ihn thätet; wollte aber auch nicht gern das Heiligthum für die Hunde und die Perlen für die Saue werfen lassen (Matth. 7, 6.). Denn da ist kein Hören noch Bedenken, daß ich nichts denn das Gebet weiß für ihn zu thun. Er verdirbt viel Seelen, und sammelt ihm einen Schatz auf den Tag des Zorns, der groß ist (Röm. 2, 5.). Doch ich stelle das heim euerm Geist. Wir wollen doch leben, ob sie uns tödten, oder alles Unglück anthun. Aber noch ein Härteres ist jetzt neulich an unsern Glauben gelaufen. Satanas, der sich allezeit unter die Kinder Gottes mengt (Hiob l, 6.), hat uns, vornehmlich mir, ein fein Spiel zu Wittenberg angerichtet, und den Widersachern einmal ihre Lust an uns gebüßet, und das Maul weit aufgesperret, das Evangelium zu schmähen. Alle meine Feinde, sammt allen Teufeln, wie nahe sie mir gekommen sind vielmal, haben sie mich doch nicht getroffen, wie ich jetzt getroffen bin von den Unsern; und muß bekennen, daß mich der Rauch übel in die Augen beißet, und kitzelt mich fast im Herzen. Hie will ich (dachte der Teufel) dem Luther das Herz nehmen, und den steifen Geist matt machen, den Griff wird er nicht verstehen, noch überwinden2).

Wohlan, ich denke, ob nicht solches auch geschehe zur Strafe etlicher meiner vornehmsten Gönner und mir. Meinen Gönnern darum; denn wiewohl sie glauben, Christus sey auferstanden, tappen sie doch noch mit Magdalena im Garten nach ihm, und er ist ihnen noch nicht aufgefahren zum Vater (Joh. 20,17.). Mir aber darum, daß ich zu Worms guten Freunden zu Dienst, auf daß ich nicht zu steifsinnig gesehen würde, meinen Geist dämpfete, und nicht härter und strenger meine Bekenntnisse für den Tyrannen that; wiewohl mich doch die ungläubigen Heiden seit der Zeit hochmüthig im antworten gescholten haben. Sie richten, wie Heiden (als sie sind) richten sollen, die keines Geistes noch Glaubens jemals empfunden haben. Mich hat meine dieselbige Demuth und Ehrerbietung vielmal gereuet.

Es sey aber an dem, wie es wolle, es sey gesündigt, oder wohl gethan, darum unverzagt und unerschrocken. Denn wie wir auf unsere Wohlthat nicht trotzen, also zagen wir auch nicht in unsern Sünden. Wir danken aber Gott, daß unser Glaube höher ist, denn Wohlthat und Sünde. Denn der Vater aller Barmherzigkeit hat uns gegeben, zu glauben nicht an einen hölzernen, sondern an einen lebendigen Christum, der ein Herr über Sünde und Unschuld ist, der uns auch aufrichten und erhalten kann, ob wir gleich in tausend und aber tausend Sünden alle Stunde fielen; da ist mir kein Zweifel an. Und wenn es der Satanas noch höher und noch ärger versuchte, so soll er uns doch nicht ehe müde machen, er greife denn ein solches an, damit er Christum von der rechten Hand Gottes hernieder reiße. Weil Christus droben bleibt sitzen, so wollen wir auch bleiben Herren und Junkern über Sünde, Tod, Teufel und alle Dinge, da soll nichts für seyn. Wir wissen, daß der stark und treu genug ist, der ihn auferweckt von den Todten (Apg. 5, 3l). 31.), und zu seiner Rechten gesetzt hat, zu seyn ein Herr über alle Dinge, ohne Zweifel auch über Sünde, Tod, Teufel, Hölle, schweig denn über die papistischen Schweinblasen, mit ihren dreien rauschenden Erbsen. Den Trotz sollen sie uns nicht nehmen; so lange aber der Trotz uns bleibt, wollen wir sie fröhlich verachten, und zusehen, ob sie uns diesen Christum so leichtlich, als sie meinen, verschlingen, und einen Andern an seine Statt setzen mögen, von dem der Vater nicht wisse. Darum hoffe ich, dieser Christus soll uns dies Spiel, und ob noch ein ärgeres entstände nach diesem, nicht allein wieder zurecht bringen, sondern auch zu förderlichem Nuß wenden, nach dem überschwänglichen Reichthum seiner Weisheit und Gütigkeit, sonderlich so ihr auch helft bitten und trauen. Es ist unser Ding noch nicht so fern gefallen, als es fiel zu Christus Zeiten, da ihn auch Petrus selbst verleugnet, und alle Jünger von ihm flohen, und Judas ihn verrieth und fing (Marc. 14,44.52.68. u. folg.). Und obs so fern fiel, dennoch soll es nicht verfallen, und unser Christus nicht verwesen. Ich weiß aber und bin es gewiß, daß solches, und was desgleichen geschehen mag, darum geschieht, daß ein allgemeiner Versuch und Probe aufgerichtet werde, daran die Starken bewährt, die Schwachen gestärkt, die Bewährten gepriesen, die Falschgläubigen offenbart, die Feinde aber, und die nicht werth sind, daß sie es für Gottes Wort erkennen und halten, geärgert und verstockt werden sollen; wie sie denn verdienet haben.

Denn ihr wißt, daß die Sünde zu Worms3), da die göttliche Wahrheit so kindisch verschmähet, so öffentlich, muthwillig, wissentlich, unverhört verdammt ward, freilich eine Sünde ganzer gemeiner deutscher Nation ist, darum daß die Häupter solches thaten, und ihnen Niemand einredete; damit über die Maßen bei Gott verschuldigt ist, daß er das theure Wort ganz aufhübe, oder ein solches Aergerniß entstehen ließe, daß es kein Mensch für Gottes Wort hielte, und also ihrem Verdienst nach auch lästern und verfolgen müßten, wie Teufelslehre, das sie zuvor aus lauter frevelhaftem Muthwillen haben verleugnet und verdammt. Ja, leider, mein theurer Hartmuth, solches Verdienst hat die deutsche Nation dem Pabste zu Dienst auf dem unseligen Reichstage auf sich geladen; und die jetzt also toben und verstockt sind, haben es dazumal also verschuldigt, da sie das Rädlein trieben, und die Würfel in der Hand hatten, und ließen sich dünken, sie schimpfen, und Christus sähe sie nicht. O schrecklicher und ernster Richter, wie heimlich und gar gräulich sind deine Gerichte! wie gewiß und sicher ist der Pharao allezeit, ehe ihn das rothe Meer versäuft, und stehet nicht, daß eben seine Sicherheit der rechte, ernste Zorn Gottes über ihn ist. O wie unleidlich ist Gott des Schimpfs an seinem theuren Wort, daß er auch sich seines liebsten Kindes Blut hat lassen kosten; und die Menschen sitzen und schmatzen und lächeln, wenn sie es verdammen und verfolgen.

Also sehen wir, daß auch den Juden gehet, welche, da sie Gottes Sohn verdammten muthwillig, sind sie in so tief verstockten Sinn gegeben, daß sie aufs allersicherste und keckste ihn lästern, und nicht aufhören können, und erfüllen die Schrift (Ps. 109, 7.): Er wollte nicht Benedeiung, darum soll sie fern genug von ihm kommen. Also ist unsern Papisten auch geschehen; sie wollten zu Worms Christum auch hassen und lästern; nun ists ihnen gegeben, daß sie nicht konnten aufhören, zu hassen und zu lästern, daß keine Bitte noch Vermahnung hilft, sondern nur ärger davon werden. Recht ist dein Gericht, himmlischer Vater. Das heißt, meine ich, den rechten St. Veitstanz haben. Gott ist mein Zeuge, daß ich in meinem Herzen eine Angst und Sorge habe, wo der jüngste Tag nicht das Spiel unternimmt, wird Gott sein Wort aufheben, und der deutschen Nation solche Blindheit senden, und sie also verstocken, da mir gräulich ist an zu denken. Herr, himmlischer Vater, laß uns in alle Sünde fallen, so wir je sündigen müssen; behüte uns aber für Verstockung, und behalte uns an dem und in dem, den du einen Herrn über Sünde und Unschuld gesetzt hast, daß! wir denselben auch nicht verleugnen, noch aus den Augen lassen: so würde uns freilich alle Sünde, aller Tod, alle Hölle nichts thun. Ach! was sollte uns etwas thun?

Doch sollen wir Gott danken aus ganzem Herzen, daß er sich noch merken lässet, als wollte er das heilige Wort noch nicht aufheben, damit daß er euch und andern viel mehr einen unärgerlichen Geist und Liebe dazu gegeben hat. Denn das ist ein Zeugniß, daß sie nicht um der Menschen willen, sondern um des Worts selbst willen glauben. Viele sind ihrer, die um meinetwillen glauben; aber jene sind allein die rechtschaffenen, die darinbleiben ob sie auch höreten, daß ich es selbst (da Gott für sey) verleugnete, und abträte. Das sind sie, die nichts darnach fragen, wie Böses, Gräuliches, Schändliches sie hören von mir oder von den Unsern. Denn sie glauben nicht an den Luther, sondern an Christum selbst. Das Wort hat sie, und sie haben das Wort; den Luther lassen sie fahren, er sey ein Bube oder heilig. Gott kann sowohl durch Balaam, als Jesaiam, durch Caipham, als durch Petern, ja durch einen Esel reden. Mit denen halte ichs auch. Denn ich kenne selbst auch nicht den Luther, will ihn auch nicht kennen; ich predige auch nichts von ihm, sondern von Christo. Der Teufel mag ihn holen, wenn er kann, er lasse aber Christum mit Frieden bleiben, so bleiben wir auch wohl.

Darum soll nun unsere Sorge seyn, daß wir Gott, dem Vater aller Barmherzigkeit und des Trostes, dankbar seyn, und hinfort uns stellen, daß unser Glaube nicht in den Worten, sondern in der Kraft sey. Denn St. Paulus spricht 1 Cor. 4, 20.: Das Reich Gottes stehet nicht in dem Wort, sondern in der Kraft. Es ist nicht genug, daß wir fein davon reden und schreiben können; sondern das Leben und die That muß der Wahrheit Zeugniß geben, daß wir unsere Liebe und Wohlthat gegen Freund und Feind darstrecken. So sollen wir nun bitten aufs erste, daß Gott uns und den Unsern gebe Stärke je mehr und mehr, und mache sein liebes Kind, Jesum, groß in unsern Herzen von Tag zu Tage, daß wir ihn mit allem Durst und aller Freudigkeit loben, preisen und bekennen mögen für den verstockten und verblendeten Hirten, dieser unschlachtigen und halsstarrigen Secte der Papisten; darnach helfen tragen solche Schuld gemeiner deutschen Nation, und bitten, daß Gott nicht ansehen wollte die Untugend des bösen Haufen, noch ihrer Bosheit die armen Seelen entgelten lassen, und das heilsame Wort, so lange Zeit verdrückt, nicht wiederum entziehe, und den Endchrist nicht wieder einsitzen lasse; sondern daß doch zum wenigsten, wie der König Ezechias bat, zu unsern Zeiten Friede und Wahrheit sey. Fürwahr, solche Bitte und Sorge ist noth. Denn ich fürchte, die deutsche Nation machts zu viel, daß es uns zuletzt gehen werde, gleichwie 2 Kön. am letzten geschrieben ist, daß sie die Propheten so lange tödteten, bis daß sie Gott übergab, und keine Hülfe mehr da war. Also fürchte ich leider, er werde der deutschen Nation zuletzt auch ihren Lohn geben. Sie hat zu Costnitz am ersten das Evangelium verdammt und unschuldig Blut umgebracht an Johannes Huß und Hieronymus; darnach zu Worms und zu Heidelberg am Dramsdorf und etlichen mehr; item, zu Mainz und Köln; der ganze Rheinstrom ist blutig, und will noch nicht sich reinigen lassen von dem Blutvergießen, sondern feiert die Christenmörder, die Ketzermeister, ohne Aufhören, bis daß Gott herein platzt, und auch keine Hülfe mehr da sey. Sie versucht Gott zu oft. Jetzt ists abermals zu Worms an mir verdammt; und ob sie mein Blut nicht vergossen haben, hats doch nicht gefehlt an ihrem vollen, ganzen Willen, und morden mich noch ohne Unterlaß in ihren Herzen. Du unselige Nation! mußt du denn vor allen andern des Endchrists Stockmeister und Henker seyn über Gottes Heiligen und Propheten?

Sehet, wie bin ich ausgelaufen und überflossen mit Worten. Das macht der Glaube Christi, der sich also erschwinget in Freuden über euerm Glauben und freudigem Bekenntniß. Johannes muß also springen im Mutterleibe, wenn Christus zu ihm kommt. Wie ihr denn sehet, daß er durch eure Schrift zu mir kommen ist. Wollte Gott, er käme auch also zu euch durch diese meine Schrift, und machte, daß nicht allein euer Johannes, sondern auch Elisabeth, und das ganze Haus fröhlich und voll Geistes würde, und blieb nicht allein drei Monat, sondern ewiglich. Das gebe Gott, der Vater aller Barmherzigkeit, Amen.

Von mir habe ich nichts sonderliches neuer Zeitung, denn daß ich jetzt gen Wittenberg mich gemacht habe, ob ich dem Teufel durch Christus Gnade könnte wieder etwas sehen lassen. Wie lange ich da bleiben werde, weiß ich nicht. Ich habe mir auch vorgenommen, die Biblia zu verdeutschen. Das ist nur noth gewesen; ich hätte sonst wohl sollen in dem Irrthum gestorben seyn, daß ich wäre gelehrt gewesen. Es sollten solches Werk thun, die sich lassen dünken gelehrt seyn. Ich habe Er Franzen von Sickingen4) das Büchlein von der Beichte zugeschrieben, welches, und was mehr seit der Zeit ausgegangen ist, hoffe ich, sey euch zugekommen; denn ich habe es euch nicht können zuschicken. Jetzt gehet aus der Postille ein Stück über die Evangelien und Episteln; wenn die fertig ist, hoffe ich, ein Christ solle darin finden, was ihm noth ist zu wissen. Grüßet alle unsere Freunde im Glauben, Herrn Franzen und Herrn Ulrichen von Hutten5), und wer ihrer mehr sind. Gottes Gunst sey mit euch, Amen.

Martinus Luther, Dr.

1) Er meint den Herzog Georg von Sachsen, einen heftigen Feind Luthers und des Evangeliums. Als der Herzog diesen Brief zu Gesicht bekam, beklagte er sich, daß er mit schmählichen Worten darin angetastet sey und fragte Luthern schriftlich, ob er der Verfasser des Briefes sey. Luther antwortet, er bekenne sich zu dem Briefe, wolle auch beweisen, was er geschrieben habe, und entbietet ihm sein Gebet.
2) Er meint die Bilderstürmer, welche, während Luther auf der Wartburg verborgen war, in Wittenberg große Verwirrung anrichteten, und unter dem Vorgeben, die Reformation schneller durchzuführen, die Bilder aus den Kirchen warfen, die Beichte abschafften, alle päbstlichen Ceremonien auf einmal abthaten, rc. ohne auf die Schwachen Rücksticht zu nehmen oder die Leute gründlich davon zu unterrichten. Carlstadt, erst von andern verführt, wurde der Anführer dieser Bilderstürmer. Luther, nach Wittenberg zurückgekehrt, dämpfte den Unfug durch die Gewalt des Wortes.
3) auf dem Reichstage im Jahr 1521, aus welchem Luther in die Reichsacht erklärt wurde.
4) war ein ansehnlicher Ritter am Rhein, er erbot sich, Luthern in Schutz zu nehmen, wenn er aus Sachsen sollte weichen müssen
5) er war ein gelehrter Ritter in Franken und auch einer von denen aus dem Adel, die sich der Sache Luthers mit Ernst annahmen.
Quelle:
Luthers Volksbibliothek Zu Nutz und Frommen des Lutherschen Christenvolks ausgewählte vollständige Schriften Dr. Martin Luthers, unverändert mit den nöthigen erläuternden Bemerkungen abgedruckt. Herausgegeben von dem Amerikanischen Lutherverein zur Herausgabe Luther’scher Schriften für das Volk Zweiter Band St. Louis, Mo. 1860

Luther, Martin – An Nicolaus Gerbelius (1522)

An Herrn Nicol. Gerbelius, Dr. der Rechte zu Straßburg.

Wittenberg den 18. März 1522

Heil Ich glaube, bester Gerbelius, daß der Brief, den ich aus der Einsamkeit schrieb, durch Philippus dir zugekommen ist: nun aber, obgleich du nichts geantwortet, wollte ich dennoch diesen euren Aristobul nicht ohne ein paar Zeilen zu euch zurückgehen lassen, der dich in Christo grüßen und in meinem Namen ansprechen und bitten solle, mich fleißig dem Herrn anzubefehlen. Der Satan tobt, und die Nachbarn brummen allenthalben und drohen, ich weiß nicht mit wie viel Toden und Höllen; und nun hat sogar meine Hürde in der That, die Sachen fast bis zum Verzweifeln verwirrt. Ich mußte mich daher selbst lebendig mitten in des Kaisers und des Papstes Wuth hineinwerfen, ob ich etwa den Wolf aus dem Schafstall vertreiben könnte. Ich bin somit nun von keinem Schutze umgeben, als mit dem himmlischen, sondern lebe mitten unter den Feinden, welche durch Menschen das Recht haben, mich alle Stunden zu tödten. Ich tröste mich so, daß ich weiß, Christus sei ein Herr über Alles, dem der Vater Alles unter seine Füße gethan hat, ohne Zweifel auch des Kaisers Zorn und alle Teufel, welche nicht von den Schafen sind, die der Vater dem Sohn unterworfen hat. Will er mich so tödten lassen, so geschehe es in seinem Namen; will er aber nicht, wer wird mich tödten? Sei nur du mit den Deinen dafür besorgt, daß du durch Beten das Evangelium förderst: denn ich sehe, daß Satan damit umgeht, daß nicht nur das Evangelium vertilgt werden, sondern auch ganz Deutschland mit seinem eigenen Blut überschwemme. Ach welch ungeheure Dinge führt er im Schilde, und wenn ich mich nicht täusche, stehen sie nur allzugewiß bevor, weil Niemand ist, der sich als Mauer stellete wider Gott für das Haus Israel, sodann weil wir das Evangelium des Reichs Gottes vor unserm hartnäckigen Undank nur in Worten, und nicht in der Kraft haben, und mehr durch das Wissen aufgeblasen, als durch die Liebe erbaut werden: darum wird uns, fürchte ich, gegeben werden, wie wir verdienen. Bete demnach, es beten auch die Eurigen, laßt uns alle beten: es ist eine ernste Sache, und Satan trachtet nach uns mit unglaublicher List und allen Kräften. Hier muß ich Geschäfte halber abbrechen. Lebe wohl mit deiner Frau und grüße alle die Unsrigen. Wittenberg, Mittwoch nach Reminiscere, a. 1522. Dein

M. Luther.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’S Verlag.) 1862

Hutten Ulrich von – Fehdebrief

Ebernburg, 1522 März 15

NAchdem sich Ulrich vom Hutten zum Stöckelberg aus beweglichen notgetranckten vrsachen: auch gemeiner Christenheit, vnd sonderlich Teütscher Nation meim Vatterland zu gut: des vnchristlichen: goltgeyrigen Rauberischen Volcks der Curtisanen: vor gutter zeyt abgesagter feyndt worden. Gegen denselbigen meynen feynden mit Vhedlicher that: man Raub, Brandt: Todschlag, vnd ander weiß zu handlen die heimlich, vnd offentlich zu beschädigen an jren leiben vnd güttern: zu veruolgen fürgenomen Vnd aber vngern wölt: dz durch dyß mein billich vnd vilfaltiglich Vorursacht Vornemen, Jemandt anders: wer der auch wer: geystlichs oder weltlichs stands: außerhalp der vorfluchten Curtisanen Sect Teütscher Nation schödlichens vnd grosten räubern: in einigem beschediget oder benachteilt solt werden, So hab ich meniglich, sich derselbigen Curtisanen zu entschlagen, von ynen ab zu sönndern: Ob yemants mit inn teyl oder gemeyn: das Jhenig ym zustendig: zu seynen hennden nemen: gutter trewer meynung hiemit vngewarnet nit wöllen lassen, Sich in dem allem der massen haben zu richten, vnnd zu halten: damit Geystlich vnnd Weltlich von der Erberkeyt: des Erlosen: Schanthafftigen Verdampten hauffens der Curtisanen, nit Entgelten: das mir dann: wo sollichs durch mich oder meyne helffer vnd vorwanten jmer beschehen sölt: trewlichen vnd von hertzen leydt wäre: will mich doch hiemit vorwart vnnd Entschuldigt haben, dan hynfür soll nyemandt vnnuerborgen seyn, das ich genante meyne feyndt mit Feür vnnd Eysin besuchen wurde, vnnd mich die: vnd Ire gütter zu beschädigen: sy seyn wo sy wöllen gesessen, oder gelegen: alles behelffs brauchen, wo nu yemant vber disse meyn trewe warnung sich genanter Curtisanen nit entschlagen, oder weytter mit Inn gemeyn haben würde, kan er ermessen, das ich deß keyn gefallen von ym tragen möchte: Sonnder wo er in dem also vorharrete, yn anders nit, den oben angetzeygte meine feyndt halten müste, das will ich hiemit gutter freüntlicher meynung: da mit des nyemannts vnwissens trag, zu erkennen geben:

Datum vnter meynem angebornen Insigel auff Freytag vor Judica. Im Jar nach Christi vnsers säligmachers geburt. Tausend Fünffhundert vnnd dem. xxij.

Vlrich von hutten scrips.

In dorso: Vhoedts brieff d. Vlrici Hutten\\
contra\\
die zuhandt lossen Curtisanen.

Zeitschrift für Kirchengeschichte
herausgegeben von
D. Theodor Brieger und Lic. Bernhard Bess.
XIV. Band
Gotha,
Friedrich Andreas Perthes
1894

Luther, Martin – An Churfürst Friedrich von Sachsen (15.3.1522)

Dem Durchlauchtigsten, Hochgebornen Fürsten und Herrn, Herrn Friedrich, Herzog zu Sachsen, des heiligen Römischen Reichs Churfürsten, Landgrafen in Thüringen, Markgrafen zu Meißen, meinem gnädigsten Herrn und Patron.

Gunst und Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesu Christo und mein unterthänigsten Dienst.

Durchlauchtigster, Hochgeborner Churfürst, Gnädigster Herr!

Ew. Churf. Gn. Schrift und gnädiges Bedenken ist mir zugekommen Freitag zu Abend, als ich auf morgen Sonnabend wollt ausreiten. Daß es Ew. Churf. Gn. aufs allerbeste meine, bedarf freilich bei mir weder Bekenntnis) noch Zeugniß, denn ich mich deß, so viel menschlich Erkundung giebt, gewiß achte. –

Von meiner Sach‘ aber, gnädigster Herr, antworte ich also: Ew. Churf. Gn. weiß, oder weiß sie es nicht, so lasse sie es sich hiermit kund sein: daß ich das Evangelium nicht von Menschen, sondern allein vom Himmel durch unsern Herrn Jesum Christum habe, so daß ich mich wohl hätte mögen, (wie ich denn hinfort thun will,) einen Knecht und Evangelisten rühmen und schreiben. Daß ich mich aber zum Verhör und Gericht erboten habe, ist geschehen, nicht weil ich an der Wahrheit zweifelte, sondern aus übriger Demuth die Andern zu locken. Nun ich aber sehe, daß meine allzugroße Demuth gelangen will zur Niedrigung des Evangelii und der Teufel den Platz ganz einnehmen will, wo ich ihm nur eine Hand breit räume, muß ich aus Noth meines Gewissens anders dazu thun. Ich hab‘ Ew. Churf. Gn. genug gethan, daß ich dieß Jahr gewichen bin Ew. Churf. Gn. zu Dienst. Denn der Teufel weiß sehr wohl, daß ich’s aus keinem Zag gethan hab. Er sah mein Herz wohl, da ich zu Worms ankam, daß, wenn ich gewußt hätte, daß soviel Teufel auf mich gehalten hätten, als Ziegel auf den Dächern sind, so wäre ich . dennoch mitten unter sie gesprungen mit Freuden.

Nun ist Herzog Georg noch weit ungleich einem einzigen Teufel. Und sintemal der Vater der unergründlichen Barmherzigkeit uns durch das Evangelium zu freudigen Herren gemacht hat über alle Teufel und Tod, und uns gegeben hat den Reichthum der Zuversicht, daß wir dürfen zu ihm fagen: „Herzlichster Vater“: so kann Ew. Churf. Gn. selbst ermessen, daß es solchem Vater die höchste Schmach ist, so wir nicht so wohl ihm vertrauen sollten, daß wir auch Herren über Herzog Georgs Zorn sind. Das weiß ich ja von mir wohl, wenn diese Sache zu Leipzig also stände wie zu Wittenberg, so wollte ich doch hinein reiten, weuns gleich – Ew. Churf. Gn. verzeihen mir mein narrisch Reden, – neun Tage eitel Herzog Georgen regnete, und ein jeder wäre neunfach wüthender, denn dieser ist. Er hält meinen Herrn Christum für einen Mann aus Stroh geflochten; das kann mein Herr und ich eine Zeit lang wohl leiden. Ich will aber Ew. Churf. Gn. nicht verbergen, daß ich für Herzog Georg nicht einmal, sondern gar oft gebeten und geweint habe, daß ihn Gott erleuchten wolle. Ich will auch noch einmal bitten und weinen, darnach nimmermehr. Und ich bitte Ew. Churf. Gn. woll auch helfen und bitten lassen, ob wir das Urtheil könnten von ihm wenden, das – ach Herr Gott! – auf ihn dringt ohne Unterlaß. Ich wollte Herzog Georgen schnell mit einem Worte erwürgen, wenn es damit wäre ausgericht.

Solches sei Ew. Churf. Gn. geschrieben der Meinung, daß Ew. Churf. Gn. wisse, ich komme gen Wittenberg in gar viel einem höhern Schutz denn des Churfürsten. Ich hab’s auch nicht im Sinn, von Ew. Churf. Gn. Schutz zu begehren. Ja, ich halt, ich wolle Ew. Churf. Gn. mehr schützen, denn sie mich schützen könnte. Dazu, wenn ich wüßte, daß mich Ew. Churf. Gn. könnte und wollte schützen, so wollt ich nicht kommen. Dieser Sachen soll noch kann kein Schwert rathen oder helfen, Gott muß hie allein schaffen, ohne alles menschliche Sorgen und Zuthun. Darum, wer am meisten glaubt, der wird hie am meisten schützen. Dieweil ich denn nun spüre, daß Ew. Churf. Gn. noch gar schwach ist im Glauben, kann ich in keinerlei Wege Ew. Churf. Gn. für den Mann ansehen, der mich schützen oder retten könnte.

Daß nun Ew. Churf. Gn. begehrt zu wissen, was sie thun soll in dieser Sache, zumal sie meint, sie habe viel zu wenig gethan: antworte ich unterthäniglich: Ew. Churf. Gn. hat schon allzuviel gethan und sollt gar nichts thun. Denn Gott will und kann nicht leiden Ew. Churf. Gn. oder mein Sorgen und Treiben. Er will’s ihm gelassen haben, sich und keinem andern. Da mag sich Ew. Churf. Gn. nach richten.

Glaubt Ew. Churf. Gn. dieß, so wird sie sicher sein und Friede haben; glaubt sie nicht, so glaube doch ich und muß Ew. Churf. Gn. Unglauben lassen seine Qual in Sorgen haben, wie sichs gebührt allen Ungläubigen zu, leiden. Die. weil ich denn Ew. Churf. Gn. nicht folgen will, so ist sie vor Gott entschuldigt, so ich gefangen oder getödtet würde. Vor den Menschen soll Ew. Churf. Gn. sich also halten: nämlich als ein Churfürst der Obrigkeit gehorsam sein, und Kaiserl. Maj. in ihren Städten und Ländern mit Leib und Gut lassen walten, wie sich s gebührt nach Reichsordnung, und ja nicht wehren noch sich widersetzen der Gewalt, so sie mich sahen oder tödten will. Denn die Gewalt soll Niemand brechen, denn allein der, welcher sie eingesetzt hat, sonst ist’s Empörung und wider Gott. Ich hoffe aber, sie werden der Vernunft brauchen und erkennen, daß Ew. Churf. Gn. in einer höhern Wiege geboren ist, denn daß sie selbst Stockmeister an mir werden sollten. Wenn Ew. Churf. Gn. das Thor offen läßt und das freie Churfürstliche Geleit hält, wenn sie selbst kämen mich zu holen oder ihre Gesandten: so hat Ew. Churf. Gn. dem Gehorsam genug gethan. Denn Christus hat mich nicht gelehrt, zum Schaden eines Andern ein Christ zu sein. Werden sie aber so unvernünftig sein und gebieten, daß Ew. Churf. Gn. selbst die Hand an mich lege, so will ich alsdann sagen, was zu thun ist; ich will Ew. Churf. Gn. vor Schaden und Gefahr an Leib, Gut und Seele sicher halten meiner Sache halben; es glaube es Ew. Churf. Gn. oder glaube es nicht.

Hiemit befehle ich Ew. Churf. Gn. in Gottes Gnaden, das Weitere wollen wir reden, so es Noth ist. Denn diese Schrift habe ich eilend abgefertigt, damit nicht Ew. Churf. Gn. Betrübniß ankomme vom Gerücht meiner Ankunft; denn ich soll und muß Jedermann tröstlich und nicht schädlich sein, will ich ein rechter Christ sein. Es ist ein anderer Mann, denn Herzog Georg, mit dem ich handle, der kennt mich fast wohl und ich kenne ihn nicht übel. Wenn Ew. Churf. Gn. glaubte, so würde sie Gottes Herrlichkeit sehen; weil sie aber noch nicht glaubt, hat sie auch noch nichts gesehen. Gott sei Lieb und Lob in Ewigkeit. Amen. Gegeben zu Borna bei dem Geleitsmann am Aschermittwoch 15. März Anno 1522.

Ew. Churf. Gn. unterthäniger Diener
Martin Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Johann Friedrich, Herzog von Sachsen. 14. März 1522

Durchl. Hr. Fürst, Gn. Herr, E.F.G. sind meine unterthänige Dienste jederzeit bevor. Gnäd. Herr, E.F.G. Schrift und Gnade habe ich mit aller unterthänigen Dankbarkeit gelesen und zu Herzen genommen, daß aber E.F.G. von mir Unterricht begehren des Sacraments halben beyder Gestalt und mit Händen zu empfahen, wie es etliche allhier angefangen, sage ich hiermit E.F.G. kürzlich meine unterthänige Meinung. Ich habe mein Schreiben von beyder Gestalt und mit Händen angreifen dahin gericht, daß die Gewissen auf das erste sollten der Freyheit unterrichtet werden, und die gefängniß der gefährlichen Gesetzen des Papsts verstöret würde; denn es ohne Zweifel uns frey gelassen ist von Gott, mit Händen, oder womit man will, anzugreifen, daß man es auf keinerley Weise soll mit Gesetz benöthigen oder verfassen. Weil aber der gemeine Mann solches noch nicht weiß, soll man der Liebe nach sich der Gemeine gleichen, dieweil keine Gefahr darinnen ist, dis daß sie auch erlernen solche Freyheit, auf daß sie sich nicht ärgert an unserer Freyheit, um ihres gefangenen schwachen Gewissens willen. Wir sind nicht davon Christen, daß wir das Sacrament angreifen, oder nicht; sondern darum, daß wir gläuben und lieben. Die Freyheit ist nur zu halten im Gewissen, und zu predigen öffentlich; aber doch daneben die schwachen Gewissen, die solches nicht begreifen, zu tragen und nicht zurütten, bis sie auch hinan kommen. Hierinnen haben meine Wittenberger einen großen Fehlgriff gethan. Recht haben sie gelehret, aber nicht recht haben sie die Lehre gebrauchet. Die Kunst ist reich bey ihnen, aber die Liebe bettelt bey ihnen. Solches ist auch zu halten mit Fleischessen und deßgleichen. Es heißt: Omnia mihi licent, sed non omnia expediunt. Man muß in solchen Sachen, die da frey und nicht noth sind, das Auge halten auf des Nächsten Krankheit, viel davon predigen, daß die Gewissen frey werden, aber nicht darein fallen, die Gewissen sind denn zuvor frey, daß sie folgen mögen. Also hat E.F.G. Macht, beyder Gestalt zu genießen, wäre auch wohl das feinste; aber wo nicht die, so dabey sind, solches auch wissen oder verstehen, soll man ihrem schwachen Gewissen weichen; angesehen, daß unsere Stärke nichts daran verleuret. Das ist St. Pauli zum Röm. 14, 1. Meinung, und 1. Cor. 8,19. Hiermit befehl ich E.F.G. Gottes Gnaden. Gegeben zu Wittenberg am Dienstag nach Reminis. 1522.

E.F.G.

unterthänigster

D. Martin Luther

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefe, Sendschreiben und Bedencken, vollständig aus den verschiedenen Ausgaben seiner Werke und Briefe, aus andern Büchern und noch unbenutzten Handschriften gesammelt, kritisch und historisch bearbeitet von Dr. Wilhelm Martin Leberecht de Wette, Professor der Theologie zu Basel. Zweyter Theil. Luthers Briefe von seinem Aufenthalt auf Wartburg bis zu seiner Verheurathung Berlin, bey G. Reimer 1825

Luther, Martin – An Spalatin. 7. März 1522

Der leidige Satan hat in meiner Abwesenheit allhie zu Wittemberg in meiner Hürden viel Böses versucht anzurichten, und dermaßen, daß schwer willseyn, ohn Aergerniß beyderseits, solchem Unrath zu begegnen. Derhalben sehet zu mit allem Fleiß, daß ihr ja nicht gestattet, etwas Neues zu nehmen und anzufahen in der Kirchen, auch mit ander LEute Rath und Bewilligung. Was die Unsern, vom Satan getrieben, allhie sich unterstander haben, mit Gewalt in der ersten Brunst hinaus zu führen, soll allein durchs Wort widerfochten, verlegt, umbgestossen und abgethan werden.

Ich verdamne als ein Greuel der Papisten Messe, daraus sie ein Opfer und gut Werk machen, dadurch der Mensch Gott versühnet wird. Ich aber will nicht Hand anlegen, noch Jemand, so ohn Glauben ist, bereden, vielweniger zwingen, daß er sie selbs mit Gewalt abthue. Allein treibe und verdamne ich solchen Mißbrauch der Messen durchs Wort. Wers gläubt, der gläube es, und folge ungenöthiget; wers aber nicht gläuben will, der lasse, und fahre imer hin: denn niemand soll zum Glauben, und was den Glauben belanget, gezwungen, sondern durchs Wort gezogen und gewonnen werden. Wer alsdenn ungezwungen gläubet, wird willig folgen.

Ich verwerfe auch die Bilde, die man ehret, aber durchs Wort; treibe die Leute nicht, daß sie sie verbrennen sollen, sondern daß sie ihr Zuversicht und Vertrauen nicht drauf setzen, wie bisher geschehen, und noch geschieht. Sie würden wohl von ihnen selbs fallen, wenn das Volk recht durchs Wort unterweiset, wüßte, daß sie für Gott nichts sind, noch gelten.

Also verdamne ich auch des Pabsts Gesetze von der Ohrenbeicht, vom Gebot, zum heiligen Sacrament zu bestimpter Zeit zu gehen, vom Gebet und Anrufen der Heiligen, ihnen zu feiren und fasten. Ich thue es aber mit und durchs Wort, daß ich die Gewissen frey mache, und von solchen Stricken erledige. Wenn das geschieht, stehets denn bey ihnen, daß sie derselben entweder brauchen umb der Schwachen willen, die noch dran hangen und drinnen verwirret sind, oder nicht brauchen, wo sie und andere stark sind: daß also die Liebe herrsche und Oberhand behalte in diesen und dergleichen äusserlichen Werken und Gesetzen.

Nu aber beleidigen mich am meisten unsere Leute, (sampt dem gemeinen Pöbel, den sie an sich ziehen), os das Wort, den Glauben und Liebe fahren lassen; allein daher sich Christen rühmen, daß sie (nicht ohn groß Aergerniß der Schwachen) Fleisch, Eyer, Milch ec. essen, das Sacrament selbs angreifen und brauchen, nicht fasten noch beten dürfen. Nach solcher Weise das Volk zu lehren, Lieber, enthaltet euch. Mit dem Wort sollen zwar diese Mißbräuch alle gestraft werden; die Herzen aber sollen sein mählich und säuberlich, wie die Heerde Jacob, getrieben werden, 1 Mos. 33, (14), daß sie willig und ungenöthigt das Wort zuvor einnehmen und fassen, und mit der Zeit im Glauben gestärkt, alles ungezwungen thun, was sie sollen.

Solchs euch zu erinnern, ist zwar ohn Noth; doch kann die Liebe, ihrer Art nach, diesen Dienst und Ampt dem Nähesten zur Vermahnung und Besserung nicht unterlassen. Gehabt euch wohl, und haltet fest am Beten, daß das liebe Evangelion rein gelehret und ausgebreitet werde, und immer zunehme. Freytags nach Esto Mihi, Anno MDXXII.

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefe, Sendschreiben und Bedencken, vollständig aus den verschiedenen Ausgaben seiner Werke und Briefe, aus andern Büchern und noch unbenutzten Handschriften gesammelt, kritisch und historisch bearbeitet von Dr. Wilhelm Martin Leberecht de Wette, Professor der Theologie zu Basel. Zweyter Theil. Luthers Briefe von seinem Aufenthalt auf Wartburg bis zu seiner Verheurathung Berlin, bey G. Reimer 1825

Luther, Martin – An den Kurfürsten Friedrich, vom 7. März 1522.

Der furchtsame Kurfürst hatte Luthern aufgefordert, an ihn ein Schreiben zu richten, darin er anzeige, aus was für Ursache er sich nach Wittenberg begeben habe und daß dieß ohne des Kurfürsten Willen und Zulassen geschehen sei. Dieses Schreiben wollte der Kurfürst an etliche seiner Herrn und Freunde gelangen lassen, damit Glimpf zu erhalten. Diesem Verlangen des Kurfürsten leistet Luther in diesem Briefe Folge.

Gunst und Friede von Gott unserem Vater und unserm Herrn Jesu Christo, Amen; und meine unterthänige Dienste.

Durchlauchtigster, Hochgeborner Fürst und Gnädigster Herr! Ich habe fast wohl bedacht, das es möchte E. K. F. G. billig beschwerlich sein, so ich ohn E. K. F. G. Willen und Zulassen mich wiederum gen Wittenberg wenden würde; sintemal es ein scheinlich Ansehen hat, E. K. F. G. und allem Land und Leuten ein große Fahr entstehen möchte; zuvor aber mir selbst, als dem, der durch päbstliche und kaiserliche Gewalt verbannet und verdammt, alle Stunde des Todes gewarten müßte.

Wie soll ich ihm aber thun? Ursach dringt und Gott zwingt und ruft; es muß und will also sein: so sei es also in dem Namen Jesu Christi, des Herrn über Leben und Tod.

Doch, daß E. K. F. G. nicht verhalten seien meine Ursachen, will ich etliche, so ich jetzt fühle, E. K. F. G. zu erkennen geben. Und aufs erste thue ich ja solches nicht aus Verachtung Kaiserlicher Majestät Gewalt, oder E. K. F. G. oder irgend einiger Oberkeit. Denn wiewohl nicht allzeit der menschlichen Oberkeit zu gehorchen ist, nämlich wenn sie etwas wider Gotts Wort vornimmt; so ist sie doch nimmer zu verachten, sondern zu ehren. Christus rechtfertiget Pilatus Urtheil nicht; aber er stieß ihn noch den Kaiser drum nicht vom Stuhl, veracht ihn auch nicht.

Die erste Ursache ist, daß ich schriftlich berufen bin von der gemeinen Kirche zu Wittenberg mit großem Flehen und Bitten. Dieweil nun Niemand läugnen kann, daß durch mich das Wesen angefangen ist, und ich muß mich bekennen einen unterthänigen Diener solcher Kirchen, zu der mich Gott gesandt hat: ist mirs in keinem Weg abzuschlagen gewesen, ich wollt denn christlicher Liebe Treu und Werk versagt haben. Ob nun viel sind, die dieß Wesen für teuflisch Ding ansehen, und örtern1) und verdammen, die ohne Zweifel diese Ursache für nichts achten, sondern vielmehr billig halten, man soll Wittenberg, und was da angefangen ist, versinken lassen; so bin ich doch damit nicht entschuldiget; denn Gott wird mich nicht richten nach anderer, ihr seien viel oder wenig, Glauben oder Unglauben, sondern nach meinem Gewissen. Denn ich weiß, daß mein Wort und Anfang nicht aus mir, sondern aus Gott ist, daß mir kein Tod noch Verfolgung anders lehren wird; mich dünkt auch, man werde es müssen lassen bleiben.

Die ander ist, daß zu Wittenberg, durch mein Abwesen, mir der Satan in meine Hürden gefallen ist, und, wie jetzt alle Welt schreiet, und auch wahr ist, etliche Stück zugericht hat, die ich mit keiner Schrift stillen kann, sondern muß mit selbwärtiger Person und lebendigem Mund und Ohren da handeln; ist mir kein länger Sparen noch Verziehen träglich in meinem Gewissen gewesen. Derhalben mir nicht allein E. K. F. G. Gnade und Ungnade, sondern auch aller Welt Zorn und Unzorn hintan zu setzen gewesen ist. Sie ist je meine Hürden, mir von Gott befohlen, es sind meine Kinder in Christo; da ist keine Disputation mehr gewesen, ob ich kommen oder nicht kommen soll. Ich bin schuldig, den Tod für sie zu leiden; das will ich auch gern und fröhlich thun, mit Gottes Gnaden, wie denn Christus fordert, Joh. 10, (12). Hätte ich aber der Sachen mit Briefen, wie bisher, helfen mögen, daß nicht noch gewesen wäre mir zu rufen: warum sollt ich nicht gerne auch ewiglich von Wittenberg zu bleiben bewilligen? sintemal ich auch sterben soll, um meines Nächsten willen.

Die dritte ist, daß ich mir übel fürchte, und sorge, ich sei sein, leider, allzu gewiß, vor einer großen Empörung in deutschen Landen, damit Gott deutsche Nation strafen wird. Denn wir sehen, daß dies Evangelium fällt in den gemeinen Mann trefflich, und sie nehmens fleischlich auf; sehen, daß es wahr ist, und wollens doch nicht recht brauchen. Dazu helfen nun die, so da sollten solch Empörung stillen, fahen an mit Gewalt das Licht zu dämpfen, sehen aber nicht, daß sie dadurch die Herzen nur erbittern, und zu Aufruhr zwingen, und sich eben stellen, als wollten sie selbst, oder je ihre Kinder vertilget werden; welches ohne Zweifel Gott also schickt zur Plage. Denn die geistliche Tyrannei ist geschwächt, dahin allein ich trachtet mit meinem Schreiben: nun sehe ich, Gott will es weiter treiben, wie er Jerusalem und seinen beiden Regimenten that. Ich habs neulich erlernet, daß nicht allein geistlich, sondern auch weltlich Gewalt muß dem Evangelio weichen, es geschehe mit Lieb oder Leid; wie es in allen Historien der Biblien klärlich sich weiset. Nun hat Gott gefordert durch Ezechiel, man soll sich gegen ihn setzen, als eine Mauer für das Volk; darum ich auch gedacht mit meinen Freunden noch sein davon zu handeln, ob wir Gottes Urtheil möchten wenden oder aufziehen.

Ob nun wohl diese Sache mir selbst vergeblich, dazu meinen Feinden lächerlich sein würde, wenn sie es höreten; muß ich dennoch thun, was ich sehe, und weiß zu thun. Denn das soll E. K. F. G. wissen, und gewiß drauf sich verlassen, es ist viel anders im Himmel, denn zu Nürnberg2) beschlossen: und werden leider sehen, daß die, so jetzt meinen, sie habens Evangelium gefressen, wie sie noch nicht haben das Benedicte gesprochen3).

Es sind wohl mehr Ursachen, die mich noch nicht recht dringen, darum ich auch nicht auf sie dringe, oder tief nachdenke. Es ist allzuviel an der, daß das Evangelium Noth leidet: darum kein Mensch mir anzusehen gewesen ist.

Hiemit bitte ich E. K. F. G. wollten mir gnädiglich zu gut halten meine Zukunft in E. K. F. G. Stadt, ohn E. K. F. G. Wissen und Willen. Denn E. K. F. G. ist nur der Güter und Leibe ein Herr; Christus aber ist auch der Seelen ein Herr, zu welchen er mich gesandt, und dazu erweckt hat; die muß ich nicht lassen. Ich hoffe, mein Herr Christus sei unser Feinde mächtig, und werde mich für ihnen wohl schützen können, so er will. Will er aber nicht, so geschehe sein lieber Wille: es soll doch an mir E. K. F. G. kein Fahr noch Leid geschehen, das weiß ich fürwahr.

Gott laß ihm E. K. F. G. barmherziglich befohlen sein. Geben zu Wittenberg, am Freitag ante Invocavit, 1522.

E. Kurfürstl. Gnaden
unterthäniger Diener Martinus Luther.

Nachschrift. Wo E. K. F. G. diese Form nicht gefället, bitte ich unterthäniglich, E. K. F. G. wollt selbst eine gefällige stellen lassen, und mir zuschicken; denn ich auch nichts scheuen habe, ob der nächste Brief an E. K. F. G. auskäme. Ich will nichts handeln hinfort, das ich nicht am Tage möcht leiden und ansehen lassen. Wiewohl ich die Empörung, die ich bisher verachtet und über die Priesterschaft allein gedacht, nicht gefurcht habe; nun aber sorge ich, sie möchte an der Herrschaft anfahen, und die Priesterschaft, wie eine Landplage, mit einwickeln. Doch das wird und soll nicht eher geschehen, denn nach des Evangelii Verfolgung und Vertilgung, wie es zuvor allzeit geschehen.

1) d. i. untersuchen, richten, verurtheilen.
2) auf dem im J. 1522 daselbst gehaltenen Reichstage.
3) d. h. wird den Feinden die Ausrottung des Evangeliums nicht gelingen.

Quelle:
Luthers Volksbibliothek Zu Nutz und Frommen des Lutherschen Christenvolks ausgewählte vollständige Schriften Dr. Martin Luthers, unverändert mit den nöthigen erläuternden Bemerkungen abgedruckt. Herausgegeben von dem Amerikanischen Lutherverein zur Herausgabe Luther’scher Schriften für das Volk Siebenter Band St. Louis, Mo. Druck von Aug. Wiebusch u. Sohn. 1862

Luther, Martin – An den Kurfürsten Friedrich, vom 5. März 1522.

Dem Durchlauchtigsten, Hochgebornen Fürsten und Herrn, Herrn Friedrich, Herzogen zu Sachsen, des heiligen römischen Reichs Kurfürsten, Landgrafen in Thüringen, Markgrafen zu Meissen, meinem gnädigsten Herrn und Patron.

Gunst und Friede von Gott unserm Vater, und unserm Herrn Jesu Christo, und mein unterthänigste Dienst.

Durchlauchtigster, Hochgeborner Kurfürst, Gnädigster Herr! E. K. F. G. Schrift und gnädiges Bedenken ist mir zukommen auf Freitag zu Abend, als ich auf morgen, Sonnabend, wollt ausreiten. Und daß es E. K. F. G. aufs Allerbeste meine, darf freilich bei mir weder Bekenntniß noch Zeugniß; denn ich mich deß, so viel menschlich Erkundung gibt, gewiß achte. Wiederum aber, daß ichs auch gut meine, dünkt mich, ich wisse es aus höher denn aus menschlicher Erkundigung; damit aber ist nichts gethan.

Ich hab mich aber lassen ansehen E. K. F. G. Schrift, als hätte meine Schrift E. K. F. G. ein wenig bewegt, damit daß ich schriebe, E. K. F. G. sollt weise sein1). Doch wider solchen Wahn hat mich meine große Zuversicht bescheiden, daß E. K. F. G. mein Herz wohl besser erkennet, denn daß ich mich mit solcher Art Worten E. K. F. G. hochberühmte Vernunft stockern sollte. Denn ich hoffe, es sei mein Herz je an dem, daß ich aus Grund, ohn alles Heucheln, ein Lust und Gefallen allzeit an E. K. F. G. für allen Fürsten und Oberkeiten gehabt. Was ich aber geschrieben habe, ist aus Sorgen geschehen, daß ich E. K. F. G. wollt trösten: nicht meiner Sach halben, davon ich dazumal kein Gedanken hatte, sondern des ungeschickten Handelns halben, nämlich zu Wittenberg, zu großer Schmach des Evangelii, durch die Unsern entstanden2). Da war mir Angst, E. K. F. G. würden deß ein groß Beschwerung tragen. Denn mich auch selbst der Jammer also hat zutrieben, daß, wo ich nicht gewiß wäre, daß lauter Evangelium bei uns ist, hätte ich verzaget an der Sache. Alles, was bisher mir zu Leide gethan ist in diesen Sachen, ist Schimpf und nichts gewesen. Ich wollts auch, wenn es hätte können sein, mit meinem Leben gern erkaust haben. Denn es ist also gehandelt, daß wirs weder für Gott, noch für der Welt verantworten können; und liegt doch mir auf dem Halse, und zuvor dem heiligen Evangelio. Das thut mir von Herzen wehe. Darum, gnädigster Herr, meine Schrift sich nicht weiter streckt, denn auf derjenigen, und nicht auf meinen Handel, daß E. K. F. G. sollten nicht ansehen das gegenwärtige Bild des Teufels in diesem Spiel. Und solche Ermahnung, ob sie E. K. F. G. nicht noth wäre, ist sie doch mir nöthlich zu thun gewesen.

Von meiner Sache aber, gnädigster Herr, antworte ich also: E. K. F. G. weiß, oder weiß sie es nicht, so laß sie es ihr hiermit kund sein, daß ich das Evangelium nickt von Menschen, sondern allein vom Himmel, durch unsern Herrn Jesum Christum habe, daß ich mich wohl hätte mögen (wie ich denn hinfort thun will) einen Knecht und Evangelisten rühmen und schreiben. Daß ich mich aber zur Verhöre und Gericht erboten habe, ist geschehen, nicht daß ich dran zweifelt, sondern aus übriger Demuth, die andern zu locken. Nun ich aber sehe, daß meine zuviel Demuth gelangen will zur Niedrigung des Evangelii, und der Teufel den Platz ganz einnehmen will, wo ich ihm nur ein Hand breit räume, muß ich aus Noth meines Gewissens anders dazu thun. Ich hab E. K. F. G. gnug gethan, daß ich dies Jahr gewichen bin, E. K. F. G. zu Dienst. Denn der Teufel weiß fast wohl, daß ichs aus keinem Zag gethan habe. Er sahe mein Herz wohl, da ich zu Worms einkam, daß, wenn ich hätte gewußt, daß so viel Teufel auf mich gehalten hätten, als Ziegel auf den Dächern sind, wäre ich dennoch mitten unter sie gesprungen mit Freuden.

Nun ist Herzog Georg noch weit ungleich einem einigen Teufel. Und sintemal der Vater der abgründlichen Barmherzigkeit uns durchs Evangelium hat gemacht freudige Herrn über alle Teufel und Tod, und uns geben den Reichthum der Zuversicht, daß wir dürfen zu ihm sagen, herzliebster Vater: kann E. K. F. G. selbst ermessen, daß es solchem Vater die höheste Schmach ist, so wir nicht sowohl ihm vertrauen sollten, daß wir auch Herren über Herzog Georgen Zorn sind. Das weiß ich je von mir wohl, wenn diese Sache zu Leipzig3) also stünde, wie zu Wittenberg, so wollte ich doch hinein reiten, wenns gleich (E. K. F. G. verzeihe mir mein närrisch Reden,) neun Tage eitel Herzog Georgen regnete, und ein jeglicher wäre neunfach wüthender, denn dieser ist. Er hält meinen Herrn Christum für einen Mann aus Stroh geflochten; das kann mein Herr, und ich, eine Zeit lang wohl leiden. Ich will aber E. K. F. G. nicht verbergen, daß ich für Herzog Georgen habe nicht einmal4) gebeten und geweinet, daß ihn Gott wolle erleuchten. Ich will auch noch einmal bitten und weinen, darnach nimmermehr. Und bitte, E. K. F. G. wollt auch helfen bitten und bitten lassen, ob wir das Urtheil könnten von ihm wenden, das (ach Herr Gott!) auf ihn dringt ohn Unterlaß. Ich wollt Herzog Georgen schnell mit einem Wort erwürgen, wenn es damit wäre ausgericht.

Solches sei E. K. F. G. geschrieben, der Meinung, daß E. K. F. G. wisse, ich komme gen Wittenberg in gar viel einem höhern Schutz, denn des Kurfürsten. Ich habs auch nicht im Sinn, von E. K. F. G. Schutz begehren. Ja, ich halt, ich wolle E. K. F. G. mehr schützen, denn sie mich schützen könnte. Dazu wenn ich wüßte, daß mich E. K. F. G. könnte und wollte schützen, so wollte ich nicht kommen. Dieser Sachen soll, noch kann kein Schwert rathen oder helfen; Gott muß hie allein schaffen, ohn alles menschlich Sorgen und Zuthun. Darum wer am meisten gläubt, der wird hie am meisten schützen. Dieweil ich denn nun spüre, daß E. K. F. G. noch gar schwach ist im Glauben, kann ich keinerleiwege E. K. F. G. für den Mann ansehen, der mich schützen oder retten könnte.

Daß nun auch E. K. F. G. begehrt zu wissen, was sie thun solle in dieser Sachen, sintemal sie es achte, sie habe viel zu wenig gethan; antworte ich unterthäniglich: E. K. F. G. hat schon allzuviel gethan, und sollt gar nichts thun. Denn Gott will und kann nicht leiden E. K. F. G. oder mein Sorgen und Treiben. Er wills ihm gelassen haben, deß und kein anderes; da mag sich E. K. F. G. nach richten. Gläubt E. K. F. G. dieß, so wird sie sicher sein, und Friede haben: gläubt sie nicht, so gläube doch ich, und muß E. K. F. G. Unglauben lassen seine Qual in Sorgen haben, wie sichs gebührt allen Ungläubigen zu leiden. Dieweil denn ich nicht will E. K. F. G. folgen, so ist E. K. F. G. für Gott entschuldiget, so ich gefangen oder getödtet würde. Für den Menschen soll E. K. F. G. also sich halten: nämlich der Oberteil, als ein Kurfürst, gehorsam sein, und Kaiserl. Maj. lassen walten in E. K. F. G. Städten und Ländern, an Leib und Gut, wie sichs gebührt, nach Reichs-Ordnung, und ja nicht wehren noch widersetzen, noch Widersatz oder irgend ein Hinderniß begehren, der Gewalt, so sie mich fahen oder tödten will. Denn die Gewalt soll niemand brechen noch widerstehen, denn alleine der, der sie eingesetzt hat; sonst ists Empörung und wider Gott. Ich hoffe aber, sie werden der Vernunft brauchen, daß sie E. K. F. G. erkennen werden, als in einer höhern Wiegen geboren, denn daß sie selbst sollt Stockmeister über mir werden. Wenn E. K. F. G. die Thore offen läßt, und das frei Kurfürstliche Geleit hält, wenn sie selbst kämen, mich zu holen, oder ihre Gesandten; so hat E. K. F. G. dem Gehorsam genug gethan. Sie können je nicht Höheres von E. K. F. G. fordern, denn daß sie den Luther wollen bei E. K. F. G. wissen. Und das soll geschehen ohne E. K. F. G. Sorgen, Thun und einiger Fahr. Denn Christus hat mich nicht gelehrt, mit eines andern Schaden ein Christ sein. Werden sie aber je so unvernünftig sein und gebieten, daß E. K. F. G. selbst die Hand an mich lege, will ich E. K. F. G. alsdenn sagen, was zu thun ist: Ich will E. K. F. G. Schaden und Fahr sicher halten an Leib, Gut und Seele, meiner Sachen halben, es gläube es E. K. F. G. oder gläubs nicht.

Hiemit befehl ich E. K. F. G. in Gottes Gnaden. Weiter wollen wir aufs schierst reden, so es noth ist. Denn diese Schrift hab ich eilend abgefertigt, daß nicht E. K. F. G. Betrübniß anführe von dem Gehöre meiner Zukunft; denn ich soll und muß Jedermann tröstlich und nicht schädlich sein, will ich ein rechter Christ sein. Es ist ein ander Mann, denn Herzog Georg, mit dem ich handel, der kennet mich fast wohl und ich kenne ihn nicht übel. Wenn E. K. F. G. gläubte, so würde sie Gottes Herrlichkeit sehen; weil sie aber noch nicht gläubt, hat sie auch noch nichts gesehen. Gott sei Lieb und Lob in Ewigkeit, Amen. Geben zu Borne bei dem Gleitsmann, am Aschermittwoch, Anno 1522. E. K. F. G. unterthäniger Diener

Martinus Luther.

1) Luther bezieht sich auf einen frühern Brief, den er an den Kurfürsten geschrieben hatte.
2) er meint den Unfug der Bilderstürmer, an dem auch Carlstadt Theil genommen hatte.
3) Leipzig gehörte damals dem Herzog Georg, einem heftigen Feind Luthers
4) d. h. nicht bloß einmal, sondern oft.

Quelle:
Luthers Volksbibliothek Zu Nutz und Frommen des Lutherschen Christenvolks ausgewählte vollständige Schriften Dr. Martin Luthers, unverändert mit den nöthigen erläuternden Bemerkungen abgedruckt. Herausgegeben von dem Amerikanischen Lutherverein zur Herausgabe Luther’scher Schriften für das Volk Siebenter Band St. Louis, Mo. Druck von Aug. Wiebusch u. Sohn. 1862