Luther, Martin – An die Churfürsten, Fürsten und Stände des heiligen Römischen Reichs (28.4.1521)

– Gott, der alle Herzen erforscht, ist mein Zeuge, daß ich Kais. Maj. Gehorsam zu leisten in allen Dingen, es treffe Leben oder Sterben, Thun oder Lassen, Ehr oder Schand, Gut oder Schaden, ganz willig und geflissen bin. Habe mich deß auch zu vielmalen erboten und erbiete mich nochmals nichts vorbehalten, denn allein das heilige Gottes Wort, darin nicht allein des Menschen ewiges Leben, sondern auch der Engel Freud und Wonne steht; welches über alle Dinge frei und unverbunden sein soll und muß, wie St. Paulus lehrt, und in keines Menschen Gewalt steht, sich selbst oder andere Menschen ihm vorzusetzen, wie groß, gelehrt und heilig sie immer sein mögen. In zeitlichen Sachen, die Gottes Wort und ewige Güter nicht betreffen, sind wir schuldig unter einander zu vertrauen, angesehen, daß dieser Dinge Begeben, Gefahr und Verlust, die wir doch zuletzt müssen fahren lassen, zu der Seligkeit unschädlich ist. Aber in Gottes Wort und ewigen Dingen kann Gott nicht leiden, daß man sich frei begebe und erwäge auf ein oder viel Menschen, sondern allein auf ihn selbst, der allein die Ehre und Namen hat und haben soll, daß er wahrhaftig und die Wahrheit selber ist.

Mein unterthäniges Vertrauen und starke Zuversicht zu Kais. Maj. und fürstl. Gnaden und Gunsten mag man aus dem leichtlich ermessen, daß ich auf Kais. Maj. Erfordern und Geleit unterthäniglich erschienen bin, wiewohl zuvor meine Bücher von meinen Widersachern verbrannt und darüber ein Mandat wider mich und meine Schrift und Bücher in Kais. Maj. Namen an vielen Orten angeschlagen worden ist, welches billig einen armen Mönch sollte zurück gejagt haben, wo nicht mein Herz zu Gott, Kais. Maj. und Churfürstl. und Fürstl. Gnaden und dem ganzen Reich sich aller Gnaden und Gutes unterthäniglich versehen hätte und noch versieht.

Dieweil ich dann in keinen Weg hab‘ mögen erlangen, meine Schriften durch das göttliche Wort zu widerlegen und also hab‘ ich müssen abscheiden – dennoch thue ich Kais. Maj. unterthänigste Danksagung ihrer Erzeigung und freien, sichern, graden, stracken Geleits, so sie mir in Worms gehalten und bis wiederum in mein Gewahrsam zu halten, gnädiglich entboten haben.

Ich bin nochmals in Unterthänigkeit erbötig, vor unverdächtigen, unpartheiischen, gelehrten, geistlichen und weltlichen Richtern vorzukommen, mich unterweisen zu lassen, meine Lehre und Bücher Jedermann williglich zu untergeben und Erkenntniß zu leiden und anzunehmen; nichts ausgeschlossen, denn allein das heilige, freie, lautere und klare Wort Gottes, das billig soll obschweben und aller Menschen Richter bleiben.

Darum ich nicht meinethalben, an dem nichts gelegen ist, sondern von wegen des Heils gemeiner Christenheit unterthäniglich bitte. Denn ich von ganzem Herzen gerne wollte, daß Kais. Maj. dem heiligen Reich und gemeiner deutscher Nation geholfen und sie in Gottes Gnaden seliglich erhalten würden. Denn ich ja niemals meinen eigen Nutz und Ehre, sondern allein die Ehre göttlichen Namens und der Christenheit Besserung und Seligkeit gesucht habe und nochmals, ob Gott will, bis an mein Ende suchen will; ob ich gleich durch meine Widersacher verdammt bin. Denn weil Christus mein Herr und Gott für seine Feinde am Kreuz gebeten hat, wie viel mehr ich für Kais. Maj. und das ganze heilige Reich, meine allerliebsten Herrn, Obrigkeiten und deutsche Nation, zu denen ich mich aller Gnaden unterthäniglich und tröstlich versehe. Befehl mich hiermit in Ew. F. Gn. und Gunst in allem Gehorsam, welche der allmächtige Gott uns Allen zu Heil und Trost ihm laß gnädiglich befohlen sein.

Gegeben zu Friedberg am Sonntag Cantate, (28. April) , im 1521. Jahre.

Ew. Churf. Gnaden und Gunst
unterthäniger Caplan.
D. Martinus Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867