Luther, Martin – An Georg Spalatin (21.12.1520)

– Ihr fragt: was ich thun wolle, wenn mich Kaiser Carl vor sich forderte: so sage ich, daß wenn ich gerufen werde, so will ich mich, soviel an mir ist, gerne auch krank hinführen lassen, wenn ich gesund nicht kommen könnte; denn da wäre es kein Zweifel, daß mich Gott ruft, wenn mich der Kaiser ruft. Wenn sie es aber mit Gewalt angreifen, wie es wahrscheinlich ist, – denn sie werden mich nicht berufen lassen, daß sie belehret werden – so ist die Sache Gott zu befehlen, denn der lebt und regiert noch, der die drei Knaben in des babylonischen Königs Ofen erhalten hat. Will er aber nicht erhalten, so ist’s ein Geringes um meinen Kopf, wenn es gegen Christum gehalten wird, der mit großer Schmach und Aller Aergerniß und Vieler Verderben getödtet worden. Denn hier muß man weder nach Gefahr noch Wohlfahrt fragen und vielmehr sorgen, daß nicht das Evangelium, das wir einmal angefangen haben, den Gottlosen zum Spott gelassen werde oder den Widersachern Anlaß geben zu rühmen wider uns, daß wir nicht das Herz hätten zu bekennen, was wir gelehrt haben, noch dafür das Blut vergießen wollten. Der barmherzige Jesus wolle solche Feigheit bei uns und solche Ruhmredigkeit bei jenen verhüten. Amen.

Darum ob es gleich geschehen muß, daß die Könige der Erden und die Fürsten zusammen kommen und mit den Heiden und Völkern toben wider den Herrn und seinen Christ, so lehrt doch der Geist in eben dem Psalm, daß die selig werden, die auf den Herrn trauen. Und nicht allein das, sondern Gott wird sie auch verlachen und ihrer spotten. Wir können nicht wissen, ob aus unserm Leben oder aus unserm Tod dem Evangelium und der gemeinen Sache mehr oder weniger Gefahr entstehen werde. Ihr wißt, daß die Wahrheit Gottes ein Fels des Aergernisses sei, gesetzt zum Fall und Auferstehung Vieler in Israel.

Wir aber haben nur dafür zu sorgen, Gott zu bitten, daß Caroli Kaiserthum nicht mit meinem oder irgend Eines Blut eingeweiht werde zum Schutz der Gottlosigkeit, und wollte ich lieber, wie ich oft gesagt, bloß in der Römischen Händen umkommen, daß er und die Seinen nicht in diese Sache verwickelt würden. Ich weiß was Jammer auf Hufens Ermordung über Kaiser Sigismunden gekommen ist, daß er hernach nirgend kein Glück gehabt, ohne Kinder gestorben und sein Name in einem Geschlecht vergangen, seine Gemahlin Barbara aber eine Schande unter den Königinnen geworden ist. Wenn es aber doch so sein muß, daß ich nicht allein den Hohenpriestern, sondern auch den Heiden übergeben werde, so geschehe des Herrn Wille. Amen.

Hier habt ihr meinen Rath und Meinung. Ihr könnt Alles eher von mir denken als Flucht und Widerruf. Fliehen will ich nicht. Widerrufen noch viel weniger. So wahr mir mein Herr Jesus Kraft giebt! Denn ich könnte keines ohne Gefahr der Gottseligkeit und Vieler Seelenheil thun. – Gehabt euch wohl und seid stark in dem Herrn.

Wittenberg, an St. Thomä des Märtyrers Tage, – wie viele glauben, – 21. December im Jahre 1520.

Martinus Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867