Churfürst Johann an Luther

Vnsern grus zuuor, erwirdiger hochgelarter lieber andechtiger. Eur schreiben, so Ir itzt vor Ern Michel Stifel, dass wir denselben jegen der Lochaw zum pfarner vorordnen wolten, gethan, haben wir seines inhalts horen lesen vnd wollen Euch nit pergen, daß wir vor dieser Eur schrift von den dorfschaften inen den alden schosser Thomas Windisch zum pfarner zubestetigen auch ersucht vnd gebeten worden. Darauf wir vnserm amptmann daselbst geschrieben, inen zu Euch vnd dem magister Philippen Melanchthon jegen Wittenberg zuschicken vnd wo er nach verhorung von Euch baiden genugsam darzu geschickt befunden, were vns nit entkegen, dass er dieweil er beraitan berufen, zum pfarner angenomen vnd bestetigt wrude. Dieweil wir aber den obgedachten Stiefel gern in vnserm furstenthumb wissen wolten vnd wir doch besorgen, dass im die pfar mit irem einkomen des orts zur Lochau seiner geschiglikait nach etwas zu gering vnd sich darauf schwerlich erhalten mocht, so solt er vnsers achtens an einem andern vnd bequemern ort, nach dem die visitacion in kurz widerumb angehet, wirdet wol konnen vnterbracht vnd gebraucht werden, darauf Ir auch selbst werdet zu gedenken wissen, welchs wir Euch gnediger meynung nit verhalten wolten. Datum.

Als Ir auch in einem andern Brief, Jacob Eyseling, der etzlich zeit auf vnserm stift zu Wittemberg gedyent, dass wir ime Ern Sebastian Schmidts seligen behausung einthun wolten, vorbeten, seint wir vor des derwegen auch angesucht worden vnd haben darauf vmb vnterricht geschrieben, welchs wir Euch auch nit vnangzaigt lassen wolten. Datum vts.

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefwechsel
Herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt
Leipzig
Verlag von F. C. W. Vogel
1866

Churfürst Johann Friedrich an Luther

10. Februar 1546

Vnsern grus zuuor, erwirdiger vnd hochelarter, lieber andechtger. Wir seind vnlangst von dem auch erwirdigen hern Niclasen, bischouen zur Naumburg, vnserm lieben andechtigen, dergleichen auch aus vnserm ampt Weida eines vhals, so sich mit dem caplan zu Frisnitz zugetragen, berichtet worden. Wiewol vns nuhn durch genanten bischof, daneben welcher gestalt ime von Euch vnd d. Pomerano Ewer bedenken hierin zugeschrieben, vermeldet, auch solchs bedenkens copei vbersand, so haben wir doch aus bewegend vrsachen nicht vnderlassen wollen, zu bevehlen, dass vmb diese ding fernere erkundung genomen, dem caplan solchs furgehalten, sein antwort mit vleis aufgezeichent vnd alsdann Euch zugeschickt vnd Ewer weiter bedenken darinnen vermargkt werden solte. Weil dann solche verhor nuhmals beschehen, der caplan sein verantwortung auch schriftlich eingelegt vnd vns durch den bischof zugefertigt, thuen wir Euch solchs hiemit zusenden. Vnd nachdem wir ve3rmerken, dass der bischof nach beschehener antwort des caplans, die ding der straf halben vf ein linderung zurichten bedenkt, wie Ir aus seiner schrift zubefinden, vnd wir ane Ewern rath vnd bedenken hierinnen nichts verschaffen noch schliessen wollen, so ist vnser gnedigs begern, Ir wollet vns dasselbig eroffnen vnd zuerkennen geben, damit wir vns darauf mit fernerm bevehlich haben zuerzeigen. Daran thuet Ir vnsere gefellige meinung vnd wir seine Euch mit gnaden geneigt. Datum Torgau, Mitwochs nach Dorothea 1546.
Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefwechsel
Herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt
Leipzig
Verlag von F. C. W. Vogel
1866

Johann Friedrich – An Luther und Melanchthon.

14. December 1545

Vnsern grus zuuor, erwirdiger vnd hochgelarten, leiben andechtiger vnd getrewer. Nachdem iczo magister Johans Friedrich Petzsch vns durch ein schrift angelangt vnd vmb eine condition vnd dienst, darzue er mochte gebraucht werden, oder aber in mangel des vmb ein steuer zu weiter vnderhaltung seins studiumbs vndertheniglich gepeten, als thuen wir Euch solche seine schrift hierinliegend vbersenden, wie Ir daraus sein anzeige bitt vnd erpieten ferner vernehmen werdet. Weil wir inen dann nuhn ein guete zeit hero zu seinem studio verlegt vnd darzue vnderhaltung gereicht haben, so wollen wir vns versehen, er werde sich desselben dermassen gebraucht vnd den vleis angewant haben, ddass er nuhmer zu kirchen empter muge gebraucht werden, derhalben begeren wir gnediglich, Ir wollet inen zu eynem solchen ampt furdern, wie Ir da wol werdet zu thun wyssen, weyl teglich derhalben ansuchen vorfallen, daran geschicht vnsere meinung vnd wir seind Euch mit gnaden vnd gueten geneigt. Datum Torgau, Montags nach Luciae 1545.

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefwechsel
Herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt
Leipzig
Verlag von F. C. W. Vogel
1866

Churfürst Johann Friedrich an Luther.

Ende November/Anfang Dezember 1545

Vnsern grus zuuor, erwirdiger vnd hochgelarter, lieber andechtiger. Nachdem wir durch den hochgelarten vnsern radt vnd lieben getreuen Gregorien Bruck, der rechten doctor, mit Euch haben reden lassen, ein offentlich schreiben an vns vnd vnsern vettern vnd brudern, den lantgrauen zu Hessen, der gefangnen von Braunschwig halben durch einen druck ausgehen zulassen, so hat yns gedachter doctor Bruck berichtet, dass Ir Euch gutwillig darzu erboten, welchs wir ganz gnediglich vormarkt. Wiewol wir vns nun vorsehen wollen, Ir werdet nuhmer domit fertig vnd dasselb schreiben in druck komen sein, darnach im fall, dass es nit beschehen, so begeren wir gnediglich, Ir wollet so viel Ir vor leibsschwacheit vormoget, dasselb schreiben vfs erste furdern, dann es will aus allerlei bedenken vnd vrsachen viel dran gelegen sein. So wissen wir vns auch zuerinnern, dass wir etwo hieuor vnser vniuersitet vnd den radt zu Wittemberg befehl gethan, sich von einer ordnung zu vnderreden des vnnotturftigen vnd vberigen vorthuns halben vf hochzeiten, kindtaufen und dergleichen vnd in sonderheit auch, wie das vnwesen vorhutet mocht werden, so an tentzen auch mit vngeberlichen geschrei vf der gassen daselbst zu Wittemberg geubt sol werden, vnd wiewol vns gemelter vniuersitet vnd des radts bedenken in vorgangnem sommer derhalben zukommen vnd Ir dasselb, als Ir negst bei vns gewest durchgesehen, so haben wir es doch bisher nit befehlen wollen zupubliciren, es sei dan durch Euch oder der vniuersitet vnd doctoren radt nach eins gesehen. Begeren derhalben gnediglich an Euch, je die bedenken, ßo Ir hierbei befindet, noch eins zu vbersehen vnd dasselbe zu erwegen vnbeswert sein etc.

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefwechsel
Herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt
Leipzig
Verlag von F. C. W. Vogel
1866

Philipp von Hessen an Luther

Würdigem vnd hochgelarten, lieben getrewen. Ewer vorbitlich schreyben, die von Helmstedt belangende, haben wir emphangen vnd verleßen. Nun ist nit one, dass es gedachte von Helmstedt jegen vnßerm freundlichen lieben vetter vnd bruder, dem churfursten zu Sachsen, vns vnd vnsern miteynungsverwandten stenden groblich verwirkt haben. Dhweyl aber die sache vns nit alleyn, sonder den churfursten zu Sachsen vnd andere vnsere religionsverwandten mehr mit angehet, so wollen wir vns mit inen, was dorinne zuthun sein wil, ferner vergleichen vnd endschliessen, das wolten wir also Euch gnediger maynung hinwidder nit pergen, denen wir mit sondern gnaden geneigt. Datum     Cassel den 21. Novembris Anno 1545.

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefwechsel
Herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt
Leipzig
Verlag von F. C. W. Vogel
1866

Churfürst Johann Friedrich an Luther.

26.10.1545

Vnsern gnedigen grus zuuor, erwirdiger vnd hochgelarter, lieber andechtiger. Nachdem wir Euch hiebeuor gnediglich zuerkennen gegeben des landfriedbrechers vnd aufruhrers, herzog Heinrichs von Braunschweig furnehmen vnd in was rustung der landgraf vnd wir vor vns selbs vnd von wegen vnser christlichen ainung die jegenwehr wider inen zugebrauchen stunden, mit gnediger beger, den almechtigen got vmb sieg vnd wolfarth wider gemelten feind vnd seinen anhang zu bitten, auch das volk vf der canzel zum gebet derhalben zuermanen, wie wir dann den superatendenten gemeiniglich vnserer lande in gleichnus geschrieben, so wissen wir Euch gnediger mainung nit zuuorhalten zu dem, dass Ir nuhmer aus gemeiner red dauon werdet gehort haben, dass an negstuorgangner Mitwoch nach Luce der almechtige barmherzige gott vnsers teils kriegsvolke gnad vorliehen, dass sie wider vorgenanten feind vnd seinen anhang den sieg vnd das feld behalten vnd derselb sich sambt seinem son Carl Victor in vnser vnd des landgrafen gnade vnd vngnad ergeben; vnd ist derhalben vnser gnedigs begern, Ir wollet den andern vnsern theologen hieuon auch anzeig vnd gott dem almechtigen drumb lob vnd danksagung thuen, auch in der kirchen durch das volk zuthun vorordnen vnd befehlen. Wie sichs aber mit solcher kriegshandlung vnter anderm zugetragen, das findet Ir vf inliegender zettel summarie vorzeignet, vnd haben es Euch, als dem wir mit gnaden und allem guten geneigt sein, gnediger mainung nit wollen vorhalten. Datum Weymar Montags nach Vrsule 1545

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefwechsel
Herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt
Leipzig
Verlag von F. C. W. Vogel
1866

Churfürst Johann Friedrich an Luther

29.5.1545

Vnsern gruß zuvor, erwirdiger vnd hochgelarter, lieber andechtiger. Nachdem der wirdig, vnser auch lieber andechtiger, Er Augustinus Himel, pfarrer zu Colditz nicht mer zu einem pfarrer vnd superatendenten naher kegen Aldenburg vocirt vnd berufen, dahin er auch verordent werden solle, als hat der rath vns durch ein suplicationschriftgelangt, welche wir Euch inliegend zu senden, daraus Ir zuvernehmen habt, was sie vor einen pfarrer zuberufen bedacht weren. Wan wir vns dann zuerinnern wissen, dass Ir von einen andern, welcher kegen Colditz zuuerordenen sein soll, angegeben, vnd aber auß der gemein zu Colditz schreiben vormercken, dass sie eynen guten willen zu dem pfarrer zu Rochlitz, der sich one das jrem anzeigen nach, von dannen zu begeben willens tragen, so haben wir nicht vnderlassen wollen, Ewer bedencken hirinnen zu vernehmen, vnd dem nach begeren wir gnediglich, Ir wollet vns neben wiedersendung einverwarter schrift Ewer bedencken, was in dem zu thuen sein solle oder nicht, vermelden vnd zuerkennen geben, dass wir vns derhalben ferner muegen vornehmen lassen, vnd Ir thuet vns daran zu gnedigem gefallen, seind Euch auch mit gnaden vnd allem guten geneigt. Datum Aldenburg, Freitags nach Urbani 1545.

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefwechsel
Herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt
Leipzig
Verlag von F. C. W. Vogel
1866

Churfürst Johann Friedrich an Luther, Bugenhagen etc.

18.5.1545

Vnsern gruß zuuor, erwirdigen vnd hochgelarten, lieben andechtigen rethe vnd getreuen. Wir haben Eur schreiben sampt beiverwarter citation an vnsern freundlichen lieben ohmen vnd schwager, herzog Philipsen von Braunschweig lautende, betreffend die ehesache s. l. sons, herzog Ernsten, mit jungfrauen Anna, Ernsten von Starschedelß seligen nachgelassener tochter, empfangen vnd inhalts vernomen vnd weren wol genaigt gewest, gedachten herczog Philipsen berurte Eure citation zuzeschicken. So will doch der angesatzte tag vnd termin s. l. vnsers besorgens etwas kurze, zu dem auch die nodturft sein, dass gedachter jungfrau Anna vormunden vnd bruder ingleichnus durch Euch citirt vnd geladen werden, welchs aber von Euch vnd ane zweiuel darumb vorplieben, dass Ir nicht gewust, were dieselbigen sein. Ist derhalben vnser gnedigs begern, Ir wollet den tag etwa ain zehen ader zwolf tage erstrecken vnd die citation an herzog Philipsen, die der hieneben befinden werdet, darnach andern deßgleichen der iungfrauen vormunden, nemlich diterichen von Starschedel, iren vedtern vnd Heinrich vnd N. Wolf von Starschedel, ire brudere zu Mutschen vorfertigen vnd vns alßdan zuschicken; wollen wir sie furder an gehorige ende zubestellen lassen wissen. Das haben wir Euch hinwider nit wollen vorhalten vnd thuet doran vnser gefellige meynung. Datum Torgaw, Montag nach Exaudi 1545.

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefwechsel
Herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt
Leipzig
Verlag von F. C. W. Vogel
1866

Staupitz, Margaretha – An Martin Luther

26. März 1545

Mein armes gepeth zuuor, achtbar wirdiger, lieber her doctor Martinus, meinem besundern guten freund bitte ich arme elende verlassene fraw vmb gotteswillen vnd der obersten vmb gerechtigkeyt willen, Ir wollet mir arme, elende fraw hulf vnd beystendigk sein, wenn ich von aller welt verlassen bin, von freunden vnd kindern vnd woldet s. ch. f. g. vleissig vor mich bitten, dass s. ch. f. g. mir einen beystand vnd hulf thun wolt vber mein veterlich vnd mutterlich gerechtigkeyt, die ich hab mit grosser muhe vnd vnkost mussen gewinnen vber Heinrich von Lundenau vnd Eberth von Lundenau, der den jungen vormunden ist, dass sie mir alles das veterlich vnd mutterlich gerechtigkeyt innen behalten haben, das mir vor gott het geburet, gar nichts bekummen, dass ich grosse muhe vnd vnkost darauf mussen legen, dass ich mehr dann driethalbhundert gulden daruber vorczeret hab, dass ich arme, elende fraw grossen nodt vnd elend habe mussen leiden vnd grosse verfolgung darzu von etlichen zu Wurtzen, mich aus den stuben in der kirchen gestossen, mich geschendet vnd gelestert haben, dass ich solchs nie vmb sie vordienet hab vnd seind mir alle schreiber vnd bothenleufer vnd fur verpoten wurden, dass ich alleczeit daruon vorhindert bin worden, dass ich nehst Dinstag eine meyl weges habe gegangen, dass ich keinen schreiber nach fuhr und botenleufer hab konnen bekommen, dass mir ßo groß vnd elend vnder augen steust. Nach einmal bith ich vmb gottes vnd der gerechtigkeyt willen, Ir wollet doch ßo freundlich vnd hulflich sein, dass ich dach das bekommen mochte, dass mir vor ch. f. g. vnd furstlich hofericht gemacht vnd zugesprochen ist von den herren des hofengerichts, dieweyl Ir ßo guth eins seyth gewesen mot doctor Staupitz vnd mit meinem juncker, den goth beide gnad, vnd wollet mir dieß gepeth nocht vorsagen vnd wollet die beluhnung von goth nehmen vnd bith eine freuntliche antwort, dormit seyt goth, dem almechtigen befolen sampt Euer liebes weyb, meine liebe gefatter. Datum eylends aus Wurtzen, Dornstag nach Marie vorkundigung Anno Domini 1545.

Margaretha Staupitzin
nachgelassene wietfraw.

Dr. Martin Luthers Briefwechsel mit vielen unbekannten Briefen und unter vorzüglicher Berücksichtigung der De Wette’schen Ausgabe Herausgegeben von Dr. C.A.H. Burkhardt Grossherzogl. und Herzogl. Sächs. Archivar Leipzig Verlag von F. C. W. Vogel 1866

Calvin, Jean – An Luther in Wittenberg (122)

Calvin hatte gegen die Nikodemiten, d. h. evangelisch gesinnte Franzosen, die aber äußerlich am katholischen Kult teilnahmen, ziemlich scharf geschrieben. Nun bat ihn Antoine Fumee (Capnius), Parlamentsrat in Paris, auch von Luther, Melanchthon und Butzer Gutachten zu erwirken über die Frage, ob es einem Evangelischen erlaubt sei, äußerlich am katholischen Kult sich zu beteiligen, und Calvin sandte deshalb einen junger Genfer, Claude de Senarclens, nach Wittenberg. Melanchthon wagte jedoch nicht, Calvins Brief Luther zu überreichen.

Bitte um eine Zuschrift an die französischen Evangelischen.

Dem vortrefflichen Hirten der christlichen Kirche, D. Martin Luther, meinem hochverehrten Vater, Gruß zuvor. Als ich sah, dass unsere französischen Glaubensgenossen, soviel ihrer aus der Finsternis des Papsttums zum rechten Glauben zurückgekehrt waren, doch nichts an ihrem Bekenntnis änderten und fortfuhren, sich mit den papistischen Gräueln zu beflecken, als ob sie die wahre Lehre nie geschmeckt hätten, konnte ich mich nicht enthalten, einen solchen untätigen Sinn scharf zu tadeln, wie er es nach meinem Urteil verdient. Denn welch ein Glaube wäre das, der im Herzen begraben liegt, und nicht hervorbricht als Glaubensbekenntnis, welche Religion, die unter geheucheltem Götzendienst versenkt liegt? Aber ich will jetzt diesen Stoff nicht behandeln, den ich in zwei Schriftchen ausführlich dargelegt habe. Wenn es dir nicht lästig ist, sie rasch durchzulesen, kannst du daraus besser erfahren, was meine Meinung darüber ist, und aus welchen Gründen ich zu dieser Meinung gekommen bin. Durch das Lesen dieser Schriften sind ein paar unserer Leute aufgewacht, und während sie vorher sicher in tiefem Schlummer lagen, beginnen sie jetzt, sich zu besinnen, was sie tun sollen. Weil es aber schwer ist, ohne Rücksicht auf sich selbst sein Leben aufs Spiel zu setzen oder den Menschen Ärgernis zu geben und dadurch den Hass der Welt auf sich zu ziehen, oder Geld und Gut und Heimat zu verlassen und freiwillig in die Verbannung zu gehen, so halten alle diese Schwierigkeiten sie noch zurück, etwas Sicheres zu beschließen. Freilich schützen sie allerlei andere, schöne Gründe vor, denen mans aber ansieht, dass sie nur irgendwelchen Vorwand suchen. Weil sie nun gewissermaßen in der Schwebe bleiben und zaudern, möchten sie auch dein Urteil hören; da sie davor Achtung hätten, wie es sich ziemt, würde es sie sehr bestärken. Sie haben mich daher gebeten, ich möchte gerade für diesen Zweck einen zuverlässigen Boten an dich senden, der uns dann deinen Entscheid in dieser Frage berichten könnte. Ich wollte ihnen diese Bitte nicht abschlagen, weil ich glaubte, es liege vor allem in ihrem Interesse, gegen ihr beständiges Schwanken durch dein Ansehen Hilfe zu finden, und weil ich ja von mir aus das Gleiche wünschen musste. So bitte ich dich also nun, mein im Herrn hochgeachteter Vater, um Christi willen, du mögest es dich nicht verdrießen lassen, ihretwegen und meinetwegen die bittere Pille zu schlucken, zuerst den in ihrem Namen geschriebenen Brief und meine Schriftchen sozusagen zum Spaß in müßigen Stunden zu durchfliegen, oder einem das Lesen zu überlassen, damit er dir dann die Hauptsache berichte, und dann uns deine Meinung in ein paar Worten zu schreiben. Ungern freilich geschiehts, dass ich dir zu deinen vielen, verschiedenen Geschäften auch diese Mühe mache. Aber bei deiner Einsicht glaube ich, du wirst mir verzeihen, weil ich es ja nur der Not gehorchend tue. Könnte ich doch zu Euch fliegen, um auch nur auf einige Stunden deine Gegenwart zu genießen. Denn ich wünschte sehr, – und es wäre auch besser – nicht nur über diese Frage, sondern auch über allerlei anderes mündlich mit dir zu verhandeln. Was aber auf Erden nicht geht, wird bald, wie ich hoffe, im Reiche Gottes möglich sein. Lebwohl, du hochberühmter Mann, du trefflichster Diener Christi und mir ein stets geachteter Vater. Der Herr fahre fort, dich mit seinem Geist zu leiten bis ans Ende zum gemeinen Wohl seiner Kirche.

[Januar 1545].

Dein
Johannes Calvin.