Luther, Martin – An Spalatin. Aus dem Lateinischen. Wittenberg den 18. Januar 1518

Segen von Jesus Christus zuvor! Bester Herr Spalatin! Die Auskünfte, die Ihr bisher von mir begehrt habt, war ich fähig oder vermessen genug, zu erteilen. Wenn Ihr aber nun einen Wegweiser für die Durchforschung der Heiligen Schrift verlangt, so geht das weit über meine Kräfte; suche ich doch für mich selbst vergebens einen Führer in diesem unwegsamen Gebiete. Denn jeder denkt darin anders, und besonders gilt das gerade von den gelehrtesten und klügsten Köpfen. Da habt Ihr z.B. Erasmus, der dem heiligen Hieronymus diese Bedeutung in Theologie und Kirche öffentlich zuspricht und ihn allein gelten lassen will.

Wenn ich nun meinerseits den heiligen Augustin gegen ihn ausspiele, so wird man meine Entscheidung nicht allein wegen meiner Zugehörigkeit zu seinem Orden leicht als ungerecht verdächtigen, sondern auch wegen des verbreiteten und schon längst eingebürgerten Ausspruchs des Erasmus, “ es wäre die größte Schamlosigkeit, wolle jemand Augustin mit Hieronymus vergleichen.“ Auch andere Gelehrte haben ihre besondern Anschauungen in diesem Punkt. Ich selber möchte in Anbetracht meines geringen Wissens und meiner geringen Begabung nicht wagen, über so wichtige Fragen neben so maßgebliche Entscheidungen eine eigene zu stellen. Und schließlich hält mich von einer freien Aussprache meine Gewohnheit zurück, vor Männern, welche die wahre Wissenschaft aus Vorsatz hassen oder ihr aus Trägheit fremd sind – und wer gehört nicht zu diesem Kreis? – den Erasmus mit hohem Lob zu erheben, und ich hüte mich mit aller Kraft und allem Fleiß, mit Dingen herauszuplatzen, über die ich andrer Meinung bin als er, damit kein Wort von mir ihre Mißgunst gegen ihn verstärken soll. Wiewohl sich nun bei Erasmus vieles für die Erkenntnis Christi Unwesentliche findet – um als Theologe und nicht als Grammatiker zu urteilen -, so würde doch auch Hieronymus selbst, dessen Preis Erasmus mit so lautem Heroldsruf ertönen läßt, nirgends etwas Gelehrteres und Geistvolleres zu sagen wissen. Darum würdet Ihr Eure Freundespflicht verletzen, wolltet Ihr die Meinung, die ich über Erasmus hier ausspreche, irgend einen Dritten wissen lassen. Dies fordere ich mit gutem Bedacht von Euch. Ihr wißt, es gibt viele, die mit allem Fleiß nach Gelegenheit suchen, die wahre Wissenschaft zu schmähen. Haltet meine Worte also geheim und schenkt ihnen auch nicht eher Glauben, als Ihr selber gelesen und geprüft habt. Wollt Ihr aber auch meine eigene Methode durchaus kennen lernen, so will ich Euch als meinem besten Freund unter der einen Bedingung nichts vorenthalten, daß Ihr mir nur nach eigner Prüfung darin folgt.

Zunächst ist unbedingt sicher, daß weder Fleiß noch Verstand zum vollen Verständnis der Heiligen Schrift ausreicht. Darum ist Eure vornehmste Pflicht, mit Gebet anzufangen und zu flehen, wenn es dem Herrn gefalle, durch Euch etwas zu seiner und nicht zu Eurer oder eines Menschen Ehre auszurichten, so möge Er Euch aus seiner großen Barmherzigkeit das rechte Verständnis seiner Worte verleihen. Denn es ist kein Meister der Worte Gottes, als der sie selbst gesprochen hat, wie Christus sagt: „Sie werden alle von Gott gelehret sein.“ Ihr müßt also an der Macht Eures eigenen Fleißes und Verstandes verzagen und lediglich auf die Wirkung des göttlichen Geistes bauen. Trauet mir; ich habe es erfahren. Hat dann aber diese demütige Verzweiflung bei Euch festen Fuß gefaßt, lest die Bibel vom Anfang bis zum Ende hindurch und prägt Euch zunächst den einfachen Gang der Ereignisse ein. Bei dieser Aufgabe, die Ihr gewiß schon längst gelöst habt, bietet der heilige Hieronymus sowohl in seinen Episteln wie in seinen Kommentaren eine treffliche Hilfe. Dagegen zur Erkenntnis Christi und der göttlichen Gnade, d.h. zum tieferen Verständnis des geistlichen Inhalts, scheinen mir Augustin und Ambrosius bei weitem dienlicher, vor allem da Hieronymus sich durch Origines zu sehr zu allegorischen Deutungen verleiten läßt. Ich möchte dies unbeschadet dem Urteil des Erasmus ausgesprochen haben; begehrtet Ihr doch nicht seine, sondern meine eigene Meinung zu hören.

Den Anfang würdet Ihr, wenn Euch mein Lehrplan zusagt, mit des Augustin Buch „vom Geist und Buchstaben“ machen, das Karlstadt, unser unvergleichlich arbeitsamer Freund, jetzt mit trefflichen Erläuterungen herausgegeben hat; dann folge die Schrift gegen Julian; desgleichen die gegen die zwei Briefe der Pelagianer. Von Ambrosius käme die Schrift von der Berufung aller Völker hinzu, die zwar nach Stil, Geist und Zeitrechnung einem andern Verfasser zugehören muß, aber doch voller Gelehrsamkeit ist. Das Weitere später, wenn Ihr an dem Genannten Freude gefunden habt und mir die Kühnheit verzeiht, mit der ich auf einem so schwierigen Gebiet über die bedeutendsten Gelehrten hinauszugehen wage.

Des Erasmus Verteidigungsschrift werde ich Euch zusenden. Ich bedaure sehr, daß unter den ersten Fürsten der Wissenschaft ein so mächtiger Streit entbrennen mußte. Ist Erasmus auch weit überlegen und schreibt er auch viel besser, so ist sein Ton doch auch reichlich bitter, wie sehr er sich auch bemüht, die Freundschaft zu wahren.

Lebt wohl.

In unserem Kloster am Tage St. Priscae 1518. Ihr sehr, daß ich Euch noch am selben Tage antworte.

Bruder Martinus Eleutherius

Staupitz hält sich in München auf, wie ein Brief beweist, den ich soeben daher von ihm empfing.

Quelle:
Martin Luther Briefe In Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald Erster Band Leipzig / Im Inselverlag / mdccccix

Luther, Martin – Meinem gnädigsten und lieben Herrn, Herzog Friedrich, Kurfürsten zu Sachsen, zu Sr. Gnaden Handen. 1517

Gnädigster Herr und Furst. Als mir E.F.G. vor diesem die Zusagung thät durch den Hirsfelder, ein neu Kleid zu geben; so komme ich nue und bitt E.F.G. desselben eingedenk zu seyn.

Bitt aber, gnädiger Herr, wie vormals, so der Pfeffinger das ausrichten soll, daß er es mit der That und nit mit freundlicher Zusagung ausrichte; er kann fast gute Wort spinnen, wird aber nit gut Tuch daraus.

Es ist auch, gnädiger Herr, mir offenbart, nämlich durch den Prior zu Erfort, der es von E.F.G. Beichtvater verstanden, wie daß E.F.G. sollt Ungnade empfangen haben uber D. Staupitz, unsern wirdigen lieben Vatter, etlich Schreibens halben; hab ich daselb, als er hie gewest und E.F.G. zu Torgau gesucht, mit seiner Wirde geredt, und furgehalten, daß mirs nit lieb wäre, E.F.G. Unglimpf uber seine Wirden, hab ich in der Wahrheit in vielen Worten nit anders erfunden, die wir den Abend von E.F.G. hätten, dann daß E.F.G. ihm aufs Beste in seinem Herzen, und ihm der Kurfürst von Sachsen ein lieber Furst ist, und verwahr gar sonderlich E.F.G. gunstig ist, also, daß er endlich sagt: ich meine nit, daß ich mein gnädigsten Herrn je erzurnet habe, ich hätt es dann damit than, daß ich S.G. zu viel gelieb gehabt. Derhalben bitt ich, gnädiger Herr, seinethalben, als er mirs auch etlichermaß empfohlen, E.F.G. wollt sich aller Gunst und Treu zu ihm versehen, wie dann ahn Zweifel E.F.G. dieselbe oft an ihm erfunden.

Auch, gnädigster Herr, daß ich mein Treu E.F.G. auch erzeige, und mein Hofekleid verdiene: ich hab gehört, wie daß E.F.G. nach Abgang dieses Aufsatzes wollte eine andere und vielleicht schwerer aufsetzen. So E.F.G.. nit wollt verahcten eines armen Bettelers Gebet, bitt ich, wollts umb Gottes Willen nit lassen dahin kumen, dann mirs von Herzen leid ist und vielen E.F.G. Gunstigen, daß auch diese Schätzung E.F.G. letzten Tagen so viel gutes Geruchts, Namen und Gunst beraubt hat. Gott hat E.F.G. wohl mit hoher Vernunft begnadet, daß Sie in diesen Sachen weiter sieht, denn ich odder vielleicht alle E.F.G. Unterthanen; aber mag doch wohl seyn, ja Gott will es so haben, daß groß Vornunft zuweilen durch weniger Vernunft gewiesen werde, auf daß niemand auf sich selb sich verlasse, sundern alleine auf Gott unsern Herrn, welcher spar E.F.G. gesund uns zu Gute, und darnach E.F.G. Seelen zur Seligkeit, Amen.

E.F.G. unterthäniger Cappellan,

D. Martinus Luther, zu Wittenberg.

1517 Im November oder December

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefe, Sendschreiben und Bedencken, vollständig aus den verschiedenen Ausgaben seiner Werke und Briefe, aus andern Büchern und noch unbenutzten Handschriften gesammelt, kritisch und historisch bearbeitet von Dr. Wilhelm Martin Leberecht de Wette, Professor der Theologie zu Basel. Erster Theil. Luthers Briefe bis zu seinem Aufenthalt auf Wartburg Berlin, bey G. Reimer 1825

Luther, Martin – An den Erzbischof Kardinal Albrecht von Mainz, 31. Oktober 1517

Gottes Gnade und Barmherzigkeit zuvor! Hochwürdigster Vater in Christo, durchlauchtigster Kurfürst! Eure Kurfürstliche Gnaden halten mir gnädiglich zugute, daß ich, der geringste und unwerteste unter allen Menschen, vermessen daran zu denken wage, einen Brief an Ew. Hochwürden zu schreiben. Der Herr Jesus ist mein Zeuge, daß ich, meiner Armseligkeit und Jämmerlichkeit mir wohl bewußt, lange aufgeschoben habe, was ich jetzt mit unverschämter Stirn tue; denn es zwang und verpflichtete mich dazu mit aller Gewalt meine treue Ergebenheit, die ich, hochwürdigster Vater in Christo, Ew. Kurfürstlichen Gnaden zu leisten mich schuldig erkenne. Darum haltet Euch nicht zu gut, ein gnädig Auge auf mich zu haben, der ich Erde und Asche bin, und mein Begehr nach Eurer bischöflichen Gnade zu deuten.

Es wird im Land umhergeführt der päpstliche Ablaß unter Ew. Kurfürstlichen Gnaden Namen zum Bau von Sankt Peter. Ich will dabei gar nicht über der Ablaßprediger großes Geschrei Klage führen, das ich nicht gehört habe. Aber ich beklage die falsche Auffassung, die das arme, einfältige, grobe Volk daraus entnimmt und die jene Prediger allenthalben marktschreierisch rühmen. Denn die unglücklichen Seelen glauben infolgedessen, wenn sie nur Ablaßbriefe lösen, seien sie ihrer Seligkeit sicher; weiter glauben sie, daß die Seelen ohne Verzug aus dem Fegefeuer fahren, sobald man für sie in den Kasten einlege; diese Ablaßgnade sei ferner so kräftig, daß keine Sünde so groß sein könne, daß sie nicht erlassen und vergeben werden könnte, und hätte einer selbst (das sind ihre Worte) die Mutter Gottes geschändet; endlich soll der Mensch durch diesen Ablaß frei und los werden von aller Pein und Schuld.

Ach, lieber Gott, so werden die Eurer Sorge anvertrauten Seelen, teurer Vater, zum Tode unterwiesen, und so wächst immer die schwere Verantwortung, die Ihr über sie alle werdet ablegen müssen. Darum habe ich nicht länger davon schweigen können. Denn der Mensch wird durch keines Bischofs Geschenk seiner Seligkeit gewiß, da er ihrer ja nicht einmal durch das Geschenk der göttlichen Gnade versichert wird; vielmehr befiehlt uns der Apostel, allezeit mit Furcht und Zittern an unserm Heile zu arbeiten, und auch der Gerechte wird kaum gerettet werden. Endlich ist der Weg, der zum Leben führt, so enge und schmal, daß der Herr, durch die Propheten Amos und Zacharias die, so da selig werden, nennt einen Brand, der aus dem Feuer gerissen wird, und daß der Herr überall die Schwierigkeit der Erlösung betont.

Warum machen sie also durch falsche Fabeln und Verheißungen vom Ablaß das Volk sicher und ohne Furcht, wo doch der Ablaß den Seelen nichts nützt zu ihrem Heil oder ihrer Heiligkeit, sondern nur die äußerliche Pein wegnimmt, die ehemals nach den Canones auferlegt zu werden pflegte?

Endlich sind die Werke der Gottseligkeit und Liebe unendlich viel besser denn der Ablaß, und doch predigt man sie weder mit solcher Pracht, noch mit so großem Fleiß, ja der Ablaßpredigt zuliebe wird von ihnen geschwiegen, und doch ist es aller Bischöfe vornehmliches und alleiniges Amt, zu sorgen, daß das Volk das Evangelium und die Liebe Christi lerne. Nirgends hat Christus befohlen, den Ablaß zu predigen; aber das Evangelium zu predigen hat er nachdrücklich befohlen. Welche Schande für einen Bischof, und überdies, wie gefährlich ist es für ihn, wenn er für das Evangelium kein Wort übrig hat und bloß den Ablaßlärm in sein Volk ausgehen läßt und sich darum mehr bekümmert als um das Evangelium! Wird nicht Christus zu ihnen sagen: „Ihr seihet Mücken und verschluckt Kamele“?

Ja noch mehr, hochwürdigster Vater in dem Herrn. In der Instruktion der Kommissare, die unter Eurem Namen ausgegangen ist, heißt es – ohne Zweifel, hochwürdigster Vater, ohne Euer Wissen und Euren Willen – „eine der vornehmsten Gnaden sie dieses unschätzbare Geschenk Gottes, dadurch der Mensch mit Gott versöhnt und alle Strafen des Fegfeuers ausgetilgt werden“; auch Reue hätten die nicht nötig, die Ablaß oder Beichtprivilegien erwürben.

Hochwürdigster Bischof und durchlauchtigster Kurfürst! So bitte ich denn Euer Hochwürden durch den Herrn Jesum Christum, doch die Sache Eurer väterlichen Sorge und Aufmerksamkeit zu würdigen, das genannte Büchlein völlig zu beseitigen und den Ablaßpredigern eine andere Predigtweise zu befehlen. Sonst könnte schließlich jemand aufstehen und etwas veröffentlichen, was jene Leute und jenes Büchlein widerlegte, zur höchsten Schmach Eurer durchlauchtigsten Hoheit. Davor aber bange ich gar sehr, und doch muß ich es besorgen, wo der Sache nicht eilend Rat wird.

Diesen treuen Dienst meiner Armseligkeit wollen Ew. durchlauchtigste Gnaden würdigen, ebenso fürstlich und bischöflich, das heißt huldvoll, anzunehmen, wie ich ihn in Treue und ganzer Ergebenheit gegen Ew. Hochwürden erzeige. Denn auch ich bin ein Schäflein Eurer Herde. Der Herr behüte und bewahre Ew. Hochwürden in Ewigkeit. Amen. Wittenberg am Abend vor Allerheiligen im Jahre 1517.

So es Ew. Hochwürden gefällig ist, könnt ihr meine beiliegenden Streitsätze ansehen und daraus ersehen, wie ungewiß die Auflassung des Ablasses ist, obwohl die Ablaßprediger sich einbilden, sie wäre ganz ausgemacht.

Euer unwürdiger Sohn
Martinus Luther, Augustiner, berufener Doktor
der h. Theologie

Quelle:
Alfred Läpple Kirchengeschichte in Dokumenten, Patmos-Verlag Düsseldorf, 1958

Luther an Scheurl

11.9.1517

Meinem herzlichgeehrten Herrn Christoph Scheurl.

Jhesus!

Meinen Gruß! Ob ich gleich, mein bester Christoph, keine würdige Veranlassung hatte, an Euch, einen so theuren, würdigen Mann, zu schreiben: so glaube ich doch, daß schon diese hinlänglich genug wäre, an Euch (lasset mich indeß die lange Liste Eurer Ehrentitel, die Euch alle nach Verdiensten zieren, auf die Seite setzen) an einen so warmen, aufrichtigen, uneigennützigen Freund, und was das meiste ist, den ich nur erst auffand und erwarb, schreiben zu können. Wenn dabey jemals ein Stillschweigen gerüget zu werden verdiente, so würd‘ es gewis das Stillschweigen in diesem Falle verdienen, da selbst einige wenige, scherzhafte Zeilen – um wie viel mehr ein ernsthafter Briefwechsel – die Freundschaft unterhält, ich will nicht sagen, fester knüpfet. Selbst der heilige Hieronymus drang in seinen Freund, daß er wenigstens dieses schreibe, er wüßte nichts zu schreiben. Daher nahm auch ich mir vor, lieber zu dahlen, als gegen meinen Freund zu verstummen. Doch lieber Gott! wie oft schreibt wol dieser Bruder Martin, den man fälschlich einen Gottesgelehrten nennet, ohne daß er dahle! der bey dem Geräusche und Gemengsel von Syllogismen so wenig seine Schreibart bessert, daß vielmehr jener angewohnte, weitläuftige Stil des Bisgen Gelehrsamkeit und Beredsamkeit, so er etwa geschmecket, in heischeres, kindisches Lallen verwandelt.

Doch diese Vorrede ist lange genung, über genung; sonst mögt‘ es das Ansehen gewinnen, ich wolle ein ganzes Buch, nicht einen Brief schreiben, das heißt, der Narrendeutungen noch mehr treiben, und doppelt albern seyn, da es für einen Theologen schon allzu viel ist, ein einfacher Geck zu seyn.

Nun denn, der Hauptbeweggrund zu diesen Schreiben war, Euch einen Beweis zu geben, was für eine große Meinung ich von Euch und Eurer Rechtschaffenheit habe; nicht um Euch herauszufordern, gleiche Gesinnungen gegen mich zu hegen, dessen ich mich ohne dieß bey Euch versahe: sondern nur daß Ihr überzeut seyn mögtet, Ihr könntet Euch von meiner Person eben so viel als von Euch selbst versprechen.

Eben fällt mir bey, daß Ihr mir die Schriften unsers Paters Generalvikarius, beyläufig um zwey Dukaten, durch Ulrichen, diesen Pindar, überschicktet. Ich habe sie zum Theil verkauft, zum Theil unter gute Freunde dieses verehrungswürdigen Mannes vertheilet. Das Geld, das ich aus den verkauften Exemplaren lösete, gab ich, nach Eurem Befehl, den Armen, das ist, mir selbst und meinen Mitbrüdern. Denn ich kenne auf Gottes lieben Erdboden keinen Aermern, als mich selbst. Uebrigens bitt ich, daß mir, auf Eure Anstalt, eben dieser Schriften um einen Gülden geschicket werden mögten; es soll Euch, so bald ich sie an Mann gebracht habe, teulich übermachet werden. Es sind noch viele, die sie zu haben wünschen. Ich schicke Euch zugleich meine so sonderbaren Positionen, die manchen ganz widersinnig lauten. Ihr könnet sie unserm gelehrten tiefsinnigen Ecke weisen, damit ich vernehme, weß Namens er sie schelte.

Es grüßen Euch alle Euren auserwählten Freunde, aus welchen mir Herr Licentias Amsdorf und D. Hieronymus die theuresten sind; auch Peter, der Barbier, den Ihr eurer Freundschaft würdiget. Gehabt Euch wohl und betet für mich. Wittenberg den 11ten September. 1517.

Bruder
Martin Luther,
am Augustinerkloster zu Wittenberg.

Quelle: D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe.
Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt.
Erster Band.
Leipzig,
in Kommission bey Christian Friderich Wappler.
1784.

Luther, Martin – Seinem lieben Spalatin auf dem Schloß (1517)

Ende August 1517

Heil! Kommt doch, ihr und der Beichtvater mit seinem Freund nach neun Uhr. Wenn Herr Christoph, der Gesandte bei euch ist, so bringet ihn mit, sonst hat unser Otto schon von mir Befehl ihn einzuladen. Gehabt euch wohl. Seht aber auch zu, daß ihr uns Wein verschafft, denn ihr wisset wohl, daß ihr vom Hofe zum Kloster und nicht vom Kloster zu Hofe kommen werdet.

Bruder Martinus Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Johann Lange (18.5.1517)

Ich habe keinen andern Anlaß, Euch zu schreiben, als daß ich den pater, der Euch dies überbringt, nicht ohne Brief und Gruß zu Euch entsenden will. Ich habe mich, Gott sei Dank, beruhigen können, da Frater Johannes Gumann wohlbehalten heimgekommen ist. Der ehrwürdige Vater Vikarius schreibt, er wolle ehestens bei uns eintreffen.

Unsre Theologie und St. Augustinus kommen wacker vorwärts und herrschen unter Gottes Beistand auf unsrer Universität. Aristoteles steigt immer mehr von seiner Höhe herab und ist dem Fall für alle Zeit gar nahe; allen sind die Vorlesungen über die Schulbücher der Sentenzen wunderbar widerwärtig und niemand kann auf Zuhörer hoffen, wenn er nicht diese Theologie, das ist die Bibel oder St. Augustinum oder über einen andern hochgeehrten Kirchenlehrer lesen will. Gehabt euch wohl und betet für mich. Dienstag nach Vocem Jucunditatis (18. Mai) Anno 1517.

Bruder Martin Luther.

Es grüßt euch Meister Christian Goldschmidt, der eben gegenwärtig ist.

Luther an Scheurl

6.5.1517

An Herrn Christoph Scheurl seinem im Herrn getreuen Freund.

Meinen Gruß! Vor allem andern dank ich Euch, bester Mann, für das Geschenk, die Staupitzischen Schriften; zugleich aber muß ich mich recht schämen, daß dieser sehr ehrwürdige Pater auch meine Kleinigkeiten unter euch ausbreitete. Wahrlich ich habe sie nicht für euch Nürnberger, diesen feinen, aufgeklärten Geistern, sondern nur, wie Ihr wisset, für unsere rohe Sachsen geschrieben, denen man ächten christlichen Unterricht, bei aller Weitläuftigkeit, nicht genung zergliedern und vorkäuen kann. Böt ich auch allen meinen Kräften auf, ich würde doch nie etwas leisten können, das Männern, die mit der römischen Litteratur bekannt sind, nur einiger Maaßen erträglich wäre; um wie viel weniger den eurigen, zumal ich mir eigens vornahm, mich in den so engen Faßungskreis unsers Pöbels einzuschränken. Ich bitte Euch also recht sehr, schaffet, so viel Ihr könnet, meine Sätze aus den Augen der Gelehrten. Uebrigens aber gab ich mir alle Mühe, unserm Ecke, Eurer Ermahnung gemäß, einen recht freundschaftlichen Brief, mit aller Behutsamkeit zu schreiben. Noch weis ich nicht, ob er ihn erhalten habe. Diese Dätze, oder wie man sie nennet, Positionen, schick ich Euch, und durch Euch dem Pater Magister Wenzel, und allen denen, die an dergleichen Tändeleien ein Wohlgefallen haben. Wenn ich mich nicht trüge, so sind es nicht eines Cicero, sondern unsers Karlstads Paradoxen, oder viel mehr des heiligen Augustins, die so viel erhabner und würdiger sind, als jene ciceronianischen, je mehr Augustin oder viel mehr Christus über cicero erhaben ist. Diese Sätze sind ein stetter Vorwurf der Verwahrlosung und Ignoranz derer, die sie lieber für paradoxwe (höchst seltsame, auffallende) als orthodoxe (der reinen Lehre der allgemeinen Kirche gemäß) halten; geschweige derer, die unverschämt genung sind, sie gar als heterodox (Irrsale) zu verläumden, die weder Paulus noch Augustin lesen, oder wenigstens ohne Verstand lesen, und sich und andere verwahrlosen. Bescheidenen Männern, die sie nicht ganz durchsehen, mögen ist immer wunderbar vorkommen; einsichtsvollen werden sie sich im wahren, schönsten Lichte zeigen; ich sehe sie als Grundwahrheiten in ihrem Urlichte. Gepriesen sey der Herr Gott, der aus den Finsternissen Licht hervor zu leuchten gebeut!

Ich muthmaße,, daß unser Pater Vikarius nicht bey euch seyn müße. Wir hoffen, er werde zu uns kommen. D. Christian Reuter schied aus diesem zeitlichen Leben. Gott gebe ihm das ewige! Amen.

Einen Gruß von Amsdorf und dem ganzen Häuflein Freunde. Auch grüßen wir durch Euch alle, die es verdienen. LEbet wohl. Wittenberg den 6ten May 1517.

Bruder
Martin Luther.
Augustiner.

Quelle: D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe.
Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt.
Erster Band.
Leipzig,
in Kommission bey Christian Friderich Wappler.
1784.

Luther, Martin – An Georg Spalatin (3.4.1517)

Jesus.

Heil! Weil mir gute Leute gesagt haben, lieber Herr Magister, daß ihr Macht hättet Namens des verstorbenen Dr. Reuther Kleidung oder Tuch für Arme auszutheilen: so hat man mich ersucht für einen jungen Menschen, genannt Wolfgang, dem auch wir um Gottes Willen Kost geben, bei euch zu bitten. Es ist ein ehrlicher Bursch, voller guten Hoffnung und Treue. Darum, wenn Andere ihm nicht zuvor gekommen sind und ihr seiner, vielmehr unserer Armuth helfen wollt, so seht ihr hier eine schöne Gelegenheit vor euch. Doch ich will euch nicht hart anliegen, weil ich versichert bin, ihr werdet von euch selbst thun, was gut ist. Gehabt euch wohl. Eilig aus unserm Kloster. Freitag nach Judica (3. April) 1517.

Bruder Martinus Luther Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Johann Lange (1.3.1517)

Ich lese jetzt unsern Erasmus, aber täglich gefällt er mir weniger. Das ist schon recht, daß er die Mönche und Priester so beständig und gelehrt widerlegt und sie einer eingewurzelten und schlafsüchtigen Unwissenheit beschuldigt. Aber ich fürchte er breitet Christum und die Gnade Gottes nicht genug aus, von der er gar wenig weiß. Das Menschliche gilt mehr bei ihm als das Göttliche. Wir leben in gefährlichen Zeiten und ich sehe, daß nicht jeder deshalb weil er ein guter Grieche oder Hebräer auch ein wahrer Christ ist. Anders urtheilt wer menschlichem Willen und Willkür Alles einräumt, anders der nichts kennt als die Gnade Gottes. –

Aus unsrer Wüste Wittenberg, am Sonntag Invocavit (l. März) 1517.

Euer Bruder Martin Luther Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Christoph Scheurl, Rechtsgelehrten zu Nürnberg.

Wittenberg, den 27. Jan. 1517

Heil! Ich habe deinen Brief empfangen, hochgelehrter und werthester Christoph, der mir sehr angenehm, aber auch sehr betrübend war. Warum bist du traurig? Was hättest du mir Lieberes schreiben können, als was du geschrieben, da du den ehrwürdigen Vater, ja Christum in seinem Werkzeug, nehmlich unsern Vicarius, mit so würdigem Lobe erhoben hast! Denn man kann mir nichts Angenehmeres erzählen, als daß die Stimme Christi gepriesen, gehört und angenommen, ja darnach gelebt, dieselbe empfunden und verstanden werde. Wiederum, was konntest du Bittereres schreiben, als da du meine Freundschaft suchtest, und mich mit so eiteln Titeln ehrtest? Ich will nicht, daß du mein Freund werdest: denn meine Freundschaft wird dir nicht zur Ehre, sondern zur Gefahr ausschlagen, wenn anders das Sprüchwort wahr ist: „Freunde haben Alles gemein.“ Wenn nun, was mein ist, durch Freundschaft das deinige wird, so wirst du nichts zum Besten haben, als Sünde, Thorheit und Schande. Denn das sind meine Sachen, die du doch an mir mit andern Namen (wie gesagt) geehrt hast. Doch ich weiß, daß du christlich gesinnt bist, und sagen wirst: ich bewundere nicht dich, sondern Christum in dir. Hierauf sage ich: wie kann Christus meine Gerechtigkeit sein in Sünden und Thorheit? Ja dieß ist eben die höchste Vermessenheit, sich einzubilden, daß man Christi Wohnung sei, und kann man solches Rühmen auch kaum dem apostolischen Stande gestatten. Ich preise dich also zwar glücklich, daß du in dieses Mannes, unseres Vaters, Freundschaft und Vertraulichkeit stehst: aber schone deine Ehre, daß du nicht zu meiner Freundschaft entartest, obwohl auch eben jener ehrwürdige Vater nicht ohne meine Furcht und Gefahr mich allenthalben rühmt und sagt: ich preise Christum in dir und ich muß es glauben. Es ist aber ein harter Glaube. Denn es ist dieses Leben so jämmerlich und elend, daß, je mehr man dergleichen Lobredner und Freunde hat, desto mehr sie schaden, wie geschrieben steht: „des Menschen Feinde werden seine Hausgenossen sein,“ und abermal: „die mich lobten verschworen sich gegen mich“, und: „meine Freunde und Verwandten haben sich wieder mich aufgemacht und sind gegen mich gestanden.“ Denn je mehr Menschengunst zu uns nahet, desto mehr Gottesgunst weicht von uns. Denn Gott will entweder der alleinige oder kein Freund sein. Zu diesem Uebel kommt auch vollends dieß, daß, wenn man sich demüthigt, und Lob und Gunst verweigert, desto mehr einem Lob und Gunst (das ist Gefahr und Verderben) folgt. O viel heilsamer ist demnach Haß und Schmach als Aller Lob und Liebe: weil der Haß blos einfache Gefahr, die Liebe aber zweifache ist. Nichts gleicht mehr einem liebenden, ja rasenden Weibe, welches das Versagte desto wüthender begehrt, als solch zeitlich Lob und Ehre. Von solchem ehebrecherischen schlimmen Weibe, siehe, schreckt mich Salomo so ernstlich ab Spr. 7 und anderwärts, da er sie als eine Fremde, Auswärtige und Verführerin der Jugend beschreibt.Ich schreibe das nicht, lieber Christoph, daß ich dein aufrichtiges und wohlwollendes Herz verachten wollte, sondern weil ich auch für mein Gemüth zu besorgen habe. Du thust, was einem frommen und christlichen Menschen zusteht, der niemand, als sich selbst verachten soll: ich muß mich aber auch bestreben, daß ich ein Christ wie du sei (wenn die Freundschaft nachhaltig sein soll) das ist, daß ich ein Verächter meiner selbst sei. Denn das ist kein Christ, der die Menschen wegen ihrer Gelehrsamkeit, Tugend, Heiligkeit und ihres Rufes achtet (denn das thun auch Heiden und die schwatzhaften Dichter, wie sie auch in unserer Zeit ihre Namen nennen), sondern der einen dürftigen, armen, thörichten und elenden Sünder liebt; wie auch der Psalm sagt: „wohl dem, der Einsicht hat,“ nicht über den Gelehrten, Gebildeten, Heiligen, Geförderten, sondern über den Armen und Dürftigen. Endlich bekennt Christus, daß ihm das geschehen sei, was einem seiner geringsten Brüder geschehen sei, da er hätte sagen können: seinen größten und höchsten. Denn was hoch ist bei den Menschen, ist bei Gott ein Gräuel. Zu solchem Gräuel nun bitte ich um Christi unsers Herrn willen mich nicht zwingen und nöthigen zu wollen, wenn du mein Freund sein willst. Das wirst du aber sehr leicht thun, wenn du mich weder ins Angesicht, noch vor Andern irgendwie lobst. Wenn du aber je meinst, daß Christus in mir zu loben sei, so nenne auch dabei seinen Namen und nicht meinen: weil Christi Sache durch meinen Namen befleckt, ja verkürzt und benachtheiligt wird. Wenn Jemand von Sachen redet, als mit den eigenen Namen derselben, warum preisen wir denn Christi Sachen ohne Christi Namen? Siehe, wie dein Freund so wortreich ist: lies es mit Geduld. Lebe wohl in Christo.

Aus der Clause zu Wittenberg.Br. M. Luther,
Eremit des Ordens St. Augustins.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862