Berthold Haller – Aus einem Brief an Martin Bucer 1533

Du hast nun, lieber Martin, unsere Kirche gesehen, einige unserer Prediger gehört; mich hast du ganz gesehen, wie viel oder wie wenig an mir sein mag. Nichts kannst du thun, was mir willkommener wäre, als wenn du mir ganz offen schreibst, was du daran, zumeist aber an mir, vermissest. (…) Ich weiß, daß die Frömmigkeit allein nicht ausreicht zur führung eines so wichtigen Amtes. Es wird Klugheit, Treue, Gelehrsamkeit erfordert, um die Geheimnisse Gottes auszuspenden. Du kennst mich; befiehl, dringe, zeige mir, wie ich dasjenige möge verbessern, was leicht nicht bloß mir, sondern der Kirche schaden kann! (…) Ich weiß genug dessen, das Gott gern hätte und fürchte, es gebreche an mir. Hätte ich doch diese Furcht schon vor zehn Jahren gehabt.

Quelle:
Berthold Haller
Nach
handschriftlichen und gleichzeitigen Quellen
von Carl Pestalozzi.
Elberfeld.
Verlag von R. L. Friderichs.
1861

Berthold Haller – Aus einem Brief an Zwingli

7.10.1528

Unser Rath ist zerstreut, angeblich der Weinlese wegen, ganz stumpf, auf evangelischer Seite durchaus rath- und hoffnungslos, während die Gottlosen flüstern, hohnlachen, voll Hoffnung, jetzt, jetzt sei ihr Messias gekommen. Die Bürger murren, bedauern, klagen, aber ohne rechten Eifer, ohne Rath, ohne Einsicht. So matt ist hier das Christenthum. Wir Diener des Wortes erheben unsre Stimmen, wir drängen, mahnen, flehen, schildern unwidersprechlich die Gefahren und was redlichen Männern gezieme, kurz Alles; allein wir predigen tauben Ohren! Ja sogar schreien die Gottlosen uns als Unruhstifter aus, weil wir nicht ablassen den Rath und das Volk gegen sie anzutreiben. Sieh, theuerster Freund, das sind Trübsale, die meine Seele bis inst tiefste Innerste verwunden!

Quelle:
Berthold Haller
Nach
handschriftlichen und gleichzeitigen Quellen
von Carl Pestalozzi.
Elberfeld.
Verlag von R. L. Friderichs.
1861

Berthold Haller – Aus einem Brief an Vadian

20.4.1528

Aufs neue von Krankheit befallen bin ich so übel daran und über alle Maßen mit Geschäften überschüttet, daß dabei kaum ein Gesunder aufathmen könnte. Eine solche Menge von Predigern läuft von allen Seiten herbei; Manche drängen sich auf und will man sie nicht gleich himmelhoch erheben, so übergießen sie mich mit einer Fluth von Schmähungen. Von siebzig solchen „fahrenden Brüdern,“ die sich hier einfanden, hatten bloß zwei bis drei in ihren Attestaten das von Zwingli und Oecolampad mit mir verabredete geheime Kennzeichen, welches ich hier auch dir mittheile, nämlich am Fuße des Schreibens die Worte: Gott allein sei Preis und Ehre. Unser Rath ist überaus beschäftigt, so daß kaum erst die Grundlagen zur Erneuerung der Kirche geordnet sind. Genf, von Savoyen bedrängt, ruft unsre Stadt, als Bundesgenossin um Hülfe an; inmitten dieser Wirren ist nichts Anderes abzusehen, als daß in Kurzem der Krieg losbricht. Das Aergste ist, daß, nachdem Messe und Mönchsthum abgeschafft worden, die Bauern auch die Güter zurückzufordern suchen…. Indessen geht das Wort Gottes seinen Weg. Das heilige Abendmal haben wir in der unserer Kirche entsprechenden Weise gefeiert. Der ganze Rath und das Volk, wenige ausgenommen, traten zum Tische des Herrn. Der Schultheiß empfing das Brod des Herrn aus meiner Hand, will’s Gott mit aufrichtigem Herzen!

Quelle:
Berthold Haller
Nach
handschriftlichen und gleichzeitigen Quellen
von Carl Pestalozzi.
Elberfeld.
Verlag von R. L. Friderichs.
1861

Berthold Haller – Aus einem Brief an Zwingli

31.3.1528

Herzlich bitt‘ ich dich, theuerster Ulrich, richte an uns insgesammt, so du Zeit findest, eine gemeinsame Ermunterung; mahne uns zum Frieden und zu gegenseitiger Liebe unter einander, zu einer dem Diener des Wortes würdigen Lebensführung, ebenso dazu, daß auch unsere Gattinnen nicht nach eitlem Putze trachten, sondern bescheiden und mäßig seien, fern von aller Schwatzhaftigkeit. So wirst du dem vorbeugen, was uns unschicklich wäre und der Kirche zum Aergerniß würde. Und da jeder von uns seine Mängel hat und es nichts durchaus Vollkommenes und Preiswürdiges gibt, so bitte ich dich dringend, schildere mich, den du nun persönlich kennen gelernt hast, meinem Character und meiner Befähigung nach, mir selbst, und erinnere auch die übrigen Mitdiener, wofern etwas ist, wovor sie sich hüten müssen, in deinen Briefen an mich, daß ich dazu mithelfen kann. Ich bin zu Allem bereit, wodurch ich die Ehre des Herrn, den Bau der Kirche, das Wohlsein ihrer Diener zu fördern vermag!

Quelle:
Berthold Haller
Nach
handschriftlichen und gleichzeitigen Quellen
von Carl Pestalozzi.
Elberfeld.
Verlag von R. L. Friderichs.
1861

Haller, Berthold – Aus einem Brief an Zwingli (1527)

2. Dezember 1527

Jetzt sehe ich, wie der Herr unerwartet durch dich und Oecolampad seine Ehre bei uns verherrlichen will, da ihr Beide so bestimmt zusaget. Ihr seid die Hülfstruppen, die der Herr mir, der ich solchem Kampfe weit nicht gewachsen wäre, gnädiglich zugeschickt! O möchten die Widersacher all ihre Gründe auf einmal ausschütten! Da waren Männer, die zu seinem großen Ruhme suie einzeln entkräfteten! Etliche unserer Machthaber sind voll geheimen Ingrimms. An Anschlägen ihrerseits wird’s nicht fehlen, unserem Vorhaben Hindernisse in den Weg zu legen oder, können sie das nicht, Verwirrung zu stiften. Aber wir wollen aus allen Kräften Stand halten, daß der Satan durch sie nicht losbreche. Doch ist dir wohl bewußt, wie gering meine Kraft ist zu so schwierigen Dingen. Wofern ihr nicht allesammt uns die Hände reicht, so sind wir verloren.

Quelle:
Berthold Haller
Nach
handschriftlichen und gleichzeitigen Quellen
von Carl Pestalozzi.
Elberfeld.
Verlag von R. L. Friderichs.
1861

Haller, Berthold – Aus einem Brief an Vadian

5. Oktober 1525

Allenthalben gibt es zwar Viele, an denen man sieht, daß sie die Finsterniß mehr lieben als das Licht. Du kannst dir aber wohl denken, wie man hier gegen das Evangelium Christi gesinnt ist, da durch gedruckte Mandate schon mehr als Ein Mal befohlen worden, dasselbe rein und unverfälscht zu predigen, und doch wieder nach Willkür Alles so vereitelt wird, daß das Volk dem gepredigten Worte durchaus nicht folgen kann.

Quelle:
Berthold Haller
Nach
handschriftlichen und gleichzeitigen Quellen
von Carl Pestalozzi.
Elberfeld.
Verlag von R. L. Friderichs.
1861′

Berthold Haller an Ulrich Zwingli

1521

Deinen köstlichen Brief, mein wackerster Lehrer! habe ich mit offenen Armen empfangen und nicht ohne reichen Gewinn gelesen und wieder gelesen mit großer Erquickung; ich bin dadurch in christlicher Gesinnung mächtig bestärkt worden. Mein Herz, das wirklich durch dieses wanken der Zustände und der Menschen darniedergebeugt und unfähig war, Unbill zu ertragen, ist nun durch dieses dein Schreiben so gestählt worden zur Erduldung jeglicher Drangsal, daß ich jetzt viel gelassener bleibe, wenn Leute mich als wüthende Feinde anfallen, die von mir nie auch nur im Geringsten beleidigt worden, es wäre denn, daß sie nach ihrer Gewohnheit das Wort des Herrn, das ich verkündige, als Beleidigung aufnähmen. Wahrhaftig, wenn du mich nicht so kräftig angespornt und meinen völlig gesunkenen Muth wieder erweckt hättest, so wäre ich nächstens vom Predigtamt abgetreten und mit Doctor Thomas Wittenbach nach Basel gegangen, um den schönen Wissenschaften und dem Studium des Griechischen und Hebräischen obzuliegen; denn du glaubst nicht, welche Drohungen gewisse bernische Machthaber ausgestoßen haben. Nun hat aber deine freundliche Zuschrift mir Trost gebracht, so daß ich nicht mehr zage, sondern alle meine Kraft zusammen gerafft und deiner wahrhaft christlichen aufmunterung gemäß die feste Ueberzeugung gewonnen habe, es gebühre sich in diesem jämmerlichen Zeiten vielmehr, daß ich das Evangelium predige, als daß ich in irgend einem Winkel meine Studien treibe und das so lange, bis ich unter dem Beistand des Herrn, der seinem Worte viel Kraft verleihen kann, Christum, ihn, der durch Mönchsgeschwätz so weit von uns weggekommen, ja beinahe in die Verbannung geschickt worden, best meines Vermögens wiederum werde eingesetzt haben; dannzumal nämlich werd‘ ich um so sicherer dereinst frommen STudien mich widmen können. Jetzt bin ich dir unsäglichen Dank schuldig für deine Freundlichkeit, daß du unter so vielen und großen Geschäften, mit denen du überhäuft bist, meine Wenigkeit, einen Menschen ohne Begabung, durch deinen so zierlichen Brief aufzurichten gesucht hast.

Quelle:
Berthold Haller
Nach
handschriftlichen und gleichzeitigen Quellen
von Carl Pestalozzi.
Elberfeld.
Verlag von R. L. Friderichs.
1861