Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (759)

Der achtzigjährige Farel machte sich auf, den kranken Freund zu besuchen; obwohl ihm Calvin folgendes Briefchen schrieb, kam er doch und nahm Abschied. Am 27. Mai, abends 8 Uhr, starb Calvin.

Letzter Abschied.

Lebwohl, bester, trefflichster Bruder, und wenn Gott will, dass du mich überlebst, so lebe eingedenk unserer engen Freundschaft, die, wie sie der Kirche nützlich, so auch uns im Himmel Frucht bringen wird. Mache dir keine Mühe meinetwegen; ich kann schon nur noch röcheln und warte beständig darauf, dass mir der Atem ausgeht. Genug, dass ich Christo lebe und sterbe, der den Seinen Gewinn ist im Leben wie im Tode. Nochmals lebwohl samt den Brüdern.

[2. Mai 1564].

Calvin, Jean – Calvins Testament.

Nr. 758 (C. R. – 4103)

Guillaume de Trie, Sieur de Varennes, (vgl. 674) war Calvins bester Freund in Genf gewesen. Calvins Stiefschwester Marie war schon 1536 von Noyon ihren Brüdern in die Schweiz gefolgt; ihr Gatte Charles Costan ist weiter nicht bekannt. Antoine Calvin hatte aus erster Ehe mit Anne Lefert (vgl. 516) vier Kinder Samuel, David, Anne und Susanne, aus zweiter mit Antoinette Commelin vier Jean, Dorothee, Judith, Marie; die beiden letzten erst nach Calvins Tod geboren. Erst seit 1559 war Calvin Bürger von Genf.

Bekenntnis und letzter Wille.

Im Namen Gottes. Jedermann sei kund und zu wissen, dass im Jahr eintausendfünfhundertvierundsechzig am fünfundzwanzigsten Tag des Monats April ich, Pierre Chenelat, Bürger und vereidigter Notar von Genf, gerufen worden bin zu dem hochansehnlichen Herrn Johannes Calvin, Diener an Gottes Wort in der Kirche von Genf und Bürger von Genf. Dieser krank und leidend, doch nur leiblich, hat mir erklärt, er wolle ein Testament machen zur Äußerung seines letzten Willens und hat mich ersucht, es aufzuschreiben, genau wie er diktiere und vorspreche. Nach dieser seiner Forderung habe ich getan und es vor ihm aufgeschrieben, Wort für Wort, wie er es mir diktierte und vorsprach, ohne etwas wegzulassen und dazu zu tun in folgender Form:

Im Namen Gottes. Ich, Johannes Calvin, Diener an Gottes Wort in der Kirche von Genf, fühle mich von verschiedenen Krankheiten so zerschlagen, dass ich nicht anders denken kann, als Gott wolle mich bald heimholen aus dieser Welt, und habe mich deshalb entschlossen, ein Testament und eine Äußerung meines letzten Willens schriftlich aufsetzen zu lassen in folgender Form:

Zuerst danke ich Gott, dass er Mitleid gehabt hat mit mir, seiner armen Kreatur, und hat mich herausgezogen aus dem Abgrund des Götzendienstes, in dem ich steckte, um mich ans Licht des Evangeliums zu ziehen und mit teilhaben zu lassen an der selig machenden Lehre, deren ich nicht wert war; er hat auch seine Barmherzigkeit weiter walten lassen und hat mich getragen mit allen meinen Fehlern und Schwachheiten, mit denen ich hunderttausend mal verdient hätte, von ihm verworfen zu werden. Und nicht nur das, sondern noch mehr: er hat seine Gnade so weit gehen lassen an mir, dass er mich und meine Arbeit zur Förderung und Verkündigung der Wahrheit seines Evangeliums brauchte. So erkläre ich, dass ich leben und sterben will in diesem Glauben und keine andere Hoffnung und Zuversicht habe als darauf, dass er mich aus Gnaden angenommen hat, worauf all meine Seligkeit beruht; ich nehme die Gnade an, die er mir in unserm Herrn Jesu Christo erwiesen hat, und stütze mich auf das Verdienst seines Leidens und Sterbens, auf dass dadurch alle meine Sünden begraben seien; auch bitte ich ihn, er wolle mich waschen und reinigen durch das Blut dieses unseres großen Erlösers, das vergossen worden ist für alle armen Sünder, damit ich erscheinen könne vor seinem Angesicht, sein Bild an mir tragend.

Ich erkläre auch, dass ich nach dem Maß der Gnade, die er mir verliehen hat, mich bemüht habe, sein Wort rein zu lehren in Predigten und Schriften und die heilige Schrift getreulich auszulegen. Auch habe ich in allen Streitigkeiten, die ich mit den Feinden der Wahrheit durchzufechten hatte, nie Hinterlist noch Sophisterei gebraucht, sondern bin stets ehrlich vorgegangen in der Verteidigung seiner Sache. Aber ach, das Wollen, das ich hatte, und mein Eifer, wenn ich so sagen darf, waren so kalt und feige, dass ich mich recht schuldig fühle in allem und überall, und wäre nicht seine unendliche Güte, so wäre all mein leidenschaftliches Streben nichts als Rauch gewesen; ja die Gnadengaben, die er mir verliehen, machten mich nur noch schuldiger; so bleibt meine Zuflucht, dass er der Vater der Barmherzigkeit ist und sich auch als der Vater eines so elenden Sünders zeigen und erweisen wird.

Im Übrigen ist mein Wunsch, dass mein Leib nach meinem Tod begraben werde auf die gewöhnliche Weise, und so will ich auf den Tag der seligen Auferstehung warten.

Was nun die Anordnungen über das bisschen Hab und Gut betrifft, das mir Gott gegeben hat, so ernenne und setze ich ein als meinen einzigen Erben meinen herzlich geliebten Bruder, Antoine Calvin, jedoch nur ehrenhalber, indem ich ihm von Rechtswegen den Becher hinterlasse, den ich von Herrn de Varennes erhalten habe, und ihn bitte, sich damit zufrieden zu geben; dessen bin ich ja auch gewiss, weil er weiß, dass ich das nur deshalb tue, damit das Wenige, was ich hinterlasse, seinen Kindern verbleibe.

Danach vermache ich der Akademie zehn Taler und der Stipendienstiftung für arme Fremde ebensoviel. Ebenso der Jeanne, Tochter des Charles Costan und meiner Stiefschwester von väterlicher Seite die Summe von zehn Talern. Dann den Söhnen meines oben genannten Bruders, Samuel und Jean, meinen Neffen, jedem vierzig Taler. Und meinen Nichten Anne, Susanne und Dorothee jeder dreißig Taler. Dagegen meinem Neffen David, ihrem Bruder, vermache ich, weil er leichtsinnig und flatterhaft gewesen ist, nur fünfundzwanzig Taler als Strafe.

Das ist im Ganzen alles Gut, das mir Gott gegeben hat, nach dem, wie ich es bestimmen und schätzen konnte nach dem Wert meiner Bücher, sowie der Möbel, des Hausrats und alles Übrigen. Wenn sich jedoch noch mehr fände, so soll es unter meine genannten Neffen und Nichten verteilt werden, wobei David nicht ausgeschlossen sein soll, wenn ihm Gott die Gnade gibt, fortan sich maßvoller und gesetzter zu benehmen. Doch glaube ich, es wird diese Verteilung nicht mehr viel Schwierigkeit machen, besonders wenn meine Schulden gezahlt sind, womit ich meinen Bruder beauftragt habe; auf ihn verlasse ich mich dabei und ernenne ihn zum Vollstrecker dieses Testaments, zusammen mit dem hochansehnlichen Herrn Laurent de Normandie; ich gebe ihnen Vollmacht, das Inventar aufzunehmen ohne weitere gerichtliche Förmlichkeit und meinen Hausrat zu verkaufen, um Geld daraus zu machen und zu erhalten, zur Ausführung des in diesem Testament am fünfundzwanzigsten April eintausendfünfhundertvierundsechzig niedergelegten Inhalts. So ist es.

Johannes Calvin.

Nachdem ich obiges geschrieben, unterzeichnete genannter hochansehnlicher Herr Calvin sofort mit seiner gewöhnlichen Unterschrift die Niederschrift dieses Testamentes. Folgenden Tages, nämlich am sechsundzwanzigsten Tag des Monats April im Jahr eintausendfünfhundertvierundsechzig ließ genannter hochansehnlicher Herr Calvin mich wiederum rufen, zusammen mit den hochansehnlichen Herren Theodor Beza, Raymond Chauvet, Michel Cop, Louis Enoch, Nicolas Colladon, Jacques des Bordes, Dienern an Gottes Wort in dieser Kirche, und dem hochansehnlichen Herrn Henri Scrimger, Professor der freien Künste, alle Bürger von Genf. In ihrer Gegenwart hat er erklärt, er habe mich vor ihm und nach seinem Wortlaut dieses Testament in obiger Form und obigen Worten schreiben lassen, und hat mich gebeten, es in seiner und genannter Zeugen Gegenwart vorzulesen; dieser Forderung und Bitte entsprach ich und las es mit lauter Stimme Wort für Wort. Nach dieser Vorlesung hat er erklärt, dies sei sein Wille und seine letzte Anordnung und so solle es gehalten werden. Zur besseren Bestätigung dessen hat er gewünscht und verlangt, alle oben genannten möchten es mit mir unterzeichnen, was auch geschah im oben genannten Jahr und Tag in Genf in der so genannten Stiftsherrengasse und des Testators Wohnhause. Zur Beglaubigung dieses und zum Beweis und Grund, habe ich dieses Testament in obige Form gebracht, um es allen, die es angeht, zuzustellen, unter dem Gemeinsiegel meiner sehr geehrten Herren und Obern und meiner gewöhnlichen Handsignatur.

So gesiegelt.
P. Chenelat.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (757)

Nr. 757 (C. R. – 4092)

Über die geplante Reise des Königs nach Lothringen vgl. 752. Bernard Bochetel, Bischof von Rennes, sollte die Tochter des römischen Königs Maximilian II. für Karl IX. werben.

Bericht von Krankheit und Politik.

Wegen meines langen Schweigens brauche ich nicht um Verzeihung zu bitten, verehrter Bruder, denn von andern weißt du, dass ich eine gute Entschuldigung für mein Säumen habe, die auch heute zum größten Teil noch andauert. Zwar die Schmerzen in den Lenden haben sich gelegt, aber die Lungen sind so verschleimt, dass mein Atem nur schwer und kurz geht. Auch sitzt schon seit zwölf Tagen ein Blasenstein in der Harnröhre und macht mir viel Not; besonders bedenklich und ängstigend ists, dass er bisher mit keinem Mittel wegzubringen war. Das beste Mittel wäre Reiten; aber ein Geschwür in den Hämorrhoidal-Gefäßen tut mir sogar schon beim Sitzen und Bettliegen sehr weh, geschweige, dass ich das Geschütteltwerden beim Reiten ertragen könnte. Auch die Gicht macht mir seit drei Tagen Beschwerde. Da wirst du dich nicht wundern, dass mich so viele Schmerzen faul machen. Man bringt mich kaum dazu, etwas zu essen; der Wein schmeckt bitter. Aber ich wollte dir zu lieb schreiben und bringe nichts vor, als was dich langweilen muss.

Beza hat mir versprochen, dir von den Verhältnissen Frankreichs zu schreiben; so lasse ich das, um nicht bereits Verhandeltes nochmals zu verhandeln. Nur eine geheimnisvolle Sache will ich berühren. Du hast schon früher vernommen, der König reise nach Lothringen. Der Grund wurde selbst dem Hofe verheimlicht; neulich ist er mir aber von einem diplomatischen Unterhändler offenbart worden. Der Gesandte des Königs, der beim Kaiser ist, (er war früher noch als Abt von St.-Laurent einmal bei Euch), hat der Königin-Mutter im Auftrag König Maximilians große, herrliche Hoffnungen gemacht, indessen mit der Forderung, die Königin solle nicht dergleichen tun, als hege sie Hoffnung. Damit will er ohne Zweifel dem Kardinal von Lothringen einen Gefallen tun; denn dieser, in seinen andern Hoffnungen getäuscht, hält nun das für den einzigen Ausweg, die Sache mit solchen Umschweifen in die Länge zu ziehen. So scheint diese Reise keine andere betrügerische oder verräterische Absicht zu Grunde zu liegen, als dass er der Königin-Mutter falsche Hoffnung machen und sich so einschmeicheln will, damit allerlei Dinge unternommen werden, die doch nicht zur Ausführung kommen. Denn dass Bochetel den Namen König Maximilians missbraucht, ist ziemlich klar dadurch, dass er in kindischer Weise die Königin-Mutter mahnt, alles zu verhehlen und zu verbergen.

Nun nimmt mir der Husten und die Atemnot die Stimme, [dass ich nicht mehr diktieren kann]. Also lebwohl, verehrter Bruder, samt Herrn Gwalther, den andern Kollegen und deinem ganzen Haus. Der Herr erhalte Euch alle gesund, mache Euch mehr und mehr reich an seinen Wohltaten und unterstütze Euch mit seiner Kraft. Mit einer Darstellung unserer hiesigen Verhältnisse will ich mir nicht umsonst Mühe machen.

Genf, 6. April 1564.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Renata von Ferrara in Montargis.

Nr. 756 (C. R. – 4090)

Marguerite, die Schwester Heinrichs II. von Frankreich und Gemahlin Philibert-Emanuels von Savoyen, neigte heimlich zur Reformation und legte mehrfach bei ihrem Gatten Fürbitte für die piemontesischen Waldenser ein. Vgl. 753, 755.

Über Krankheit und Missverständnisse. Von der Herzogin in Savoyen.

Madame, ich muss Sie um Verzeihung bitten, wenn ich Ihnen durch die Hand meines Bruders schreibe wegen meiner gegenwärtigen Schwäche und der Schmerzen, die ich von verschiedenen Krankheiten leide, Atemnot, Blasenstein, Gicht und ein Geschwür in den Hämorrhoidalgefäßen, das mich an aller Bewegung hindert, die mich sonst auf Erleichterung hoffen ließe. So müssen Sie mich, bitte, auch entschuldigen, wenn mein Brief nur kurz wird im Vergleich zum Ihrigen, umso mehr als ich noch auf die Rückkehr Herrn Budes warte, durch den Sie mir Nachricht zu schicken versprachen, und außerdem, weil ich von Herrn de Collonges noch keinen Brief erhalten habe mit Winken über das Vorgehen, das man einschlagen müsste, um die Zwistigkeiten in Ihrem Hause zu schlichten und für die Zukunft allem entgegenzuwirken, was Verlegenheit und Gespött verursachen oder Hass und Hader stiften könnte.

Was die andere Frage angeht, Madame, so bitte ich Sie, wenn mein Rat bei Ihnen etwas gilt, Ihren Geist nicht damit zu beschweren; denn wie dem auch sei, allzu große Leidenschaftlichkeit bringt viel Betrübnis und sperrt der Vernunft und Wahrheit die Tür. Ich war sehr erstaunt, Madame; ich habe doch, als ich von den Verworfenen sprach, ausdrücklich die Persönlichkeit des Herrn de Guise beiseite gelassen und gesagt, dass eigenmächtiges Verdammen allzu kühn sei, und nun haben Sie meine Äußerung doch ganz verkehrt aufgefasst. Deshalb sage ich Ihnen nun weiter gar nichts mehr darüber, weder Gutes, noch Böses. Nur eins will ich noch berühren: alle recht denkenden Leute haben Sie durchaus nicht etwa gehasst oder verabscheut, weil Sie die Schwiegermutter des verstorbenen Herrn de Guise waren; sondern gerade deswegen hat man Sie umso mehr geliebt und verehrt, weil man sah, dass selbst das Sie nicht davon abbrachte, offen und ehrlich Ihr Christentum zu bekennen, und zwar nicht bloß mit dem Munde, sondern mit Taten, die ein deutliches Zeugnis abgaben. Ich persönlich versichere Sie, gerade dieser Umstand lässt mich Ihre Tugenden nur umso mehr bewundern.

Nun zu etwas anderem, Madame: Ich habe nämlich gehört, dass die Frau Herzogin von Savoyen, Ihre Nichte, so ziemlich auf dem rechten Wege ist bis zum Entschluss, ein freimütiges Bekenntnis abzulegen. Aber Sie wissen, wie viele Verführer es gibt, die sich zum Weichen oder Kaltwerden bringen können, und andrerseits ist sie stets ziemlich ängstlich gewesen, so dass zu befürchten ist, die gute Absicht bleibe da sozusagen am Haken hängen, wenn man sie nicht ermuntert. Nun meine ich, kein Mensch auf Erden hätte auf die Herzogin mehr Einfluss als gerade Sie, Madame. Deshalb möchte ich Sie im Namen Gottes bitten, einen guten, lebhaften Zuspruch nicht zu unterlassen, um ihr Mut zu machen zu weitern Schritten; ich bin überzeugt, dass Sie Ihre Pflicht darin ganz erfüllen werden nach dem Eifer, der in Ihnen ist, Gott zu ehren und ihm mehr und mehr zu dienen. Indem ich mich, Madame, Ihrer Gewogenheit ergebenst empfehle, bitte ich den Vater im Himmel, er wolle Sie behüten, Sie stets mit seinem Geiste leiten und Sie in gutem Glück erhalten.

Genf, 4. April 1564.

Calvin, Jean – An die Ärzte von Montpellier.

Nr. 755 (C. R. – 4077)

Philibert Sarasin war seit Textors (vgl. 150, 299) Tode Calvins Hausarzt. Evangelische Professoren der Medizin in Montpellier waren Antoine Saporta und Guillaume Rondelet; evangelischer Pfarrer in Montpellier war Michel Manny.

Krankheits-Katalog.

Als mir kürzlich Sarasin, der Arzt, dem die Fürsorge für meine Gesundheit anvertraut ist, Arzneien anbot, die Ihr mir zur Linderung meiner Leiden verschrieben hättet, da fragte ich, wer sich die Mühe genommen habe, Euch ohne mein Wissen zu konsultieren. Er antwortete, auf Bitten unseres Kollegen in Montpellier habe er die Hauptsache dazu getan, Euch, wie es dem Kollegen gut schien, um guten Rat für mich zu bitten. Aus Eurer genauen Antwort sehe ich, wie lieb Euch mein Leben ist, dass Ihr Euch freiwillig solche Mühe um seine Verlängerung macht. Hättet Ihr auf mein Verlangen mir diese Bemühung ohne Schwierigkeit bewilligt, so wäre das schon ein nicht zu verachtender Liebesdienst gewesen; nun da Ihr mir zuvorgekommen seid, bin ich Euch umso mehr verpflichtet. Freilich kann ich Euch meine Dankbarkeit auf keine andere Art und Weise bezeugen, als indem ich Euch bitte, aus meinen Schriften Eurerseits die geistliche Arznei zu nehmen, die Euch darin geboten wird. Schon vor zwanzig Jahren erwiesen mir die ausgezeichneten Pariser Ärzte Acatius, Tagaut und Lecoq dieselbe Freundlichkeit. Aber damals fochten mich weder Podagra-Schmerzen an, noch machten mir Nierensteine und Harngries zu schaffen, noch plagten mich Kolikschmerzen, noch machten mir Afterschmerzen Beschwerden, noch ängstigte mich der Bluthusten. Haufenweise stürmten alle diese Feinde wie mit einem Mal auf mich ein. Sobald ich von einem Wechselfieber genesen war, packte mich ein schwerer, scharfer Schmerz in den Beinen, legte sich dann ein wenig, kam aber ein zweites und drittes Mal wieder. Schließlich wurde er zur Gliedersucht, die sich von den Füßen bis zu den Knien erstreckte. Lange hat mich auch eine Art Geschwür in den Hamorrhoidalgefäßen geplagt, weil ich im Schlafen mit den Nägeln daran gekommen war; dann kitzelten mich Mastdarmwürmer, die ich aber jetzt wieder los bin; als aber das Jucken wieder kam, verschlimmerte sich das Übel durch das Kratzen mit den Nägeln wieder. Bei dieser Gelegenheit befiel mich letzten Sommer auch ein Nierenleiden. Denn da ich das Reiten nicht mehr ertrug, ließ ich mich einmal in einer Sänfte aufs Land tragen; auf dem Heimweg wollte ich eine Strecke zu Fuß gehen; ich war kaum eine Meile weit gekommen, als mich eine Mattigkeit in den Lenden zum Stillstehen zwang, und als ich Wasser lassen wollte, kam zu meiner Verwunderung statt des Urins Blut. Als ich heimkam, legte ich mich zu Bett; das Nierenleiden plagte mich hart und ließ sich mit Arzneien nur ein wenig lindern. Als schließlich nicht ohne sehr schmerzhafte Anstrengung ein Blasenstein abging, ließ das Leiden nach; der Stein war aber so groß, dass der die Adern verletzte, und das Ausströmen des Blutes konnte nur durch eine Injektion von Frauenmilch gestillt werden. Seitdem habe ich schon sehr viele [solche Steine] herausgeschafft, und das drückende Gefühl, das auf meinen Lenden lastete, zeigt deutlich genug, dass dort ein wahrer Steinbruch ist. Doch ists gut, dass es seither nur kleine oder mittelgroße waren, die abgingen. Das Stillsitzen, zu dem mich meine kranken Füße zwingen, nimmt mir alle Hoffnung auf Heilung, am Reiten hindern mich die Schmerzen im Gesäß. Denn wenn auch kein Geschwür mehr sichtbar ist, sind doch die Blutgefäße [im Darm] noch angeschwollen, so dass, was ich herausbringe, durch die innere Zusammenpressung so dünn geworden ist, dass es sich nur wenig von Hühnerdreck unterscheidet. Ein anderes Übel ist, dass die im Magen schlecht verdaute Speise zu einem Schleim wird, der dick wie Leim den Ausgang verstopft; so muss ich oft mit Klystieren nachhelfen. Doch es ist recht unbedacht von mir, dass ich als Lohn für Eure Arbeit Euch nun doppelte Arbeit mache, nicht mit einer neuen Konsultation, sondern nur mit dem Durchlesen meines Geschreibsels. Lebt wohl, hochberühmte und in aufrichtiger Hochachtung verehrte Männer. Der Herr leite Euch stets mit seinem Geiste, halte Euch aufrecht mit seiner Kraft und mache Euch mehr und mehr reich an seinen Geistesgaben.

[Genf, 8. Februar 1564.]

Calvin, Jean – An Renata von Ferrara in Montargis.

Nr. 754 (C. R. – 4074)

Francisco Porto von Kreta, Professor des Griechischen in Genf, hatte auf einer Reise die Herzogin besucht. Der ermordete Herzog de Guise war der Schwiegersohn der Herzogin gewesen, (vgl. 699, 704) und sie hatte sich über das scharfe Urteil der reformierten Pfarrer beschwert. Zum Weiteren vgl. 731, 753.

Über den Herzog de Guise und falsche und rechte Feindesliebe.

Madame, durch Ihren letzten Brief habe ich vernommen, dass, als Sie damals Messer Francisco auftrugen, ich möchte doch die, die sich als Christen bekennten, auch zur Liebe ermahnen, sich dies auf einige Pfarrer bezog, die Sie in ihrem Urteil recht lieblos fanden. Indessen kann ich annehmen, dass dieses Urteil den verstorbenen Herrn Herzog de Guise anging, sofern man ihn als zu schroff verdammte. Nun, Madame, bevor ich näher auf die Frage selbst eingehe, bitte ich Sie im Namen Gottes, wohl daran zu denken, dass Sie auch Ihrerseits Maß halten müssen; denn man kann nicht bloß im abschätzigen Urteil zu weit gehen. Und ohne mich an anderer Leute Bericht zu halten, merke ich aus Ihrem Briefe selbst, dass Ihre persönliche Neigung Sie vergessen ließ, was Sie sonst wohl wussten. Nämlich auf meine Bemerkung, David lehre uns durch sein Beispiel, die Feinde Gottes hassen [Ps. 31, 7; 101, 3], sagen Sie, das sei zu der Zeit gewesen, da es unter dem Gesetz der Strenge noch erlaubt gewesen sei, die Feinde zu hassen. Nun, Madame, eine solche Auslegung könnte die ganze Schrift umstürzen, und deshalb müssen wir sie meiden wie tödliches Gift. Denn man kann wohl sehen, dass David an Güte den besten Menschen übertraf, den man heute finden könnte. Denn wenn er sagt, dass er weinte und viele Tränen vergoss in seinem Herzen für die, die ihm nach dem Leben stellten [Ps. 38, 9 – 13], dass er einen Sack anzog und um sie Trauer trug und ihnen Böses mit Gutem vergalt [Ps. 35, 12 – 14], so sehen wir, dass er so herzensgut war, wie man es nur wünschen kann. Wenn er aber dann doch sagt, gegen die Verworfenen hege er einen tödlichen Hass, so rühmt er sich zweifellos seines rechten, reinen Eifers, der ganz in Ordnung ist, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind: erstens, dass wir nicht uns und unser persönliches Interesse in Betracht ziehen, zweitens dass wir Klugheit und Vorsicht walten lassen und nicht leichtsinnig urteilen, schließlich, dass wir Maß halten und nicht über das hinausgehen, wozu wir berufen sind. Das können Sie an mehreren Stellen meines Kommentars zu den Psalmen noch weiter ausgeführt lesen, wenn Sie geruhen, sich die Mühe zu nehmen und dort nachzuschlagen. Eben darum hat uns sogar der heilige Geist den David gegeben, als Schutzpatron sozusagen, dass wir darin seinem Beispiel folgen sollen. Es ist uns ja auch tatsächlich gesagt, dass er in diesem Eifer ein Vorbild unseres Herrn Jesu Christi war [Ps. 69, 10; Joh. 2, 17]. Wollten wir nun den, der der Quell alles Mitleids und aller Barmherzigkeit war, an Milde und Freundlichkeit übertreffen, dann wehe uns! Um alle Auseinandersetzung abzuschneiden: wir wollen uns doch damit zufrieden geben, dass St. Paulus gerade diesen Spruch auf alle Gläubigen anwendet, dass der Eifer um Gottes Haus sie verzehren soll usw. [Ps. 69, 10; Röm. 15, 3]. Deshalb hat auch unser Herr Jesus, als er die Jünger tadelte, weil sie gewünscht hatten, es möge Feuer vom Himmel fallen auf die, die ihn verwarfen, wie Elias tat [Luk. 9, 54. 55], nicht gesagt, man sei nicht mehr unter dem Gesetz der Strenge, sondern nur sie gewarnt, sich nicht von einer solchen Leidenschaft hinreißen zu lassen wie der Prophet. Ja sogar St. Johannes, von dem Sie nur das Wort der Liebe behalten haben, zeigt uns deutlich, dass wir nicht unter dem Vorwand der Menschenliebe kalt werden sollen in unserer Pflicht gegenüber der Ehre Gottes und der Erhaltung seiner Kirche. Denn er verbietet uns sogar, die zu grüßen, die uns auf irgendeine Weise von der reinen Lehre abwendig machen wollen [2. Joh. 10]. Und nun, Madame, bitte ich Sie, mir zu verzeihen, wenn ich Ihnen ganz freimütig sage, dass Sie meines Erachtens das Gleichnis vom Bogen, den man auf die andere Seite biegt, wenn er sich zu stark nach einer Seite gekrümmt hat, anders aufgefasst haben als der, der es brauchte. Denn jedenfalls wollte er damit nur sagen, dass er, da er Sie übertreiben sah, dadurch gezwungen wurde, auch heftiger zu reden, und nicht, dass er die Schrift fälsche oder die Wahrheit verhülle.

Nun komme ich auf die Tatsache selbst, die ich, um Sie, Madame, nicht durch allzu große Weitschweifigkeit zu belästigen, nur kurz berühren will. Sie haben nicht allein die große Not und Bitterkeit der entsetzlichen Wirren [der letzten Jahre] gespürt. Freilich, das Übel konnte Sie umso schwerer verletzen, als Sie das Königshaus, aus dem sie stammen, in solchem Wirrsal sahen. Aber doch war die Trauer darüber allen Kindern Gottes gemeinsam, und wiewohl wir sagen konnten: Weh dem, durch welchen das Ärgernis gekommen ist [Matth. 18, 7], so hatten wir doch auch Grund genug, zu seufzen und zu weinen, denn eine gute Sache ist sehr schlecht geführt worden. Da nun die böse Geschichte alle recht denkenden Leute betrübte, so konnte Herr de Guise, der das Feuer angezündet, nicht geschont werden. Auch ich habe zwar immer gebetet, Gott wolle ihm gnädig sein, aber doch auch oft gewünscht, Gott wolle Hand an ihn legen und die Kirche von ihm befreien, wenn er sich nicht bekehren wolle. Jedenfalls kann ich behaupten, dass es nur an mir lag, dass nicht schon vor dem Krieg Männer der Tat und entschlossenen Handelns ihn aus der Welt schafften; denn nur meine Mahnung hielt sie zurück. Indessen ihn geradezu verdammt zu nennen, ist zu weit gegangen, wenn man nicht ein sicheres, untrügliches Merkmal für seine Verwerfung nennen kann, und da muss man sich wohl vor Anmaßung und Unüberlegtheit hüten. Denn es ist nur ein Richter, vor dessen Stuhl wir alle Rechenschaft abzulegen haben.

Der zweite Punkt scheint mir noch ungeheuerlicher, nämlich den König von Navarra ins Paradies zu setzen und Herrn de Guise in die Hölle. Denn wenn man beide vergleicht, so war der eine ein Abtrünniger, der andere stets ein offener Feind der Wahrheit des Evangeliums. So möchte ich in diesem Punkte größere Mäßigung und Nüchternheit gewahrt wissen. Indessen muss ich Sie doch bitten, Madame, sich nicht zu sehr zu ärgern über das Wort, für einen solchen Mann dürfe man nicht beten. Sondern lernen Sie erst unterscheiden, um welche Form und Art des Gebetes es sich hier handelt. Denn wenn ich auch für jemandes Seelenheil bete, so heißt das doch nicht, dass ich ihn in allem und überall [Gott] empfehle, wie wenn er ein Glied der Kirche wäre. Wir bitten Gott, dass er die, die dem Verderben zueilen, auf den guten Weg zurückbringe, aber damit setzen wir sie noch nicht unsern Brüdern gleich im Rang und wünschen ihnen nicht im Allgemeinen alles Gute. Bei dieser Gelegenheit will ich Ihnen, Madame, etwas von der Königin von Navarra erzählen, das gut hier her passt. Als der König, ihr Gemahl, sich aufgelehnt hatte [wider Gott], hörte ihr Hofprediger auf, seiner im Kirchengebet zu erwähnen. Dadurch erzürnt, machte sie ihm Vorwürfe und meinte, schon im Hinblick auf die Untertanen dürfe er das [Gebet für den König] nicht unterlassen. Der Prediger entschuldigte sich und erklärte, er habe den König überhaupt nicht mehr genannt, weil er die Unehre und Schande ihres Gemahls habe schonend verdecken wollen; denn er hätte von Gott wahrhaftig nichts anderes erbitten können als seine Bekehrung, und damit wäre sein Fall ja aufgedeckt worden; denn einfach zu bitten, Gott wolle ihn im Glück erhalten, wäre Gespött und Entweihung des Gebets gewesen. Als sie diese Antwort vernommen, blieb sie ruhig, bis sie auch andere um Rat gefragt hatte, und als sie fand, dass diese gleicher Meinung seien, gab sie sich einfach damit zufrieden. Madame, ich weiß, dass diese gute Fürstin bereit wäre, von Ihnen zu lernen, wie Ihr Alter es mit sich brächte und Ihre Tugenden es verdienen, so bitte ich jetzt Sie, sich nicht zu schämen, es ihr in diesem Punkte nachzutun. Ihr Gatte stand ihr näher, als Ihr Schwiegersohn Ihnen gestanden hat. Trotzdem hat sie ihre persönliche Neigung überwunden, um nicht zu einer Entweihung des Namens Gottes Anlass zu geben, was wir täten, wenn unser Gebet entweder erheuchelt wäre oder der Ruhe der Kirche zuwiderliefe. Und um dieses Thema zu schließen mit einem Wort von der Liebe: erwägen Sie bitte, Madame, ob das recht wäre, wenn wir einem Menschen zu lieb hunderttausend andern nicht Rechnung trügen, und wenn unsre Liebe sich auf den einen beschränkte, der alles durcheinander zu bringen suchte, und seinetwegen die Kinder Gottes zurücktreten müssten. Das Mittel dagegen ist: Das Böse hassen, aber uns nicht an die Personen halten, sondern jeden seinem Richter überlassen. Erwiese mir Gott die Wohltat, dass ich mit Ihnen sprechen könnte, so könnte ich Sie hoffentlich ganz zufrieden stellen. Indessen, Madame, bitte ich Sie, wohl zu erwägen, was ich hier angedeutet habe, damit Sie sich nicht betrüben und Ihren Geist sich bekümmern lassen wegen einiger Worte, die man wohl unter die Füße treten kann.

Man fordert Sie auf, die Kaufläden der Papisten brandschatzen und plündern zu lassen. Ich kann das nicht billigen, wer es auch sonst täte; vielmehr muss ich Ihre Tapferkeit und Hochherzigkeit loben, die sich mit einer so ungerechten Forderung nicht zufrieden gab. Ebenso bei den andern Exzessen, von denen Sie berichten. Was den Streit betrifft, der in Ihrem Hause zwischen den beiden von Ihnen genannten Personen entstanden ist, so weiß ich nicht, welcher Grund vorlag, gegen die Frau zu reden. Ich bin ja dessen, was Sie, Madame, darüber sagen, sicher, aber ich weiß nicht, ob einige böse Anzeichen vorlagen, die Herrn de Collonges zwangen, die Ermahnung als vorbeugendes Mittel zu brauchen, oder ob er zu weit gegangen ist und unbedacht gehandelt hat. Jedenfalls hat der Gatte sich viel zu viel erlaubt, da man ihm doch Genugtuung anbot, und auch die Antwort und Weigerung des Herrn de Collonges verrät mehr Ehrgeiz und weltliche Eitelkeit, als die Bescheidenheit eines Vertreters unseres Standes erlaubte, was mich recht betrübt. Denn er hat sich dabei zu sehr vergessen. Wenn die Parteien übereinkommen, ihre Sache zu regeln, so will ich mein Möglichstes tun, das Übel zu heilen, auf welcher Seite es sich befinde. In diesem Punkt, Madame, gebe ich zu, dass zu befürchten ist, Gott werde uns die Güter, die er uns gegeben, nicht lange mehr genießen lassen, da ein jeder so sich selbst ergeben ist, dass wir unsern Nächsten nicht in Demut und Milde zu tragen wissen. Und weit entfernt, unsere Feinde zu lieben, indem wir versuchten, das Böse mit Gutem zu überwinden, haben wir nicht einmal soviel Liebe, brüderlichen Verkehr mit denen zu halten, die sich rühmen, Christen zu sein. Jedoch möchte ich Sie wiederum bitten, Madame, sich nicht bei der irrtümlichen Unterscheidung aufzuhalten, als sei es unter dem [alttestamentlichen] Gesetz erlaubt gewesen, sich zu rächen, wenn es auch heißt: Auge um Auge [3. Mose 24, 20]. Denn die Rache war damals so gut verboten wie unter dem Evangelium, da doch sogar geboten ist, dem Tier des Feindes wohlzutun [2. Mose 23, 4. 5]. Aber was den Richtern galt, nahm dann jeder Einzelne für sich in Anspruch, und so blieb es dann bei dem Missbrauch, den unser Herr Jesus Christus tadelt [Matth. 5, 38 ff.]. Wie dem auch sei, darin sind wir einig: wollen wir als Gottes Kinder anerkannt sein, so müssen wir seinem Vorbild gleich werden und versuchen, auch denen Gutes zu tun, die es nicht verdienen, wie er seine Sonne leuchten lässt über die Bösen und über die Guten [Matth. 5, 45]. So sind Hass und Christentum zwei Dinge, die sich nicht miteinander vertragen. Ich meine den Hass, der der Liebe zuwider ist, die wir unsern Mitmenschen schulden: nämlich ihr Wohl zu wünschen und zu erstreben und das eifrige Bemühen, soweit es geht, Eintracht und Frieden zu halten mit jedermann. Wenn die, deren Aufgabe es sein sollte, Feindschaft und Hader niederzuschlagen, Feinde zu versöhnen, zur Geduld zu ermahnen, alles Gelüsten nach Rache zu bekämpfen, selbst Händelstifter sind, so ist es umso schlimmer und umso weniger entschuldbar. Jedenfalls, Madame, sollen aber die Fehler, die Ihnen missfallen, Sie nicht kühl machen oder hindern, Ihrem schönen Beginnen entsprechend fortzufahren. Ich weiß, Gott hat Sie mit solcher Kraft gewappnet, dass es nicht nötig ist, Sie weiter anzutreiben. Deshalb verlasse ich mich darauf, dass Sie durch Ihr Beispiel denen, die nicht wissen, was Liebe ist, es zeigen, und durch Ihre Lauterkeit und Geradheit die beschämen, die Ihnen gegenüber zu Heuchelei und Verstellung greifen. Andrerseits danke ich Gott, dass er Sie hat erfahren lassen, welch ein Mann der Herr Admiral ist, so dass Sie an seiner Redlichkeit Gefallen gefunden haben. Wie es ihm gefällt, wird er auch für das Übrige sorgen. – – –

[24. Januar 1564].

Calvin, Jean – An Renata von Ferrara in Montargis.

Nr. 753 (C. R. – 4067)

Die Herzogin von Ferrara war in Paris gewesen; da auch andere Evangelische ihre Hausgottesdienste besuchten, so hatten deswegen Unruhen stattgefunden, und sie hatte Paris verlassen und war wieder nach Montargis gezogen. Calvins Bote war Jean Bude, Sieur de Verace (vgl. 538, 741). Die Münze, die Calvin der Herzogin sandte, war ein Goldstück, das ihr Vater, Ludwig XII. hatte prägen lassen, als er mit Papst Julius II. im Streite lag, und das die Umschrift trug: Ich will den Namen Babylons ausrotten. Vgl. 731. Über de Morel vgl. 499, 600, 695.

Über Notwendigkeit der Kirchenzucht. Ein Neujahrsgeschenk.

Madame, ich denke, meinen letzten Brief werden Sie erhalten haben; ich warte Ihre Antwort darauf noch ab, um mich dann meiner Pflicht noch zu entledigen in Bezug auf das, was Sie mir zu schreiben geruhten. Indessen wollte ich die Gelegenheit nicht vorbei gehen lassen, diesen Boten auch zu Ihnen zu senden, damit Sie von ihm vernehmen, wie es hier steht; denn es ist besser, ihm das zur mündlichen Bestellung aufzutragen, als damit das Papier zu belasten, da er einer meiner vertrautesten Freunde ist und ein durchaus zuverlässiger Mann, dem man bis aufs kleinste glauben kann. Es ist der Sohn des verstorbenen Herrn Bude, königlichen Bittschriften-Vorstehers, der durch sein Wissen berühmt war. Übrigens, Madame, haben Sie ja schon durch die Tat bewiesen, dass Ihnen das Wohnen in Paris nicht gefiel. Freilich wäre es ja wünschenswert, dass Sie stets bei Hofe wären zur Unterstützung der armen Kirchen. Aber es wundert mich nicht, dass Sie einen ruhigeren Ort aufgesucht haben.

Jetzt, da Gott Sie zurückgebracht hat in Ihre Stadt, müssen Sie sich doppelte Mühe geben, sowohl Ihre Untertanen als auch Ihr Hauswesen in guter Ordnung zu halten. Ich weiß wohl, Madame, wie widerspenstig das Volk ist, und wie Sie bisher an seiner Bekehrung gearbeitet haben, ohne großen Erfolg. Wie dem auch sei, ich bitte Sie, führen Sie dabei die Mahnung St. Pauli durch: Lasset uns Gutes tun und nicht müde werden [Gal. 6, 9], welche Bosheit Sie auch kühl machen will darin. Vor allem Ihr Haus soll ein Vorbild sein, den irgendwie Belehrbaren zum Beispiel und den Unverbesserlichen und ganz Verstockten zur Beschämung. Dazu, Madame, zeigen Sie, bitte, feste Hand, so gut Sie können, damit gute Zucht herrsche zur Unterdrückung aller Laster und Ärgernisse. Ich meine das nicht nur in Bezug auf Ihre weltliche Gerichtsbarkeit, sondern auch in Bezug auf das kirchliche Sittengericht; die Leute, die beauftragt sind, ein Auge zu haben auf die Sitten, sollen gottesfürchtig sein, von heiligem Leben und solcher Lauterkeit und Schlichtheit, dass nichts sie hindert, ihre Pflicht zu tun; auch von solchem Eifer, wie er nötig ist, um Gottes Ehre ganz zu wahren. Auch soll sich niemand, – er möge sein, von welchem Rang und Stand er wolle, und Ihr Vertrauen und Ihre Hochschätzung noch so sehr besitzen, – schämen, sich der Ordnung zu unterwerfen, die Gottes Sohn selbst eingesetzt hat, und den Hals unter sein Joch zu bringen. Denn ich versichere Sie, Madame, ohne dieses Mittel gäbe es eine zügellose Freiheit, die zu entsetzlichem Durcheinander führen müsste. Die, die sich irgendwie zum Christentum bekennen, würden dann jedenfalls ganz auseinander gerissen. Kurz, es gäbe ein haltloses, ganz verzerrtes Evangelium; denn man sieht wohl, wie jeder sich schmeichelt und sich die Erlaubnis erteilt, seinem Gelüste zu folgen. Es ist verwunderlich, dass dieselben Leute, die sich willig der Tyrannei des Papstes unterwarfen, nicht leiden wollen, dass Jesus Christus in aller Milde zu ihrem Heil über sie herrsche. Aber wirklich, der Teufel braucht diesen Kunstgriff, um die Wahrheit Gottes zu Schanden zu machen, den reinen Glauben zum Gespött und den heiligen Namen unseres Erlösers zur Lästerung. So ist, Madame, zu einer richtigen Kirchenreformation mehr als notwendig, dass Leute da sind, die die Aufsicht führen über eines jeden Leben. Damit aber niemand sich gekränkt fühle, Rechenschaft abzulegen vor den dazu bestellten Ältesten, so sollen diese von der Gemeinde gewählt werden, weil aller Grund besteht, diese Freiheit festzuhalten, und auch, weil dies dazu dient, mit größerer Sorgfalt die passenden und tauglichen und als solche von der Gesamtheit anerkannten Leute auszuwählen.

Ich zweifle nicht daran, Madame, dass, wenn Sie aus Ihrer Machtvollkommenheit solche Ordnung einführen, Sie an unserm Bruder [Morel] de Collonges eine gute Hilfe haben werden. Da ich aber weiß, welcher Korruption die Fürstenhöfe ausgesetzt sind, so scheint mir eine Ermahnung, ihn dabei zu schützen, nicht unangebracht. Ja, es ist vielleicht gut, Sie auf das eine aufmerksam zu machen, dass der Teufel sich allezeit bemüht hat, die Diener des Evangeliums durch falsche Berichte und Verleumdungen verächtlich oder verhasst und unbeliebt zu machen. Deshalb müssen sich alle Gläubigen vor solcher List hüten. Denn wirklich, wenn einem die Weide zur Seligkeit verleidet ist, so heißt das nicht nur seinen Leib schädigen; denn es handelt sich dabei um das Leben der Seelen. Wie dem auch sei, Madame, wenn es Leute gibt, die versuchen, wenn auch nur indirekt, Sie von der Fortführung des so schön Begonnenen abzubringen, so müssen Sie diese Leute fliehen wie tödliches Gift, denn sie sind tatsächlich vom Teufel aufgestiftet, um Sie unversehens abzuziehen von Gott, der doch anerkannt sein will in seinen Dienern.

Vor allem, Madame, lassen Sie sich nie dazu bringen, etwas am Wesen der Kirche, wie es der Sohn Gottes durch sein Blut geheiligt hat, zu ändern. Denn er ists, vor dem sich alle Knie beugen müssen [Phil. 2, 10]. Wenn jemand, um Ihnen schön zu tun, sagt, Ihr königliches Haus müsse aber doch sein Vorrecht haben, so denken Sie daran, dass man Ihrem Hause keine größere Unehre antun könnte, als es vom Leib der Kirche zu trennen, und wie im Gegenteil es für Sie die größte Ehre ist, wenn Ihr Haus gereinigt wird von allem Schmutz. Ich bitte Sie, Madame, wo braucht man eher Arznei als da, wo die Krankheiten im Schwange gehen? Nun urteilen Sie selbst, ob ein Hof nicht leichter über das Erlaubte hinausgeht als eine kleine, bürgerliche Haushaltung, wenn man nicht etwas dagegen tut. Ich sage nicht, dass, wenn Ärgernis gegeben wird unter Ihren Leuten, man nicht Sie, das Hauptglied der Gemeinde, darauf aufmerksam mache, um einmütig eine Züchtigung ins Auge zu fassen, sondern ich meine nur, Ihr Recht im eignen Hause soll das Eingreifen der Kirchenzucht nicht hindern; denn wollte man Ihre Hofleute schonen, so zerflösse aller Respekt vor dem Sittengericht wie Wasser.

Nun zu etwas anderem, Madame: schon lange habe ich die Absicht gehabt, Ihnen eine Goldmünze zu verehren. Halten Sie das wohl für allzu kühn? Da ich aber im Zweifel war, ob Sie ein solches Stück nicht schon besäßen, habe ich es bis jetzt unterlassen; denn es hat nur Wert für Sie, wenn es Ihnen neu ist. Schließlich habe ich die Münze nun dem Überbringer anvertraut, er möge Sie Ihnen zeigen, und wenn Sie diese Prägung noch nicht kennen und geruhen wollen, sie zu behalten, so ists das schönste Neujahrsgeschenk, das ich Ihnen geben kann.

Madame, indem ich mich Ihrer Gewogenheit ganz ergebenst empfehle, bitte ich den lieben Gott, er wolle Sie in seiner heiligen Hut halten und Sie zunehmen lassen in allem Guten und Glücklichen.

8. Januar 1564.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (752).

Nr. 752 (C. R. – 4052)

Orleans war ein Hauptstützpunkt der Hugenotten gewesen und hatte deshalb seit dem Krieg eine Besatzung von katholischen Schweizer-Söldnern gehabt (vgl. 744). Der Connetable de Montmorency war Colignys Oheim; das Pariser Parlament hatte Coligny seinerzeit zum Tode verurteilt; die Guisen hielten ihm gegenüber die Klage aufrecht, er habe Poltrot zum Mord des Herzogs de Guise gedungen.

Allerlei gute und böse Nachrichten aus Frankreich. Politische Pläne.

Seit ich dir schrieb, verehrter Bruder, hat sich folgendes Neue begeben. Als im königlichen Rat fast nur Gegner waren, wurde in einem Anfall von Wahnwitz der Beschluss gefasst, die Befestigungen von Orleans schleifen zu lassen. Der Kommandant begann damit, einige Türme zu zerstören und die Gräben mit den Trümmern füllen zu lassen. Hat aber das Gerücht recht, so empfinden die Urheber des unheilvollen Entschlusses bereits Scham und Reue über ihren Wahnwitz. Dasselbe hatten sie für viele andere Städte beschlossen unter dem alleinigen Vorwand, es sei nicht gut, wenn feste Plätze im Land seien außer den Grenzfestungen zur Abwehr äußerer Feinde.

Prinz de Conde hat sich seit einem Monat vom Hof entfernt aus Zorn, weil die Königin-Mutter die Heirat seines Sohnes mit der Tochter des [Marschalls] de St.-Andre listig im Ungewissen zu halten suchte. So wirft er Christi Sache von sich und lebt nur für sich und seine Interessen. Freilich, wie sich niemand um seine Versöhnung Sorgen macht, so wird auch wie gewöhnlich seine Entrüstung bald von selbst verfliegen.

Nun will ich erzählen, welcher Bericht vorgestern kam. Der Admiral kam, dem König seine Aufwartung zu machen, und wurde sehr freundlich empfangen; dann zog er mit sehr großem Geleit nach Paris. Der Connetable, um seine Neider zu ärgern, kam in sein Hotel und begleitete ihn nach dem Essen ins königliche Schloss. Dort wohnte er einer Beratung bei, in der die wichtigsten Dinge verhandelt worden sein sollen. Die Guisen packten ihren Hausrat zusammen und zogen in ein anderes Stadtviertel. Durch den Herzog de Nemours ließen sie unterdessen der Königin-Mutter sagen, sie wunderten sich, dass dem Admiral ein solch naher Umgang mit ihrem Sohn gestattet werde. Sie gab zur Antwort, er sei ein alter Diener des Königs, und es sei kein Grund, ihn fernzuhalten; auch gefalle es dem König nun einmal so. Aber es sei für alle Platz genug, sie seien also auch eingeladen zu kommen. Doch geschah das nicht. Das Parlament schickte eine Abordnung um Fürbitte zum Connetable, dass er seines Neffen Sinn umstimme; ebenso taten der Bürgermeister und die Stadträte. Der König hatte im Sinn, vor das Parlament zu treten und den Admiral dabei mitzunehmen. Wir werden bald hören, welchen Ausgang dieses Vorgehen genommen hat, auf das die Unsern große Hoffnung setzten. Es wurden am Hof noch erwartet der Prinz de St.-Porcien und der Herzog de Bouillon, der Sohn de la Marches und Urenkel jenes bekannten Robert, die beide erbitterte Feinde der Guisen sind. Der Kanzler, der auf unsrer Seite steht, fasst jetzt wieder Mut nach seiner bisherigen Furchtsamkeit. Der König sollte unter dem Vorwand eines Besuchs bei seiner Schwester, die kürzlich niedergekommen ist, von seiner Mutter nach Lothringen geschleppt werden, und diese Athalia war so hartnäckig darauf versessen, dass aller Widerstand umsonst war. Jetzt soll aber auch dieser Reiseplan geändert worden sein.

Die allgemeine Stimmung neigt zum Friedensschluss mit England. Damit brächen dann alle Ränke des Kardinals von Lothringen zusammen. Der dem Namen nach mündige König wird ganz von fremdem Einfluss beherrscht, und das geradezu sklavisch. Hätte er etwas Wagemut, er stünde uns gar nicht fern. Welche Frechheit in der Unterdrückung der Unsern bei allen Justizbeamten herrscht, kannst du kaum glauben. So werden denn Unschuldige jämmerlich geplagt, und die Frechheit wächst, da sie straflos bleibt. In Orleans ist wenigstens eins nach Wunsch gegangen: die Besatzung ist von dort und andern Orten zurückgezogen worden. So will ich dich bei Zeiten erinnern, Euren Nachbarn, die bald heimkommen werden, eine Wegzehrung rüsten zu lassen.

Nun komme ich zu einer überaus ernsten Sache, und ich möchte, du lenktest darauf deine Aufmerksamkeit und deinen Eifer. Du weißt, es steht nun der Zeitpunkt der Erneuerung des [französisch-]schweizerischen Bündnisses bevor. Wenn nun Euer Rat dazu zu bringen wäre, eine Allianz mit dem König zu schließen, so hätte das den einen Vorteil, dass dadurch das Evangelium in Frankreich gefestigt würde. Ich weiß nicht, ob du von der Verschwörung seiner Feinde gehört hast. Sie meinen, durch die Ausschreibung eines Nationalkonzils leicht und rasch alle evangelischen Kirchen über den Haufen werfen zu können, weil sie dann alles nach ihrem Gutdünken beschließen und auch gleich ausführen könnten. Unterdessen rüstet sich der Papst im Bund mit Spanien, Venedig, den italienischen Fürsten und Savoyen zur völligen Vernichtung Genfs und der Ausrottung unser aller. Die Guten fürchten nun, wenn man dem nicht Einhalt tue, so sei die Königin-Mutter nur allzu geneigt, dieser Partei zu helfen. Das beste und fast einzige Mittel dagegen wäre, wenn die evangelischen Orte der Eidgenossenschaft ein Bündnis mit Frankreich schlössen, in dem die Schonung der evangelischen Kirchen Frankreichs und ihrer Freiheit ausbedungen wäre. Zu erreichen wäre das ohne Schwierigkeit. Wenn Euer Rat darin voranginge, so schlössen sich ihm auch die drei andern evangelischen Orte an. Und nicht nur für Frankreich und für uns [in Genf] wäre es ein Vorteil, wenn der König verpflichtet würde, die evangelischen Kirchen in ihrem jetzigen Zustand zu sichern, sondern auch für Euch wäre es das allerbeste, um Eure [katholischen] Nachbarn im Zaum zu halten; denn deren Übermut würde dadurch gebrochen, und der Sturm müsste sich legen. Ich beschwöre dich also, verehrter Bruder, bei Gott und aller Gläubigen Seligkeit, vergiss die vielen Bedenken, die sich dagegen erheben könnten, und gib dir Mühe, dieses Bündnis zustande zu bringen, das allein das Evangelium in Frankreich heil und unversehrt erhalten und den Ränken der Bösen das Tor sperren kann. Du siehst, wie ganz einfach ich davon mit dir rede; was du von der Sache hältst, möchte ich sehr gern wissen. Das eine wage ich frei heraus zu sagen: weigert sich Eure Obrigkeit, so ist sie wirklich vor Gott und Menschen eines Verbrechens schuldig. Doch ist es vielleicht gar nicht nötig, besonders darauf zu dringen, wenn sie einsehen, nicht nur, welch heilige Pflicht es ist, die bedrohten Kirchen von aller Furcht zu befreien, sondern auch, wie sehr es in ihrem eigenen Interesse ist, den König zum Schutz des Evangeliums so zu verpflichten, dass er sich dieser Aufgabe nicht entledigen kann. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Grüße alle deine Kollegen angelegentlich von mir, wie auch meine Kollegen Euch grüßen lassen. Der Herr sei mit dir; er helfe dir mit seiner Kraft und erhalte dich noch lange gesund.

Genf, 2. Dezember 1563.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Kaspar Olevianus in Heidelberg (751)

Nr. 751 (C. R. – 4051)

Über die Krankenkommunion.

Als du mich schon vor längerer Zeit um meine Meinung über die Krankenkommunion fragtest, bester Bruder, erhieltest du keine Antwort, weil ich dich weit auf Reisen glaubte. So kams, dass ich Crispin keinen Brief mitgab. Jetzt, da ich neulich meinen letzten Brief schon versiegelt hatte, fällts mir ein, dass ich diese Hauptsache vergessen habe. Ich weiß, die Sache ist strittig, weil die Gründe dafür und dawider nicht fehlen. Ich habe nun nicht vor, diese Gründe eingehend zu erörtern, schon weil mir dazu die Zeit nicht reicht. Aber aus der Art, dem Zweck und dem rechten Gebrauch des Sakramentes glaube ich doch ganz richtig den Schluss ziehen zu dürfen, dass man die eines solchen Gutes nicht berauben darf, die an einer langwierigen Krankheit leiden oder in Lebensgefahr sind. Es dient zur Glaubensstärkung, gleichsam ein Unterpfand aus Christi Hand zu empfangen, das uns dessen gewiss macht, dass wir zu seinem Leib gehören und durch sein Fleisch und Blut gespeist werden zur Hoffnung des ewigen Lebens. So wappnet uns der Empfang des Abendmahls für die geistigen Kämpfe, wie wir zu bestehen haben. Wenn nun ein frommer Mensch sieht, dass er aus dieser Welt abscheiden muss, so kanns nicht anders sein, als dass er von mancher Versuchung bestürmt und geängstigt wird, und so wird er denn mit Recht wünschen, sich zu rüsten, dass er den Kampf bestehe. Darf man ihm nun dieses ganz einzigartige Hilfsmittel rauben, das sein Vertrauen so stärkt, dass er freudig in den Kampf geht und den Sieg erringt? Schon einen seit langer Zeit bettlägerigen und dem Tode nahen Kranken daran zu hindern, dass er seine fromme Übereinstimmung mit der Kirche bekenne und bezeuge, ist hart und gibt ein böses Beispiel, und nun ist ja gerade das Abendmahl das Sinnbild der heiligen Einheit der Kinder Gottes. Obwohl ich nun die Sache nur kurz angedeutet habe, so siehst du doch schon, welche Gründe mich zu der Ansicht gebracht haben, man sollte die Kranken nicht von der Kommunion abhalten. Doch möchte ich deswegen keine Unruhe stiften. Du weißt, in der Genfer Kirche herrscht ein anderer Brauch; ich gebe mich damit zufrieden, weil ich es nicht für gut halte, darüber zu streiten. Die Theologen, die die Austeilung der Krankenkommunion nicht als dem Gebot Christi entsprechend erachten, wenden ein, das heilige Mahl sei gestiftet worden, damit die Gläubigen dabei gemeinsam gespeist würden, und ich gebe die Wahrheit dieses Satzes gerne zu. Aber obschon eine richtige Abendmahlsfeier nicht sein kann ohne Gemeinschaft, so ist doch die Krankenkommunion noch nicht als eine Verunstaltung anzusehen, weil sie nicht eine eigentliche Privatfeier sein wird. Denn sie ist tatsächlich nur ein Teil oder Anhang der öffentlichen Feier. Auch schließt Paulus das Abendmahl nicht aus Privathäusern aus, wenn er die Korinther mahnend fragt: Habt Ihr aber nicht Häuser, da Ihr essen und trinken möget [1. Kor. 11, 22]? Denn damals standen den Gläubigen noch keine Tempel offen, noch durften sie je einen bauen. Sondern Paulus will dadurch nur das geistliche Sakramentsmahl von den gewöhnlichen Mahlzeiten unterscheiden, damit es nicht mit ihnen verwechselt werde. Übrigens das gebe ich zu, man muss sich bei der Krankenkommunion recht in acht nehmen, dass nicht der Aberglaube sich einschleiche und die Hoffnung auf Seligkeit an das äußerliche Sinnbild geheftet werde; auch dass kein Ehrgeiz dabei im Spiel sei oder unangebrachte Neugier sich darin geltend mache. So möchte ich, dass das Abendmahl bei Kranken nur selten und mit Auswahl, und ja nicht ohne genaue Kenntnis der Sachlage gefeiert werde. Damit auch die Feier sich nicht von der Einsetzung Christi entferne oder nur im Geringsten abweiche, so möchte ich sie nur im Kreise von Gläubigen und nicht ohne Ansprache und Liturgie wie bei der öffentlichen Feier gehalten wissen. Die Torheit mancher Pfarrer, die das Abendmahlsbrot wie ein Schaugericht in feierlichem Aufzug zu den Kranken tragen, hat bewirkt, dass fromme Leute sich daran als an einem unerträglichen Ärgernis stießen; also auch dieser Übelstand wäre abzustellen. Ich persönlich übe gerne Nachsicht mit der Furcht derer, die meinen, zur Verhütung von Gefahr solle man lieber von einer solchen nicht durchaus notwendigen Feier absehen; nur sollen sie dann auch ihrerseits zugeben, dass ich nicht unbedacht anderer Meinung bin. Lebwohl, bester, trefflichster Bruder. Grüße die Freunde. Der Herr behüte Euch alle, rüste Euch aus mit unüberwindlicher Kraft und leite, was Ihr plant und erstrebt, mit seinem Geiste.

Genf, 1. Dezember 1563.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Christoph Threcius in Marburg.

Nr. 750 (C. R. – 4050)

Threcius, (vgl. 719, 724) der sich auf der Heimreise nach Polen an verschiedenen Orten aufhielt, hatte Calvin um eine neue Schrift gegen die polnischen Antitrinitarier und Stancaro gebeten. Andreas Hyperius war Professor der Theologie in Marburg.

Über Calvins literarische Arbeiten und Pläne.

Wenn meine Mahnschrift deinen Landsleuten genützt hat, trefflicher Mann und verehrter Bruder, so danke ich Gott dafür, dass er das bisschen Arbeit, das ich darauf verwandte, nicht ohne Frucht bleiben ließ. Es verdrösse mich auch nicht, mehr Mühe auf die Behandlung dieses Stoffes zu verwenden, wenn ich dazu Zeit hätte. Aber seit deiner Abreise von Genf hatte ich stets mit allerlei Krankheiten zu schaffen, so dass ich nicht einmal meinen gewöhnlichen Aufgaben genügend nachkommen konnte. Auch wenn ich mich davon wieder mehr erholte, so habe ich doch jetzt genug anderes unter den Händen, das mir nicht erlaubt, meine Kraft der Bekämpfung dieser beiden ungeheuerlichen Irrlehren zu widmen. Meinen Kommentar zu den fünf Büchern Mose habe ich ins Französische zu übersetzen begonnen, nicht nur, um allen meinen Landsleuten die Lektüre dieses Werkes zu ermöglichen, sondern auch, weil das sonst nicht üble Werk doch noch voll unzähliger Fehler steckte und deshalb einer reinigenden Durchsicht bedurfte. Dann haben mich meine Brüder aufgefordert, auch das Buch Josua auszulegen, und obwohl ich mich unmöglichster Kürze befliss, bin ich doch bisher nicht weiter gediehen als bis zum dritten Kapitel. Auch von anderer Seite stellt man dringende Anforderungen an mich, so dass ich es nicht wage, dir etwas zu versprechen. Findet sich einmal bessere Gelegenheit, so will ich sie nicht unbenützt lassen. Mich allzu sehr mit Arbeit zu überlasten, ist auch nicht gut. Dass du so eifrig für dein Vaterland besorgt bist, ist ja ein lobenswerter Eifer; aber bedenke, dass doch auch unser Frankreich an manchem Übel krankt, dem man rechtzeitig begegnen muss. Freilich an Joinvilliers liegts nicht, wenn ich dir den Gefallen nicht tue; denn er dringt energisch darauf und lässt nicht nach, bis sich einmal eine günstige Gelegenheit bietet. Habe ich dann wieder Kraft, so will ich ja auch gerne meine Pflicht tun. Aber gegenwärtig ist meine körperliche und geistige Kraft so gebrochen, dass ich meinen Eifer nicht auf neue Arbeiten richten kann. Dass du im Sinn hast, den Winter über bei Herrn Hyperius zu bleiben, ist, – das muss ich sagen, – klug, denn einen angenehmeren Aufenthalt fändest du nicht. Denn abgesehen von der außerordentlichen Frömmigkeit und Gelehrsamkeit, die aus seinen Schriften klar hervorgeht, soll er auch ein liebenswürdiger Mensch von ganz lauterem Gemüte sein. Aber die Verzögerung deiner Rückkehr in die Heimat gefällt mir doch nicht; denn ich verstehe nicht, was dieses Zaudern und Müßiggehen soll, da du doch andere so sehr antreibst, deinem Volke hilfreiche Hand zu bieten. Doch ich rede umsonst davon, denn bis du diesen Brief erhältst, ist ja der Winter schon fast vorbei. Lebwohl, hochberühmter Mann, von Herzen verehrter Bruder. Der Herr leite dich stets mit seinem Geiste, halte dich aufrecht mit seiner Kraft und behüte dich unter dem Schutze seiner Hand.

Genf, 30. November 1563.
Dein
Johannes Calvin.