Supplikation der Leipheimer um einen evangelischen Prediger

An den Rat von Ulm
Freitag vor Okuli, 1528

Fürsichtig, Ersam, hochweis gebietend vnd günstig Herren! E. F. W. bitten wir nachernaunnt in aller Unterthänigkeit unser christenlich geenwirtig Anbringen und Anmmuten unverdriesslich zu vernehmen. NAchdem Gott, unser himmlischer Vater, sein Wort zu diesen Zeiten an allen Orten lässt verkündigen und Christum unsern Heiland gnädiglich anbieten, welcher wir eine zeitlang her durch unsere grosse Missethat und Verschuldung sein beraubt gewesen, nun aber verhoffen, wir haben die grösste Strafe und Plage von Gott eingenommen und habe sein Zorn abgewendet als wir denn sein Gnad und göttliche Barmherzigkeit an E.-F. Wsh. offenlich spüren und sehen. Dieweil dann E. F. Wsh. uns ungehorsamen und unverdienten wiederum begnadet und mit dem zeitlichen, als mit unserm Stadtrecht, Gericht, Wochenmarkt und was uns notwendig zu Leib, Ehre und Gut ist, begabet haben, also wolle Gott, der barmherzige Vater, uns Elenden und Betrübten zu seinen Gnaden ziehen und empfahen und wiederum mit seinem heil. Wort begnaden, welches uns das Allernotdürftigste ist. Und dieweil anfänglichs sein Reich Gerechtigkeit, Lob und Ehre gesucht werden soll, darumb wölle E. F. Wsh. auch ermessen den grossen Hunger und Durst an göttlichem Wort allhie bei uns. Deshalben wir zu E. F. Wsh. in Getreuen und Glauben kommen wie uns angezeigt durch den heiligen Mathäum am siebenten Kapitel, der da spricht: was ihr werdet bitten, werdet ihr empfahen, und wer da suchet, der findet und wer da anklopfet, dem wird aufgethan. Ist menach an Ew. F. Wsh. unsern gebietenden und günstigen Herren als Liebhaber derselben Lehr und Worts Gottes in aller Unterthänigkeit unser Bitt und Begehr, die wollen uns auch ein gottesfürchtigen, gelehrten Lehrer und Prediger der Lehr und Worts Christi unsers Seligmachers geben, damit kein Sekt, Spaltung oder Zank unter uns entstehe noch erwache, sondern das heilig würdig Evangelium in uns gepflanzt und aufgerichtet werde.

E. F. Wsh.
unterthänige arme mit Namen und hienach geschrieben
(folgen 46 Unterschriften)


Beiträge zur Bayerischen Kirchengeschichte
herausgegeben von D. Theodor Kolde
ord. Professor der Kirchengeschichte an der Universität Erlangen
4. Band.
Erlangen 1898
Verlag von Fr. Junge.