Melanchthon, Philipp – An den Churfürsten Joachim von Brandenburg (1539)

Gottes Gnad durch unsern Herrn Jesum Christum zuvor.

Wiewohl E. C. F. G. ohn Zweifel mancherlei Kreuz und Anfechtungen von wegen des h. Evangelii haben, so wissen doch E. C. F. G. aus Gottes Wort diesen hohen Trost, daß unser Herr Christus mit E. C. F. G. als einem christlichen Glied sein will, wie er spricht: Ich will euch nicht Waisen lassen. Wir sind seine Waisen, bei denen und in denen er seine Macht und Gegenwärtigkeit erzeigen will wider den Teufel, wie Johannes spricht: Christus ist gekommen, daß er die Werke des Teufels zerstöre. Dieses kann man in sonstem Leben nicht lernen oder glauben. Nu muß es doch mit Glauben gelernt werden, sollen wir Christen sein. Und von diesem hohen ernsten Kampf wissen die Widersacher wenig, die viel von ihren Werken rühmen.

Zum Andern, wie köstlich ists, daß E. C. F. G. nicht auf der andern Seiten stehen, die unserm Herrn Christo sein Gliedmaß mit Unrecht ermorden. Und ist nicht Zweifel, dieselbige Wütherei wird ein greulich Ende nehmen.

Zum Dritten ist ganz unläugbar, daß viel heilsamer Lehr in unser Kirchen durch Gottes Gnad offenbart, dafür man Gott Dankbarkeit schuldig ist. So will er ihm auch damit gedient haben, daß man seine Lehr ausbreite, ihn recht anrufe, und falsche abgöttische Cultus abthue, wie Christus spricht Johannis 15: „Damit wird der Vater geehret, so ihr viel Frucht bringet, und meine Jünger werdet.“ Ebenso Joh. 12: „Wer mich verachtet, und nimmt mein Wort nicht an, der hat schon, der ihn richtet.“

Daß aber die großen Potentaten sich dagegen setzen, davon sind wir zuvor verwarnt, daß in der Kirchen ein Reich sein werde, das rechte Lehre verfolgen und die Heiligen ermorden werde, wie Daniel klar anzeiget. Man sieht auch, daß die Feinde Christi verblendet und heidnisch seind, und noch keiner Reformation gedenken, spotten aller treuen wohlgemeinten Mittel, wie ich vielfältig erfahren. Darum zweifle ich ganz nicht, unser Herr Christus werde uns als seine wahrhaftige Kirche erhalten, obgleich Strafen kommen werden, die etliche mitnehmen. Unser Herr Christus stärk und tröste E. C. F. G. und bewahre sie für des Teufels Grimm und Tücken und für allem Aergerniß. Denn wahrlich wir streiten nicht allein mit Fleisch und Blut, darum wolle sich unser Herr Christus bei E. C. F. G. erzeigen als ein treuer Heiland wider den Teufel.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Kükenbieter, Joachim – An Johann Garthen

1539

Er Jochim Kukenbiter an ern Johan garthen pharhern in sant peters kirchen zu Hamburg.

Gnad vnnd frid in Christo. Nachdem du bei mir schrifftlich anregunge thuest, dir anzuzeigen die namhen etzlicher rottengeystern, So sich in ewer Stadt, auch in andere Stedte heymlich eindringen, So wolte ich dir in dem warlich gern wylfharen, wen sie vmb vormerckens wyllen nicht allein ir kleydinge sunder auch yre namhen vorandertten, aber ich bin willens nach endinge disser phinxtfeiertage dich zu besuchen vnd deutlicher mit dir daruon zu reden; ych werde auch bericht von er bernardt, das er dir etzliche derselben angezeigt; es haben sich etzliche, so vmb irer falschen lehr vnd opinion willen etwan von hinnen vortryben, von Rostock aus hirher geschriben vnd sich beworben um dye Sweriner, so hier noch vorhanden, dass sie sich nach rostock vorfügen wolten; es ist darneben die sage, das einer, der Vbbe genannt, von dem sie sich Vbbiter nennen, welchen se vor yren bischoff achten, zu Rostock wanafftich sein solle; dyeselben, wewol se von der oberkeit etzwas halten vnd nicht auffrurisch sein, dennoch haben se unzelliche vnd erschreckliche opinion von der tauffe, von der Menschwerdunge Christi, von dem abendmahl des Herrn etc. vnd sein vnser lutterischen lare spinfeindt, aber vbbe ist ein frysische Nhame, des bruder, mitt dem wir vor zwien iaren gedisputiert haben, yst einer vol vberglaubens vnd aus der Franciscaner hauffen, verfuret das folck mit seiner heucheley. Kurtzumb alle die aus dem nidderlandt, sunderlich hollandt kumen, sein vns vordechtich etc.

Er gerdt hat mich aus bevhel hertzo Heinrich zu Mecklenburg vor einen prediger beruffen, vnd bin entlich willens vmb den Sant Johanstag von hinnenn mich zu erheben, de vrsachen werde ich dir in meiner zukunfft anzeigen.

Zeitschrift für Kirchengeschichte
in Verbindung mit D. W. Hass, D. H. Reuther und D. A. Ritschl
herausgegeben von
D. Theodor Brieger
VI. Band
Gotha,
Friedrich Andreas Perthes
1884

Luther, Martin – An Dorothea, die Ehefrau B. Mackenrot’s in Roßla, seine Schwester

2. December 1539

Frauen Dorotheen, Herrn Balthasar Mackenrotes, Fürstl. Bedienten zu Roßla, geliebten Eheweibe zu überantworten.

Liebe Schwester! Ich habe aus deinem an mich abgelassenen Schreiben gesehen, wie eure hoch bekümmerte Gewissen sich ganz inniglich sehnen nach denen evangelischen Trost-Predigten, und daß doch auch einmal dieselben in euren Kirchen zu Roßla ihr hören möchtet; darüber höchlich ich erfreuet worden bin, auch mich nunmehr mit Gott resolvirt, annahenden heil. Christ-Abend bei euch, verleihet Gott anders Gesundheit und Leben, gewiß zu sein und die erste evangelische Predigt zu Roßla und Ober-Roßla selbst mit Gottes Hülfe anzutreten und zum Andenken zu verrichten. Grüße deinen Mann und das kleine Töchterlein Margarethigen, dem ich was mitbringen will, und seid Gott befohlen. Geben Eißleben den 2. Decembr., Anno 1539.

Martinus Luther, D,

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefe an Frauen als Pfingstgabe für die deutsche protestantische Frauenwelt. zusammengestellt von Dr. K. Zimmermann Darmstadt Buchdruckerei von Heinrich Brill 1854

Churfürst Johann Friedrich an Luther

Willigt ein, dass M. Thesander an Major’s Stelle zum Herzog v. Liegnitz gesandt werde

Vnsern grus zuuorn, erwirdiger vnd hochgelarter, lieber andechtiger. Vnß ist Euer antwurt vf jungst vnser an Euch gethanes schreiben belangende des herczogen von der Liegnitz suchung vnd biet vmb magister Jorg Maior zu Wittenberg zukommen, welchs wir inhalts sambt eingefurtem Euerm bedencken, weshalben gemelten Jorg Maior fuglich nit zuentraten, gelesen vnd dasselbe von Euch zu gnedigem gefallen vornomen. So es nun mit magister Jorgen die gelegenheit hat, dass er von vnser vniueristet zu Wittemberg, welchs halben wir dann, dass ime daruon erlaubt solt werden, hieuor auch bedencken gehabt, nit zuurlauben will sein, lassen wir vns gefallen, dass an sein stad magister Marthinus Thesander, vnserm oheimen von der Lignitz vf seiner lieb ferer schreiben, so dieselbe an Euch thun wirdet,, zugeschickt werde. Wollen vns demnach zu Euch gnediglich vorsehen, Ir werdet mit genanten Thesander doruf gehandelt vnd geschlossen haben. Wie wir dann auch hiemit begeren, dass Ir ine vf ferrer des herczogen schreiben wie gemelt seiner lieb, der wir es auch also zugeschrieben haben, zufertigen wollet. Doran geschiet vns zu gutem gefallen vnd seint Euch mit gnaden genaigt. Datum Gotha, Montags nach Presentationis Marie 1539.

 

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefwechsel
Herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt
Leipzig
Verlag von F. C. W. Vogel
1866

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Der erwähnte Brief Luthers datiert vom 14. Oktober 1539. Weggelassen sind politische Nachrichten unwichtigen Inhalts. Dr. Bugenhagen, genannt Pommer, war Luthers Freund.

Von Luthers Freundlichkeit.

– – Krafft, einer unserer Buchdrucker, kam neulich von Wittenberg zurück und brachte einen Brief Luthers an Butzer mit, in dem stand: Grüße mir Sturm und Calvin ehrerbietig; ich habe ihre Büchlein mit großem Vergnügen gelesen. Nun erinnere dich an das, was ich dort vom Abendmahl sage und bedenke Luthers Aufrichtigkeit. Leicht ists jetzt zu sehen, wie wenig Grund die haben, die sich so hartnäckig von ihm fernhalten. Philippus aber schrieb: Luther und Pommer lassen Calvin und Sturm grüßen. Calvin ist sehr in Gunst gekommen. Ferner ließ Philippus durch den Boten erzählen, man habe, um Luther aufzuhetzen, ihm gezeigt, wie scharf er samt den Seinen von mir getadelt werde. Er habe also die Stelle näher angesehen und gemerkt, dass sie ohne Zweifel auf ihn gehe. Schließlich habe er gesagt: Ich hoffe, er wird einmal besser von uns denken; es ist nur billig, dass wir von einem so tüchtigen Geist einmal etwas hinnehmen. Wenn uns nun solche Mäßigung nicht überwände, wir müssten wahrlich von Stein sein. Ich bin überwunden. So habe ich etwas geschrieben, das ihm Genugtuung leistet; das soll ins Vorwort zum Römerbrief eingerückt werden. Wenn du noch nicht gelesen hast, was Philippus über die Autorität der Kirche schreibt, so lies es, bitte. Du wirst ihn da viel mutiger sehen, als er in seinen andern Schriften schien. Capito, Butzer, Sturm, Hedio, Bedrot und Andere grüßen freundlich. Grüße auch alle Brüder, bitte, gar sehr. Leb wohl, bester Bruder.

Straßburg, 20. November.
Dein Calvin.

Luther, Martin – An Johann Mandel.

Den 11. November 1539

Gnade und Friede in Christo. Ihr habt nun etliche Mal, mein lieber Herr Johann, durch eure Mittler bei mir ansuchen lassen, daß ich euch ein Brieflein sendete, daraus ihr möchtet Trost und Erquickung in eurer langwierigen Krankheit empfahen. Aber ich denke und fühle, daß mir viel nöthiger wäre, ein Brieflein von euch an mich geschrieben, dadurch mein Geist erquickt würde, der von vielfältigen Aengsten und Trübsalen angefochten und geplagt ist. Bitte derhalben mit rechtem Ernst, ihr wollet immer fortfahren, meiner zu gedenken in eurem brünstigen Gebete, das aus rechtem Glauben herfließt, wie auch wir euer gedenken. Daß ihr aber klaget über Anfechtung und Traurigkeit des Todes halben, so wisset ihr aus unsrem Glauben, daß der Sohn Gottes gestorben ist, auch daß er durch seinen Tod dem Tode Aller, die an ihn glauben, die Macht nähme. Lieber, was Großes ist’s, daß wir sterben, so wir recht bedenken, daß er, der liebe Herr, gestorben, und für uns gestorben ist. Sein Tod ist der rechte, einzige Tod, der unser Herz, Sinne und Gedanken so einnehmen und erfüllen sollte, daß uns nicht anders zu Sinne wäre, denn, als lebte nun nichts mehr, auch die liebe Sonne nicht, sondern wäre alles mit dem lieben Herrn gestorben; doch, also, daß, wie er, alles wieder auferstehen soll an jenem seligen Tage. In diesen seinen Tod und Leben soll unser Tod und Leben sinken, als deren, die mit ihm ewig leben sollen. Und zwar, er ist uns vorangegangen mit seinem Tode, von Anfang der Welt; wartet auch auf uns bis an der Welt Ende, auf daß er uns, wenn wir aus diesem kurzen, elenden Leben scheiden, empfahe und in sein ewig Reich aufnehme. Aber ihr wisset euch das alles besser und stärker zu erinnern aus der Schrift, denn ich Betrübter und Wohlgeplagter, nicht mit einerlei Tod umgehen, in dieser trübseligen Zeit. Grüßet euer Weib und Kinder in ungefärbter Liebe und seid stark, getrost und unverzagt in dem Herrn, welcher nun nahe ist.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’S Verlag.) 1862

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Antoine Calvin, der Bruder des Reformators, war von Beruf Kaufmann. Weggelassen sind einige politische Nachrichten.

Mehreres vom Streit mit Caroli. Nachrichten aller Art.

Verzeih, teuerster Bruder, dass ich dir seit dem stürmischen Brief nichts geschrieben, den die noch frische Bitterkeit nach meinem erstem heißen Zorn mir abgepresst hatte. Ich weiß nicht mehr genau, was ich geschrieben habe. Nur das weiß ich, dass ich mich nicht recht im Zaum hielt, weil es in meinem Schmerz mein einziger Trost war, mit dir zu hadern, weil du mir durch deine allzu große Nachgiebigkeit solche Not bereitet hast. Nun entschuldigst du dich in einer langen Abbitte wegen dessen, was ich dir vorwarf. Denn wenn du auch zu verteidigen suchst, was du getan hast, so liegt doch der Hauptton deiner Verteidigung auf der Abbitte. Sieh also künftig zu, dass du nur so viel Milde brauchst, dass dadurch nicht ein ungünstiges Vorurteil für Andere entsteht. Nichts von dem, was du in deinem Briefe aufzählst, ließ ich weg, als man mich reden hieß. Denn alle Taten Carolis habe ich genau durchgenommen, die er in Genf, in Lausanne und in Frankreich auch nach seinem Abgang [aus der Schweiz] verübt hat. Aber er wurde nach mir vorgelassen und, nach Belieben hat er Einiges ganz entkräften, Anderes wenigstens viel kleiner erscheinen lassen, wieder Anderes, indem er uns verklagte, von sich abwälzen können. Mich ihm gegenüberzustellen, wagten sie nicht, damit ich nicht übermäßig erbittert werde. Seine Antworten milderten sie entweder oder verschwiegen sie mir ganz. So trieb man in der ganzen Verhandlung ein Spiel mit mir. Da ich das von Anfang an voraussah, hatte ich gleich bezeugt, ich wolle gar nicht dabei sein, weder verwerfend noch billigend. Denn um nichts anderes handelte es sich [von vornherein], als dass Einer nicht von uns weg gewiesen würde, den du schon aufgenommen habest. Du sagst, du seist doch nicht die Kirche. Aber wer sollte denken, dass du ihn anders als aus der Meinung der ganzen Kirche heraus empfehlest? Leugne, wenn du kannst, dass du in einem Brief Eure Versöhnung kundgetan hast. Aus dem, was du von dir schriebst, schloss man mit Recht auf die ganze Kirche, da alle dachten, dass du nie von ihrer Meinung abweichen werdest. So blieb ich ganz allein in der Opposition. Es machte mir dann besonders allen Einfluss unmöglich, dass es Caroli gelang, bei den Unsern den Anschein zu wecken, er habe einiges Recht gehabt, den Streit um die Dreieinigkeit [mit uns] anzufachen. Darin unterstützte ihn Capito nicht wenig, da er dem Butzer sagte, damals habe er von dir einen Brief erhalten mit dem Geständnis, du weichest in der Frage [von der Dreieinigkeit] von den Andern ab, oder irgend so etwas; ich weiß nicht mehr was. Denn Butzer hat es mir nicht deutlich gesagt. Der Bekenntnisse wegen quälten mich Alle ganz wunderlich. Das und Ähnliches taten sie, um Caroli nicht ihrer Barmherzigkeit für ganz unwert halten zu müssen. Unter welchen Bedingungen er aufgenommen worden ist, siehst du aus dem Protokoll. Was ich dort versprochen habe, will ich standhaft halten, wenn nur er selbst auch Treue hält. Wenns geschieht, dass er uns betrügt, bin ich frei. Denn ich habe mein Wort nur unter dieser Bedingung gegeben.

Gegen Alexandre le Bel bin ich vorzüglich gerüstet, so dass ich ihn, wenn er kommt, nach Verdienst empfangen kann. In der Sache wird mein Wort dann auch mehr Gewicht haben, weils da nicht scheint, als handle ich nur in eigner Angelegenheit. Vernimm ein bezeichnendes Beispiel seiner Unverschämtheit! Er wagte es einmal, in unser Haus zu kommen, um sich mir irgendwie aufzudrängen. Als ich zufällig in die Küche hinunterging, traf ich ihn dort bei den Dienstboten. Er grüßte mich recht auffällig und wollte zu reden anfangen. Ich würdigte ihn aber keines Grußes, nicht einmal eines Blickes; sondern rief nur Einen her und befahl ihm, den Mann hinauszuweisen. Unser Haus stehe Leuten, die aus der Kirche Gottes getilgt seien, nicht offen. Seitdem wagte er nicht mehr, sich mir zu zeigen. Er soll nur kommen, ungerüstet findet er mich nicht. Du wirst lachen, wenn du hörst, wie Caroli in einer Vorlesung Butzers dran gekommen ist. Butzer behandelte die Stelle von der Steinigung falscher Propheten. Um zu definieren, was ein falscher Prophet sei, sagte er, das sei nicht Einer, der Etwas neben Gottes Wort lehre, sondern der Sätze aufstelle, die dem Wort widerstritten. Als Beispiel fügte er bei, es gebe Leute, die einen Ort erfänden zur Läuterung der abgeschiedenen Seelen; das sei eine unrichtige Lehre, aber deswegen dürften wir Einen nicht verdammen; wenigstens, wenn er sie nur so vortrage, dass er es im Ungewissen lasse. Wer aber sage, man könne den Verstorbenen durch Gebete helfen, den müsse man nicht nur als eitel, sondern als unfromm verurteilen. Bei diesem Worte schaute er bald mich an, bald richtete er seinen Blick auf Caroli. Jetzt, da wir mit ihm verhandelt haben, müssen wir uns bemühen, dass er sich über unsere Standhaftigkeit oder Ehrlichkeit nicht mir Recht beklagen kann. Ich möchte doch einmal wissen, wie geschickt er sich bei de Rognac benimmt. Er gibt mir auch Anlass, dir einmal über den Stand der Dinge in der Kirche von Metz zu antworten. Caroli ging nämlich dorthin und suchte Gelegenheit zum Predigen zu erhalten. Sofort war der [bischöfliche] Offizial da und ließ ihn vor sich führen. Man weiß nicht, was mit ihm verhandelt wurde, nur dass er sich bald darauf wieder [von Metz] entfernte. Ungefähr vierzehn Tage vorher hatte ich meinen Bruder dorthin gesandt. Er arbeitete bei einem tüchtigen und ganz rechtschaffenen Mann. Sein Benehmen war bescheiden. Sobald man aber von ihm erfuhr, befahl man seinem Meister, ihn zu entlassen. Der weigerte sich, das zu tun. Da kehrten sie ihre Wut gegen meinen Bruder und hießen ihn innert sieben Tagen die Stadt verlassen. Er antwortete, es sei ungerecht und ein unverschämtes Vorgehen, über einen unschuldigen Menschen so zu beschließen, ohne ihn überhaupt gehört zu haben. Er wandte sich an die Obrigkeit, bat um eine Audienz. Man schlug sie ihm ab. Er appellierte an den obersten Gerichtsherrn und seinen Beirat, der aus dem Adel besteht. Er reichte, wie es Sitte ist, eine Bittschrift ein, aber es nützte nichts. Und nicht ihn allein behandelten sie so, sondern beschlossen, es solle kein Auswärtiger mehr in der Stadt geduldet werden, auf den irgendein Verdacht falle. Du merkst, dass dort bald dem Evangelium, wenigstens für die Gegenwart, das Tor verschlossen ist. Wir müssen also auf bessere Gelegenheit hoffen, nach der ich stets Verlangen trage.

– – – Die Übersetzung meines Briefes an Sadolet konnte ich nicht ganz vergleichen. Denn die Arbeit forderte einen ganzen Tag. Ich habe sie angesehen, um nach einer Stichprobe ein Urteil fällen zu können. Sie missfällt mir nicht. Doch möchte ich nicht, dass sie veröffentlicht würde ohne Verbesserung. Denn ich habe irgendwo doch noch einen Irrtum gefunden. Ich fürchte aber, wenn Antoine noch aufgehalten wird, so kommt ihm du Pinet mit seiner Übersetzung zuvor, der damit doch jetzt vielleicht allmählich bis zur Hälfte gekommen ist. Ich habe nämlich nicht den dritten Teil der Zeit zur Abfassung der Schrift gebraucht, die verflossen ist, seit er mir anzeigte, er habe mit der Übersetzung begonnen. Ich denke auf Zureden Michels. Der Stadtschreiber von Payerne hat einen seiner Brüder hier. Dafür erzieht er tauschweise den Sohn des Mannes, dem er seinen Bruder anvertraut hat. Es ist der Hausherr Gaspards, ein guter wackerer Mann. Seine Frau ist nun sehr in Angst, da sie von ihrem Sohn nichts hört. Sorge also, dass man bald schreibt, wie es ihm geht. Alle grüßen dich freundlichst, Capito, Butzer, Sturm und Bedrot; auch unsere Leute, Claude, Gaspard, Briton, die Schüler Claudes, Jacques und sein Kamerad, Enard und unser ganzes Haus, wo gegenwärtig auch mein Bruder ist. Diesen Brief behältst du besser bei dir, als ihn weit zu verbreiten.

Straßburg, 27. Oktober 1539.
Dein Calvin.

[Nachträge in den Briefecken und auf dem Umschlag.]

Grüße mir alle Brüder freundlich, auch deinen Kollegen, Thomas und die Andern. Ich konnte jetzt an Michel nicht schreiben. Bitte, lass ihn wissen, er soll mir mit dem nächsten Boten berichten, was mit dem Psalmbüchlein geschehen ist. Ich hatte hier Auftrag gegeben, 100 Exemplare nach Genf zu schicken. Jetzt erst höre ich, dass das nicht besorgt wurde. Gewiss hat er es in seiner Nachlässigkeit wieder hinausgeschoben, mir Bericht zu geben.

Das Protokoll konnte ich jetzt nicht bekommen, du wirst es nächstens erhalten.

[Französisch]: Durch Alexandre lassen sie mir sagen, Sie hätten für mich fromme Wünsche Luthers, von denen Sie sonst nichts erwähnten. Bitte, melden Sie, was es damit auf sich hat.

Calvin, Jean – An Simon Grynäus in Basel.

Dedikationsbrief des Kommentars zum Römerbrief, den Calvin dem Grynäus wohl als Dank für die in Basel erfahrene Gastfreundschaft widmete.

Vom Prinzip der exegetischen Arbeit.

Ich erinnere mich, dass, als wir vor drei Jahren einmal vertraulich über die beste Art der Schrifterklärung miteinander sprachen, die Weise, die dir am meisten gefiel, auch mir besser als alle andern vorkam. Denn wir beide fanden, die vornehmste Tugend eines Auslegers sei durchsichtige Knappheit. Und gewiss, wenn es fast seine einzige Pflicht ist, den Gedanken des Schriftstellers, den er erklären will, wirklich deutlich zu machen, so ist jedes Ablenken des Lesers von diesem Gedanken auch ein Abweichen von seiner, des Auslegers, Absicht oder Abschweifen von seinem Gebiete. So wünschen wir beide, es möchte unter der Zahl der Gelehrten, die sich heutzutage bestreben, die Theologie auf diesem Gebiet zu fördern, einen geben, dessen Ziel die Leichtverständlichkeit wäre, und der zugleich sich Mühe gäbe, die Studierenden nicht mit zu weitschweifigen Erklärungen übers Maß in Anspruch zu nehmen. Obgleich ich nun weiß, dass nicht Alle diese Meinung haben, und dass auch diese Gegner aus guten Gründen zu ihrem Urteil gekommen sind, so bin ich doch von meiner Vorliebe für kurze Kompendien nicht abzubringen. Da nun aber die angeborene Verschiedenheit der menschlichen Geistesart es mit sich bringt, dass dem Einen dies, dem Andern jenes besser zusagt, so darf jeder gewiss seine eigene Meinung haben, nur soll er nicht alle Andern seiner Ansicht unterwerfen wollen. So kommts dann, dass wir, denen die Kürze besser gefällt, die Arbeit der Männer nicht verschmähen oder verachten, die in ihrer Erklärung der heiligen Schrift ausführlicher und weitschweifiger sind, und dass sie ihrerseits uns ertragen, auch wenn sie uns für kurz und knapp halten. Ich konnte mir nun den Versuch nicht versagen, ob hier meine Arbeit der Kirche Gottes wohl auch Nutzen bringen könne. Freilich habe ich nicht das Zutrauen, unser damaliges Ideal erreicht zu haben, noch machte ich mir überhaupt beim Beginn der Arbeit Hoffnung, es zu erreichen. Doch versuchte ich, so zu schreiben, dass man sehen könne, ich halte wenigstens mein Vorbild im Auge. Wie weit es mir gelungen ist, darüber steht mir das Urteil nicht zu, und ich überlasse dir und deinesgleichen, es abzuschätzen. Dass ich aber den gefährlichen Versuch gerade an diesem Briefe des Paulus wagte, wird mich wohl dem Tadel mancher Leute aussetzen. Denn da schon so viele hervorragende Gelehrte sich früher mit seiner Erklärung beschäftigten, scheint es unglaublich, dass auch Andere noch etwas Besseres beibringen können. Ich muss gestehen, wenn ich mir auch von meiner Arbeit einigen Nutzen versprach, so hat doch anfänglich die Überlegung mich auch abgeschreckt, ich könnte in den Ruf der Unverschämtheit kommen, wenn ich nach der Arbeit so vortrefflicher Arbeiter auch noch Hand anlegen wolle. Es existieren zu diesem Brief viele Kommentare der Alten, viele von neuern Gelehrten. Sicher konnten sie ihren Fleiß nirgends besser anwenden; denn wer diesen Brief versteht, dem ist der Zugang offen zum Verständnis der ganzen heiligen Schrift. Von den Alten will ich schweigen: ihre Gewissenhaftigkeit, Gelehrsamkeit, Heiligkeit und zuletzt ihr Alter verleihen ihnen solches Ansehen, dass wir nichts, was sie vorbringen, verachten dürfen. Aber auch die heute Lebenden mit Namen aufzuzählen, hat keinen Wert. Über die, die besonders Vorzügliches geleistet haben, will ich meine Meinung sagen. Philipp Melanchthon hat, entsprechend seinem außerordentlichen Wissen, seinem Fleiß und seiner Gewandtheit, die ihn auf jedem Arbeitsgebiet auszeichnen, vor allen Andern, die vor ihm an die Öffentlichkeit traten, sehr viel Licht auf den Stoff geworfen. Da es aber augenscheinlich sein Vorsatz war, nur zu behandeln, was in erster Linie beachtenswert ist, so hat er, während er dabei verweilt, absichtlich Vieles übergangen, was den Geist der Mehrzahl der Leser etwas ermüden würde. Auf ihn folgt Bullinger, der auch mit vollem Recht viel Lob errungen hat. Denn mit Gelehrsamkeit verbindet er Leichtverständlichkeit, in der er sich sehr bewährt hat. Butzer hat schließlich durch Veröffentlichung seiner Studien gleichsam den Schlussstein gesetzt. Dieser Mann, der, wie du weißt, an tiefer Bildung und reicher Kenntnis verschiedener Wissenszweige, an durchdringenden Geist, großer Belesenheit und vielen anderen Tugenden heutzutage kaum von irgendjemand übertroffen wird, mit ganz Wenigen zu vergleichen ist, die Meisten weit überragt, verdient vor allem das als sein eigenstes Lob, dass keiner, soweit man sich besinnen kann, mit sorgfältigerem Fleiß sich mit Schriftauslegung befasst hat. Mit solchen Männer in Wettbewerb treten zu wollen, das wäre, ich muss es gestehen, zuviel unrechter Ehrgeiz, und ist mir nie in den Sinn gekommen, ebenso wenig, ihnen nur ein bisschen von ihrem Ruhme nehmen zu wollen. Unangetastet bleibe die Gunst und das Ansehen, die sie nach dem Geständnis aller tüchtigen Leute verdient haben. Nur das wird mir hoffentlich zugegeben werden, dass nichts Menschliches so vollkommen ist, dass nicht auch dem Fleiß der Spätern etwas übrig bliebe, sei es auszuarbeiten, sei es zu schmücken oder zu erläutern. Von mir wage ich nichts Anderes zu sagen, als dass ich glaubte, ganz unnütz werde die Arbeit nicht sein, zu der mich wirklich nichts Anderes veranlasst, als das Bestreben, dem Allgemeinwohl der Kirche zu dienen. Deshalb hoffte ich, dass mich bei meiner ganz andern Schreibart der Vorwurf des Ehrgeizes nicht treffe, wie ich anfänglich fürchten musste. Denn Melanchthon hat sein Ziel erreicht, die wichtigsten Kapitel zu erklären. Damit vor Allem beschäftigt, hat er Manches bei Seite gelassen, was auch nicht vernachlässigt werden darf, und wollte Andere nicht hindern, auch das zu behandeln. Butzer ist zu ausführlich, als dass ihn auch Solche, die von andern Aufgaben in Beschlag genommen sind, rasch lesen könnten, und zu hoch, als dass einfache und nicht sehr aufmerksame Leute ihn leicht verstehen könnten. Denn was er auch behandeln wollte, so bot sich ihm auch der unglaublichen Reichhaltigkeit seines Geistes solche Fülle von Stoff dar, dass er die Hand unmöglich davon lassen konnte. Da also der Eine nicht Alles durchnimmt, der Andere es zu ausführlich durchnimmt, als dass man es in kurzer Zeit lesen kann, so kommts mir vor, habe mein Vorhaben den Schein ehrgeiziger Konkurrenz nicht. Freilich fragte ich mich eine Zeitlang, ob es nicht besser wäre, nur eine Art Nachlese nach ihnen und andern zu halten, um das zu sammeln, was ich glaubte, auch mit mittelmäßiger Begabung erreichen zu können, als einen fortlaufenden Kommentar zu schreiben, in dem notwendig Vieles wiederholt werden muss, was sie Alle oder wenigstens Einzelne von ihnen schon gesagt haben. Da sie aber unter sich nicht selten verschiedener Meinung sind, und das weniger scharfsinnigen Lesern viel Schwierigkeit macht, weil sie nicht wissen, welcher Meinung sie nun zustimmen sollen, glaubte ich, ich dürfe mich die Arbeit nicht reuen lassen, durch den Hinweis auf die beste Auslegung die schwierige Aufgabe der Entscheidung denen zu erleichtern, die nicht fest genug sind in ihrem selbständigem Urteil. Besonders da ich mir vornahm, Alles so zusammengefasst anzuführen, dass die Leser ohne großen Zeitverlust bei mir lesen könnten, was in den Werken der Andern enthalten ist. Kurz, ich gab mir Mühe, dass sich Niemand beklagen könne, es finde sich viel Überflüssiges in meinem Buch. Vom Nutzen will ich nicht reden. Doch werden vielleicht Leute, die mir nicht übel wollen, nach dem Lesen gestehen, dass sie mehr Nutzen davon gehabt haben, als ich jetzt in Worten bescheiden zu versprechen wage. Dass ich zuweilen von den Andern abweiche, oder doch sicher etwas verschiedener Auffassung bin, darin darf ich wohl für entschuldigt gelten. Zwar muss das Wort Gottes bei uns in solchem Ansehen stehen, dass möglichst wenig daran auseinander gezerrt wird durch verschiedene Auslegung. Denn dadurch wird seiner Majestät immer in gewisser Weise Abbruch getan. Besonders wenn es nicht in großer Vorsicht in der Wahl und mit großer Nüchternheit geschieht. Ja wie es für Sünde gilt, etwas Gottgeweihtes zu beschmutzen, so ist gewiss Einer, der die allerheiligste Sache auf Erden mit unreinen oder auch mit nicht richtig vorbereiteten Händen antastet, unerträglich. So ist es auch eine Kühnheit, die an Heiligtumsschändung grenzt, die Schrift hierhin, dorthin zu wenden, und wie an einem Spielzeug seinen Spaß daran zu haben, wie es von Alters her von Vielen geschehen. Aber man muss doch auch immer darauf achten, dass selbst die Leute, denen weder frommer Eifer, noch Gewissenhaftigkeit und Nüchternheit zur Behandlung der göttlichen Geheimnisse fehlten, nicht immer unter sich einer Meinung waren. Denn solcher Wohltat hat Gott seine Knechte nie gewürdigt, dass er Einem von ihnen volle und vollkommene Einsicht in allen Dingen verliehen hätte. Und das ohne Zweifel deshalb, weil er uns erstens in der Demut, zweitens in gemeinschaftlichem, brüderlichem Streben festhalten will. Da wir deshalb in diesem Leben nicht hoffen dürfen, was freilich sehr zu wünschen wäre, dass es einmal im Verständnis aller Schriftstellen eine bleibende Übereinstimmung unter uns gäbe, so müssen wir uns Mühe geben, nicht von Neuerungssucht uns reizen zu lassen, nicht uns treiben zu lassen von der Lust scharfer Polemik, uns von keiner Gehässigkeit aufstacheln, von keinem Ehrgeiz kitzeln zu lassen, sondern wirklich nur der Notwendigkeit gehorchend, und in keiner anderen Absicht als zu nützen, von der Meinung früherer Ausleger abzuweichen. Ferner soll das wohl in der Schriftauslegung so sein, in der Dogmatik aber, wo Gott vor allem wünscht, dass die Seinen übereinstimmen, soll diese Freiheit weniger in Anspruch genommen werden. Dass das Beides mein Bestreben war, werden die Leser leicht merken. Da es mir aber nicht ziemt, über mich selbst ein Urteil zu fällen und auszusprechen, so überlasse ich dir gern die Prüfung. Weil alle mit Recht deinem Urteil sehr viel zutrauen, so muss auch ich ihm nicht wenig zutrauen. Dabei muss man wissen, dass ich dich aus freundschaftlichem Umgang wohl kenne. Das lässt Andere im Ansehen leicht etwas sinken, deines aber, das auch sonst bei allen Gelehrten berühmt ist, gewinnt dadurch beträchtlich.

Lebe wohl.
Straßburg, 18. Oktober 1539.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Caroli hatte sich, um einem Berner Haftbefehl zu entgehen, nach Straßburg gewendet und die dortigen Pfarrer um die Wiederaufnahme in die evangelische Kirche gebeten. Es nahmen an den Verhandlungen teil: Capito, Butzer, Hedio, Matthias Zell, Jakob Bedrot, Sturm und sehr wider Willen Calvin. Der erwähnte Claude d´Aliod war ein Antitrinitarier, der trotz mehrfacher vorheriger Verurteilung in schweizerischen und deutschen Kirchen von der Lausanner Synode im Pfarramt aufgenommen war. Über Alexandre Le Bel vgl. 31. Cordier, Calvins ehemaliger Lehrer, lebte in Neuchatel.

Zusammenstoß mit Caroli in Straßburg.

Obwohl sich mir dieser Tage plötzlich neuer Stoff zum Schreiben bot, wollte ich doch nicht anfangen, ehe die Angelegenheit mit Caroli zu einem bestimmten Abschluss gekommen sei, deren Behandlung die Unsern aufhielt, mir aber heftige Sorge und Angst machte. Es schien Butzer nicht gut, dass ich den Verhandlungen beiwohne, bis eine gewisse Hoffnung auf Einigung zustande käme, oder doch eine Wendung nach dieser oder jener Seite eintrete. Ohne Schwierigkeit gab ich dazu die Erlaubnis, damit ich nicht zu scharf spreche, wodurch nur noch größere Verwirrung entstünde. Er selbst scheint das Gleiche gewünscht zu haben, um freier gegen uns reden zu können. Soviel ich vernehmen konnte, begann man mit der Lehre. Sie fragten nämlich den Caroli, ob er in dem Glauben, den wir verkündigen, etwas [anders] wünsche. Er brachte nun über einzelne Punkte das vor, was ordnungsgemäß wiedergegeben ist in dem Protokoll, das nachher verfasst und durch unsere Unterschrift gebilligt wurde. Dann kamen sie auf seinen Abfall zu sprechen, was das Spannende an der Verhandlung war. Er suchte ihn auf alle Art zu entschuldigen. Er prahlte nämlich, er habe anfänglich eine ganz gerechte Sache gegen uns unternommen, denn er sei nicht gleich zur Anklage geschritten, sondern habe ganz freundschaftlich von uns die Unterschrift zu den drei [alten kirchlichen] Bekenntnissen verlangt; wir aber hätten uns nicht nur geweigert, sondern auch diese Symbole, die immer, von allen Frommen einmütig angenommen, feste Geltung in der Kirche gehabt hätten, mit lachendem Spott hergenommen. Die Unsern erwiderten, das sei aber doch für ihn kein Grund gewesen, zu den Papisten abzufallen. Dann tadelten sie ihn sehr scharf und mahnten ihn zur Buße. Darauf wurde ich gerufen und antwortete auf seine Vorwürfe. Zuerst erzählte ich die ganze Geschichte von Anfang an, wie sie gewesen war. Etwas schwieriger wars, uns zu rechtfertigen wegen der Bekenntnisse. Denn das klang hässlich, dass wir das verworfen hätten, was doch außer allem Streit sehen musste, weil es durch manchen Entscheid der ganzen Kirche angenommen ist. Zwar war sein Vorwurf leicht damit zu entkräften, wir hätten sie sie nicht von uns gewiesen, viel weniger noch missbilligt, sondern bloß deshalb die Unterschrift verweigert, damit Caroli nicht, wie er beabsichtigte, sich als den unserm Amte Vorgesetzten aufspielen könne; aber etwas von übler Nachrede blieb doch zurück. Besonders aber stimmte das die Andern ihm günstig, dass kurz vor seiner Intrigue gegen uns Claude ins Pfarramt aufgenommen worden war, der doch offenkundig von vielen Kirchen öfters mit vollem Recht verurteilt worden war. Also, wenn ich nachwies, wie boshaft er gehandelt, so konnte ich doch das nicht erreichen, dass er keinen Grund zum Angriff auf uns gehabt zu haben schien. Dann sollte ich mich rechtfertigen wegen meiner Äußerung über die Wortspielerei des nicänischen Bekenntnisses. Ich bewies ohne Mühe, dass es das sei. Doch gab ich zu, ich hätte nichts gesagt, wenn mich nicht die Bosheit Carolis dazu genötigt hätte. Wollte ich aber Alles berichten, es würde einen Band füllen. Denn ich habe den ganzen Verlauf unseres Streites von neuem dargestellt und so geordnet dargestellt, dass leicht ersichtlich wurde, dass das Übel nicht von uns ausgegangen ist. Nie habe ich deutlicher gemerkt, wie sehr uns unsere Freunde in Bern, die du kennst, mit ihren Berichten angeschwärzt hatten. Niemand von den Unsern zweifelte an unserer Schuldlosigkeit, aber alle quälten sie mich der Bekenntnisse wegen, weil wir nicht hatten unterschreiben wollen, da doch keine Gefahr dabei gewesen sei, und es uns von bösem Verdacht hätte befreien können. Einstimmig missbilligten sie unsere Weigerung. Das Alles in Abwesenheit des Caroli. Butzer forderte mich darum auf, Alles aufzuzählen, worin Caroli gefehlt hätte. Das wollte ich nicht; denn er hätte bei Allem ein Mittel gefunden, zu entwischen, oder das Vergehen klein erscheinen zu lassen. Da ich also sah, dass auf diese Weise doch nichts zu erreichen sei, schützte ich vor, ich wolle keine Anklage gegen ihn erheben; es genüge mir, wenn er freiwillig bekenne, gesündigt zu haben. Weil ich aber voraussah, dass der Ausgang der Sache mir unangenehm sein werde, drang ich auf nichts mehr, als dass sie ohne mich weiter verhandelten. Ich wolle nichts hindern, nur sollten sie mich nicht zwingen, zuzustimmen. Weil sie aber das schon für ein Hindern ansahen, wollten sie es nicht zugeben. Es wurden also Artikel aufgesetzt, in denen er selbst sich Einiges verbat, was dann auch auf seinen Wunsch hin gestrichen wurde. Diese Artikel wurden dann spät nachts mir zugestellt. Als ich sie las, erschreckte mich eine Stelle so, dass ich mich nicht erinnere, in diesem ganzen Jahr einmal betrübter gewesen zu sein. Früh morgens ließ ich Sturm zu mir rufen. Ich klagte ihm meinen Schmerz. Er berichtete Butzer. Da bestellten sie mich zu bestimmter Stunde ins Haus des Matthias Zell, um darzutun, was mich bedrücke. Dort fiel ich in schwere Sünde; denn ich konnte nicht Maß halten. Die Galle hatte sich meiner Stimmung so bemächtigt, dass ich von Bitterkeit überfloss nach allen Seiten hin. Ja selbst wenn ich mich auch gemäßigt hätte, ein gewisser Grund zur Entrüstung wäre doch da gewesen. Ich warf ihnen vor, dass sie mir, während Caroli fast ungetadelt davon komme, die Artikel unterbreitet hätten, nur um die Sache rasch zu Ende zu bringen, dass sie sie gutgeheißen hätten, ohne mich auch gehört zu haben, dass sie nach getanem Urteilsspruch jetzt meine Unterschrift wollten, und ich, wenn ich mich weigern wollte, sie nun zu meinen Gegnern haben müsse. An der Sache selbst ärgerte mich vor allem, dass Caroli sagte, die Beleidigungen, die ihn zum Abfall getrieben hätten, stelle er dem Herrn anheim, und das tue er deshalb, weil das andere Leute angehe. Ich schloss mit den Worten: Das ist mein Entschluss, lieber sterben als unterschreiben. Da war man nun auf beiden Seiten so erhitzt, dass ich gegen Caroli selbst nicht bitterer hätte werden können, wenn er da gewesen wäre. Schließlich stürzte ich aus dem Zimmer. Butzer geht mir nach, besänftigt mich durch sein Zureden und führt mich zu den Andern zurück. Ich sagte, ich wolle mirs noch weiter überlegen, bevor ich endgültig antworte. Als ich nach Hause kam, packte mich ein sonderbarer Anfall. Ich konnte keinen Trost finden, als in Seufzen und Weinen. Es quälte mich umso mehr, als du die Ursache all meines Unglücks warst. Denn immer wieder rückten sie mir deine Sanftmut auf, wie mild du gleich Caroli aufgenommen habest. Ich sei doch so hartköpfig, dass ich mich durch dein Vorbild nicht auch dazu bewegen lasse. Butzer spielte alle möglichen Rollen, meinen harten Sinn zu erweichen, aber dein Beispiel hielt er mir dabei immer wieder in gehässiger Weise vor. Und du kannst dabei wirklich deine Gedankenlosigkeit oder allzu große Bereitwilligkeit nicht entschuldigen. Ja, um offen zu reden, mehr Ernst und Beharrlichkeit und Maß hätte man mit Recht von dir erwarten dürfen. Die guten Brüder drangen in dich, ihn in Gnaden aufzunehmen. Da gabst du nicht nur nach, sondern fielest geradezu darauf herein. Bald drauf merkst du deinen Fehler. Es reut dich. Ja, du hättest ihn wieder aufnehmen können ohne Reue, wenn du nur dabei nicht alles Maß überschritten hättest. Klar ists also, dass es mir einen gewissen Trost bieten musste, dich anzuklagen der Schuld wegen, die mir nun so großen Ärger machte. Hätte ich dich vor mir gehabt und mit dir reden können, ich hätte das ganze Unwetter auf dich losgelassen, das sich nun über andere ergossen hat. Nachdem ich mich etwas erholt hatte, ließ ich Jakob Bedrot zu mir kommen. Ich erforschte von ihm, was man mit Caroli verhandelt habe. Er berichtete einiges, das mich wieder sehr aufregte. Ich verlangte nun, dass der Satz gestrichen werde, in dem Caroli die Schuld seines Abfalls auf andere schiebt, und dass die Bedingungen, unter denen Ihr ihn in Bonneville in Gnaden aufnahmt, genannt und bestätigt würden. Ich hätte etwas Besseres erreicht, wenn du mich nicht gehindert hättest. Schreibe es also dir selbst zu, wenn etwas daran böse ist. Erstens, dass du die Versöhnung nicht mit der nötigen Besonnenheit maßvoll vornahmst, d. h. dass du ihn nicht ohne feierliche Bezeugung seiner Schuld und Reue hättest aufnehmen sollen. Zweitens, dass du mir nicht alles, was geschehen war, genau geschrieben hast. Ich hoffe, dass das Schriftstück, wie es nun ist, dir erträglich ist; mich hat es viel gekostet. Es bleibt uns jetzt nur noch übrig, da wir ihn einmal in Gnaden aufgenommen haben, beständig in solcher Gesinnung gegen ihn zu bleiben. Denn da wir ihn nicht weg weisen durften, müssen wir ihn wenigstens mit allem Eifer bei uns festhalten. Das kann aber nicht anders geschehen, als wenn du alle deine Freunde davon abhältst, hochmütig gegen ihn zu sein. Das Schriftstück wird dir gesandt werden, sobald es abgeschrieben ist. Er ist darin fest verpflichtet, nicht wieder etwas Neues anzustellen. Nur bewahret Ihr ihm nun auch die Freundlichkeit, die Ihr allzu früh ihm erwiesen habt. Doch ich will das und anderes weiter behandeln, wenn das Schriftstück gesandt wird. Jetzt wollte ich dir nur in kurzem andeuten, welches Ende die Sache nahm.

Jetzt ist Caroli zu Herrn de Rognac gereist; in welcher Absicht erfuhr ich nicht, wohl nur, um eine Zuflucht zu suchen, bis er bei Euch eine Tätigkeit findet. Mit ihm gereist ist Alexandre; zur Entschuldigung sagte er, er habe ihn nach Barbarins Rat als Begleiter genommen. Du hast aber keinen Grund, ihn für dich oder für uns zu fürchten. Denn wir sind hier nicht so gar bereitwillig, Leute aufzunehmen, die aus ihrer Kirche ausgeschlossen sind. Nämlich auch er wünschte, angehört zu werden, aber man hatte keine Zeit. Wenn er es auf der Rückreise wieder wünscht, bin ich nicht dagegen, dass er gehört wird. Melde mir noch vorher seine ganze Geschichte, damit man ihn nach Verdienst empfangen kann.

Auf deinen Brief will ich bald antworten. Denn jetzt hat mich ein schwerer Schnupfen befallen, der mich nicht weiter schreiben lässt. Der Überbringer dieses Briefes wurde uns von Herrn de Rognac empfohlen, dem zu lieb wir ihm hier eine Stellung zu verschaffen suchten; aber wir fanden nichts. Von allen Handwerken hätte er am meisten Lust zur Buchbinderkunst. Jetzt reist er dahin, wo man alles probieren kann. Ich wünsche, er sei dir empfohlen und hoffe für ihn das Beste. De Rognac ist es wert, dass man ihm das und noch mehr zu lieb tut. Alle grüßen dich freundlich, vor allem Capito, Butzer, Sturm, Bedrot, Claude, Gaspard, Jacques und sein Begleiter, Enard und alle Franzosen. Weil ich weiß, dass du genügend an meine Bitterkeit gewöhnt bist, so schreibe ich keine Entschuldigung, dass ich mit dir zu unhöflich umgesprungen bin. Grüße mir alle Brüder, vor allem Cordier und Chaponneau und Thomas. Mit dem Sadolet-Brief tue, was dir gut scheint, aber schreib mir, was du getan hast. Cordier tut mir einen großen Gefallen, wenn er mir die Psalmen [in Versen], die er abgeschrieben hat, verschafft.

8. Okt. Straßburg.
Dein Calvin.

Luther an Lazarus Spengler

Gnad vnd friede yn Christo. Den abschied zu Augspurg, mein lieber herr vnd freund, welchen Ir m. Vito yn schriften angezeigt, hat mir mein gn. herr hertzog Ernst von Luneburg mundlich vnd schriftlich offenbart. Ich meyne je, das heist welt weisheit, da greife man zu, da vnser Christus von yhm verdampt dennoch so mächtig ist, daß er nicht allein wasser, sondern auch narren regenen lassen kann. Vnd wie solt oder kund es auch anders geraten, wo man wider gottis offentliche weisheit vbet, denn daß sie gott schenden vnd spotten mus, wie der 2 ps (psalm) singet. Aber damit kein ende, sie mussen das folgende verslein auch erfaren: loquetur ad eos in ira sua. Sie wollens also haben, fiat guod petitur. Wir sind entschuldigt vnd haben gnug gethan, sanguis eorum, sed super caput ipsorum.

Ich hab auch d. Wencelaw geschrieben für meinen guten alten mitbruder vnd klosterliing Er Martin Glaser, daß er bey Euch vnd andern wolt seine sache fordern. Bitte derhalben auch Ew. e. wollten yhn befolhen haben, denn ich weis nicht, wie es vmb yhn stehet, on daß er mir schreibet: er musse armuts halben das predigampt lassen, welches ich je nicht gerne sehe. Der barmhertzig gott sterk vnd laite Euch durch seinen geist vnd hilf vns dort frolich zusamen. Amen. Aus Coberg am ersten Octobris 1539.

Martinus Luther

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefwechsel
Herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt
Leipzig
Verlag von F. C. W. Vogel
1866