Luther, Martin – An Churfürst Johann Friedrich wg. Michael Kohlhase

Es schreien auch gnedigster herr, Ewr k. f. g. vnterthanen hie ym kurfurstenthum vmb rat vnd hulfe wider die vhede des Kohlhasen. Ich hette schier gesagt des kurfursten zu Brandenburg, wenn der herrliche name auf der personen nicht schwebte. Es ist nur das das ergeste, dass man yrre wird vnd das volck yn zweifel geret, ob freünd vnd feind mit einander vmb die mumschantzen. Darumb ist all yhr trost nehest gott E. k. f. g., der des lands herr vnd der leute vater von gott gesetzt ist, das hab ich so vngefehr E. k. f. g. mussen anzeigen vmb der manchfeltigen auch fehrlichen rede willen. Etliche machens geringe, etliche gros, vnd gehet also durcheinander, dass niemand weis, was oder wie man gleuben sol. So lebt der teufel vnd die welt ist yhrer art nach vol lisst vnd vntrew.

Dr. Martin Luthers Briefwechsel mit vielen unbekannten Briefen und unter vorzüglicher Berücksichtigung der De Wette’schen Ausgabe Herausgegeben von Dr. C.A.H. Burkhardt Grossherzogl. und Herzogl. Sächs. Archivar Leipzig Verlag von F. C. W. Vogel 1866

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Der nach seiner Verurteilung in Bern zum Katholizismus zurückgekehrte Pierre Caroli kam nach zwei Jahren wieder in die Schweiz, um sich den Reformierten wieder zu nähern. Farel Viret u. a. hatten eine Unterredung mit ihm in Bonneville (jetzt Neuveville) am Bielersee. Farel tadelte ihn, glaubte aber doch an die Ehrlichkeit seiner zweiten Bekehrung. –
Jacopo Sadoleto, Bischof von Carpentras, hatte die Genfer während Calvins Verbannung durch ein offenes Schreiben zur Rückkehr in die katholische Kirche zu bewegen gesucht.

Über Caroli. Die Wirksamkeit zu Gunsten der Evangelischen in Frankreich. Antwort an Sadolet.

Gestern während des Essens kam Henri. Ich stand gleich vom Tische auf, ging zu Butzer und las ihm deinen Brief vor; er machte ihm großen Spaß, besonders als er vernahm, dass du gar so sanft gegen Caroli bist. Er sagte, selbst er wäre kaum dazu zu bringen gewesen, ihn mit solcher Milde aufzunehmen. Kommt Caroli nach Basel, so läuft er Gefahr, selbst von Grynäus etwas unfreundlicher empfangen zu werden, weil Viret und Zebedee die Nachsicht des Grynäus tadelten und ihn, wie damals berichtet wurde, dem Caroli ungünstig stimmten. Uns allen ist diese deine Sanftmut ja sehr angenehm; denn für die Kirche kann sie ja nichts Böses bringen und wird das Herz der Bösen gar sehr rühren. Heute früh kamen diese beiden jungen Leute zu mir und veranlassten mich, rascher, aber dafür auch nur kurz, zu schreiben. In der Sache der Brüder [in Frankreich] taten wir, was unsere Pflicht war. Der Rat hat nach seiner frommen Art die Sache gerne auf sich genommen. Sobald die Verhandlung geschlossen war, habe ich dir darüber berichtet; aber ich sehe, dass mein Brief noch nicht angekommen war, als du schriebst. Der Bote, den sie an den Sachsen und den Landgrafen schickten, ist noch nicht zurück. Er wird aber jede Stunde erwartet. Butzer geht fast Tag für Tag zum Ratskanzler. Fürchte nichts, lieber Bruder; die Herzen sind hier nicht von Eisen. Weder der Rat, noch die Pfarrer werden es hindern, dass den frommen Brüdern Hilfe wird, soviel man ihnen in diesen Zeiten Hilfe bringen kann. Ich sehe, die Genfer werden noch in mancher Hinsicht unglücklich werden. Den Brief des Sadolet hat Sulzer hierher gebracht. Um eine Antwort glaubte ich mich nicht kümmern zu müssen, aber schließlich zwangen mich die Unsern dazu. Jetzt nimmt sie mich ganz in Beschlag. Ich brauche etwa sechs Tage zu der Arbeit. Mein Buch schicke ich dir, da ich deine Freundlichkeit noch nicht durch ein Gegengeschenk von meiner Seite vergolten habe. Lebwohl, allerliebster Bruder. Grüße alle unsere Brüder aufs Liebenswürdigste.

[August 1539]
Dein Calvin.

Luther und Melanchthon an den Rat zu Oschatz, 25.8.1539

Den Erbaren und weisen Herrn Burgermeistern und Rath zu Oschatz, unsern guten Freunden.

Gottes Gnad durch unsern Herrn Jesum Christum zuvor. Erbare, weise, gut Freunde. Auf Ewr Schrift fügen wir euch zu wissen, daß wir freundlicher guter Meinung bedenken, daß nicht nützlich sey, weiter bei dem würdigen Magister Antonio Musa anzusuchen, und ist solchs auch Euch zu gut bedacht, haben derhalben für gut angesehen, daß zu Ewr Kirchen und der Superintendentia beruft würde Er Johann, Diaconus zu Torgaw, der ein frummer, stiller, vernünftiger, wohlgelarter Mann ist, und haben nicht Zweifel, ewr Kirch sey mit ihm sehr wohl bestellt, derwegen er auch Schrift an Euch hat, daß Ihr ihn hören mögt, und darnach davon schließen. Was nun Ewr Gemüth seinethalben seyn wird, das werdet Ihr den Herrn Visitatoribus zuschreiben, und so wir euch hierin weiter dienen können, sind wir zu Fürderung Ewr Kirchen, Gott zu Lob, willig. Wollen Euch auch freundlich vermahnet haben, dieweil wir wissen, daß Ihr auch vor dieser Zeit Gottes Ehr gern gefürdert, Ihr wollet Euch die Kirchen und das heilig Evangelion lassen befohlen seyn, wie unser Herr Christus geboten hat, und dafür so hohe Gnaden und Belohnung zugesagt, wie er spricht: ihr habt mich gespeiset rc. Gott bewahr Euch, Datum Wittemberg 21. Augusti 1539.

Mart. Luther
Philippus Melanthon.

Bretschneider, Carolus Gottlieb
Corpus Reformatorum
Volumen IV.
Halis Saxonum
C. A. Schwetschke und Sohn
1837

Luther an Hans Schott, Pfleger zu Coburg

G. v. f. gestrenger, ernuhester, liber herr vnd freund. Auf Euer schreiben muß ich itzt die antwort sparen, dann wir alllhie vberladen sind auch mit kirchensagen in h. Henrichs furstenthum, dem ich auch zu schreiben habe, weil nur dann einer von Euern brief beigewest vnd der kiurtz nicht enden will. Indess wollet gedult haben, ich will antwort geben. Itzt got befolhen vnd imer dar. Montag nach Margaretha 1539.

Martinus Luther.

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefwechsel
Herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt
Leipzig
Verlag von F. C. W. Vogel
1866

Calvin, Jean – An seine Anhänger in Genf.

Calvins Partei wollte trotz der Versöhnung ihrer neuen Pfarrer mit den Reformatoren nichts von ihnen wissen; Saunier unterhandelte in Straßburg mit Calvin wegen der Abendmahlsgemeinschaft und seinem Pfarramt.

Von der Würde des Dienstes am Wort, die auch den jetzigen Pfarrern von Genf gebührt.

Die Barmherzigkeit unseres Gottes und die Gnade des Herrn Jesu Christi erweise sich Euch vielfach durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes.

Nichts hat mich, geliebteste Brüder, tiefer betrübt seit den Stürmen, die Eure Kirche so kläglich zerrissen und fast umstürzten, als da ich von Eurem Zank und Streit mit den Pfarrern, unsern Nachfolgern, hörte. Wenn das Unrichtige, das mit ihrem Amtsantritt verbunden war und auch jetzt noch darin liegt, Euch auch mit Recht ärgern könnte, so kann ich, es mag als Anlass vorliegen, was will, doch nicht ohne großen und mein Innerstes erschütternden Schrecken hören, dass immer noch eine Art Schisma in Eurer Kirche besteht. Deshalb war es mir schon schmerzlicher, als ich mit Worten sagen konnte, als ich von Eurem Streit hören musste, solange die Verhältnisse bei Euch noch unentschieden waren, da dadurch nicht allein Eure Kirche zerrissen wurde, ganz öffentlich, sondern auch das kirchliche Amt selbst der Schmach und Schande ausgesetzt, und das ist von allergrößter Bedeutung. Da ich nun jener Unordnung wegen, die auch jetzt noch in der Kirche Gottes herrscht, wenig Hoffnung auf eine Heilung des gegenwärtigen Krankheitszustandes hatte, erfuhr ich mit umso größerer Freude, der üble Zustand habe mit einer Art Vereinigung und Verständigung vertauscht werden können, und schloss daraus, es könne noch geschehen, dass alle wieder ins rechte Geleise kämen, und so das Reich unseres Herrn Jesu Christi gefördert werde. Denn wo Streit und Zwietracht ist, da ist kaum Hoffnung auf Fortschritte zum Bessern. Da ich mir also einen bestimmten Erfolg aus dieser Versöhnung versprach, war ich leicht dazu zu bewegen, zu ihrer Befestigung auch meinerseits behilflich zu sein. Denn wenn ich mitten in den schwersten Stürmen nach dem Urteil meines Gewissens und meinem bestimmten Vorsatz mich stets eifrig bemühte, Einigung in der Kirche zu erreichen und zu erhalten, so musste ich umso mehr meine Liebe für die Frommen zeigen, als sich dazu so gute Gelegenheit bot. Ich sah freilich damals Eure Verhältnisse für so verwirrt an, dass es mir gar nicht so leicht schien, sie wieder in Ordnung zu bringen und zu verbessern. Immerhin hielt ich jenen Anlass für die erwünschteste und günstigste, von Gott gebotene Gelegenheit zur Wiederherstellung Eurer Kirche. Jetzt aber höre ich, dass gegen meine Erwartung die Versöhnung Eurer Pfarrer mit den Nachbarkirchen, die Farel und ich für ganz gültig ansahen, noch nicht genügt hat, Euch durch das ehrliche Gefühl der Freundschaft und das Band gesetzmäßiger Zusammengehörigkeit mit Euren Pfarrern zu verbinden, denen doch Eure Seelsorge anvertraut ist. Daher sah ich mich genötigt, Euch zu schreiben, ich wolle nach Möglichkeit auf Heilung dieses Übels hinarbeiten, das ich nicht anders nennen könne, ohne schwere Sünde gegen Gott. Obwohl nun mein Brief von Euch damals nicht sehr liebenswürdig aufgenommen wurde, so wollte ich doch auch weiterhin meine Pflicht nicht versäumen, um, wenn ich nicht mehr erreichte, doch mein Gewissen zu entlasten. Auch ist mir nicht zweifelhaft, dass Ihr (ich habe es erfahren), geneigt seid, Gott und seinen Dienern zu gehorchen, so dass ich nicht fürchten muss, meine Mahnung habe für Euch gar kein Gewicht, und ebenso wenig ist mir Eure Treue gegen mich verborgen. Dass Ihr aber [bis jetzt] meinen Rat nicht angenommen habt, muss ich wohl mehr auf Rechnung der Zeitlage setzen, da die Verhältnisse zu verwirrt waren, als dass es leicht gewesen wäre, zu erkennen, was nützlich war. Jetzt da die Verhältnisse ruhiger und geordneter sind, traue ich Euch zu, Ihr werdet leicht einsehen, dass nichts anderes mein Vorsatz ist, als Euch wieder auf den rechten Weg zu führen. Dann könnt Ihr, mir vertrauend, an der Sache selbst zeigen, wie Euch die Liebe dazu führt, der Wahrheit zu gehorchen. Zuerst erwägt, bitte, absehend von aller Beurteilung der einzelnen Personen, wie der Herr die Leute, die er in seiner Kirche als Hirten und Diener am Wort einsetzt, mit Ehre angetan und was er ihnen verliehen hat. Denn nicht nur befiehlt er, wir müssten seinem Wort selbst, wenn es uns verkündet wird, mit Furcht und Zittern Gehorsam leisten, sondern er will, dass man auch die Diener am Wort ehre und hoch achte als geschmückt durch seinen Auftrag, ja er will sie anerkannt haben als seine Engel (Mal. 2, 7; 2. Kor. 5, 20; 1. Thess. 5, 13). Gewiss, solange wir bei Euch waren, haben wir nicht viel mit Euch disputiert über die Würde unseres Amtes, um nicht einem falschen Verdacht Tür und Tor zu öffnen; jetzt, wo ich außer dieser Gefahr stehe, kann ich frei heraus sagen, was ich meine. Hätte ich mit den Pfarrern zu reden, so würde ich ihnen zeigen, was ihres Amtes Sinn sei, und wozu sie Euch in ihrem Dienste verpflichtet seien. Da aber schließlich jeder, Pfarrer wie Laie, für sein eigenes Leben selbst wird Rechenschaft geben müssen, so ists besser, jeder schaue auf sich, was er Andern schuldet, als lange zu forschen, was ihm die Andern schuldig sind. Habt Ihr dieser Überlegung einmal Raum gegeben in Euch, so wird auch das als feste Regel bei Euch gelten, dass Ihr die im Amte stehenden Diener am Wort, solang die Sorge für Eure Seelen ihnen anvertraut ist, ansehen müsst wie Eure Väter, und sie wert halten und ehren um des Amtes willen, das sie an Euch verwalten nach der Berufung Gottes. Das zielt aber nicht dahin, als wollte ich Euch das Recht rauben, das Gott Euch wie all den Seinen gegeben hat, alle Pfarrer einer Prüfung zu unterwerfen, damit Gute und Böse unterschieden werden und die abgewehrt werden, die unter der Maske von Hirten sich als räuberische Wölfe zeigen. Nur das will ich, dass bei denen, die ihre Pflicht als Pfarrer so weit erfüllen, dass sie erträglich sind, auch Ihr Euch christlich aufführt und mehr in Rechnung zieht, was Ihr Andern schuldet, als was Andere Euch schulden. Das will ich offen und kurz erledigen. Zweierlei müsst Ihr dabei bedenken: erstens, dass die Berufung Eurer [jetzigen] Pfarrer auch nicht ohne Gottes Willen geschehen ist. Denn obgleich die Änderung, die durch unsern Weggang veranlasst wurde, den Ränken des Teufels zuzuschreiben ist, und deshalb alles, was daraus erfolgte, Euch mit Recht verdächtig sein könnte, so ist doch darin eine besondere Gnade des Herrn zu erkennen, dass er Euch nicht ganz zugrunde gehen ließ, noch zurücksinken unter das Joch des Antichrists, von dem er Euch einmal frei gemacht hat. Vielmehr wollte er, dass bei Euch die evangelische Lehre bestehen bleibe und bis heute eine Form der Kirche gelte, unter der man mit ruhigem Gewissen leben kann. Wir haben Euch immer gemahnt, den Umsturz Eurer Kirche anzusehen als eine Heimsuchung, die nötig war für Euch wie für uns, und nicht so sehr den Bösen und den Werkzeugen Satans anzurechnen, als vielmehr Euern eigenen Sünden, die keine leichtere Strafe, vielmehr eine noch viel schwerere verdient haben. Dasselbe rate ich Euch also auch jetzt. Denn ganz abgesehen davon, dass das ein ganz vorzügliches Heil- und Hilfsmittel ist, Barmherzigkeit zu erlangen vom Herrn und Befreiung von seinem gerechten Euch beschwerenden Urteil, so habt Ihr noch einen zweiten Grund, der Euch zu solchen Gedanken bringen sollte. Nämlich, es sollte nicht scheinen, als vergäßet Ihr die große Wohltat des Herrn an Euch, durch die es geschah, dass der Bau des Evangeliums bei Euch nicht ganz zusammenstürzte, da er ihn so unterstützte, dass man diesen Beweis seiner Macht wahrhaft für ein Wunder halten muss, durch das allein Ihr vor dem höchsten Unglück bewahrt bliebet. Was es auch sei, ein Werk der Vorsehung Gottes ist es gewiss, dass noch Pfarrer da sind, die das Seelsorgeramt und die Leitung Eurer Kirche innehaben. Dazu kommt noch, dass die Knechte Gottes, die den Dienst an seinem Wort in den Nachbarkirchen tun, zur Beschwichtigung Eures verderblichen Streitens selbst die Berufung [Eurer Pfarrer] anerkannten. Zu ihrer Meinung haben auch wir unsere Unterschrift gegeben, weil wir keinen besseren Weg sahen, für Euren Nutzen und Euer Heil zu sorgen. Dass Ihr unsere Ehrlichkeit aus Erfahrung kennt, glaube ich gewiss, so dass ihr feststellen musstet, dass wir das durchaus freiwillig und aufrichtig getan haben. Abgesehen von meiner Liebe [zu Euch], habe ich auch die Sache selbst ernstlich und offen geprüft, damit Ihr von mir da gar nichts Unklares denken könnt. Deshalb schaut ernstlich zu, dass Ihr nicht leichthin verwerft, was Gottes Knechte als notwendig zu Eurem und der Kirche Nutzen und Bewahrung erachteten. Zweitens müsst Ihr darauf sehen, ob sie gesetzmäßig ihr Amt verwalten, ihre Dienstpflicht der Gemeinde gegenüber zu erfüllen. Hier aber, das gebe ich zu, ist zu fordern, dass einfach abgelehnt wird (ich möchte nicht verursachen, dass irgendeine Tyrannei in der Kirche eingeführt werde), dass fromme Leute solche zu Pfarrern haben, die ihrem Beruf nicht nachkommen. Denn es ist eine unerträgliche Schande, wenn gewissen Leuten [als solchen] die Ehrfurcht und der Gehorsam entgegengebracht werden sollen, die der Herr selbst nur denen, die wirklich Diener seines Wortes sind, zuerkannt haben will. Das gebe ich ohne weiteres zu für jeden, der nicht das Wort unseres Herrn Jesu Christi predigt: er mag Titel oder Vorrecht beanspruchen, welche er will, unwürdig ist er, für einen Pfarrer zu gelten, unwürdig, dass man ihm den Gehorsam erweise, den man dem Dienst am Worte schuldig ist. Weil aber feststeht, dass von unsern Brüdern, die heute bei Euch im Dienste am Wort stehen, das Evangelium gepredigt wird, so sehe ich nicht ein, womit Ihr es vor Gott entschuldigen wollt, dass Ihr sie vernachlässigt oder verwerft. Antwortet etwa einer, dies und jenes in ihrer Lehre und ihrem Leben gefalle ihm nicht, so fordere ich zunächst von Euch durch unsern Herrn Jesum Christum, dass Ihr, was es auch sei, zuerst ernstlich überlegt, ohne Euer Urteil zu überstürzen. Denn wenn wir um der Liebe willen einer dem andern schuldig sind, nicht kühnlich ein Urteil über andere zu fällen, sondern, soviel wir können, mild und gerecht zu bleiben, um wie viel mehr müssen wir solche Mäßigung denen gegenüber beobachten, denen der Herr eine besonders hervorragende Stellung vor andern gegeben hat. Auch wenn genug wäre, was sie zu wünschen übrig ließen (ich kann darüber nicht reden, weil ich darüber nicht im Klaren bin), so muss Euch doch der Gedanke helfen, dass man keinen so vollkommen findet, an dem nicht noch vieles zu wünschen wäre. Deshalb kommen wir dem genannten Gebot der Liebe nicht nach, wenn wir unsere Nächsten nicht samt ihren Schwächen tragen, so wir nur Gottesfurcht an ihnen sehen und den ehrlichen Willen, nach der Wahrheit zu streben. Schließlich kann ich daran keinen Zweifel hegen (und das geht ihre Lehre an), dass sie Euch die Hauptartikel des christlichen Glaubens treulich verkünden, und was zum Heile nötig ist, und zugleich die Verwaltung der Sakramente des Herrn damit verbinden. Wo das stattfindet, da steht auch das eigentliche Wesen des vom Herrn Jesu Christo eingesetzten Amtes in Kraft und ist diesem Dienste auch die ihm gesetzmäßig gebührende Ehre zu geben und Gehorsam zu leisten. So bitte ich Euch nun, geliebteste Brüder, und mahne Euch im Namen und in der Vollmacht unseres Herrn Jesu Christi, lasst uns Sinn und Geist von den Menschen weg auf ihn, unsern einzigen Erlöser, richten und das bedenken, was wir schuldig sind, seinen heiligen Geboten darzubringen. Wenn er unter Euch etwas aufgerichtet hat, so muss das mit Recht unverletzt bleiben; kein Grund soll Euch von Eurer Pflicht abbringen, das Amt, das er Euch so ernstlich anempfiehlt, in gutem Stande zu halten.

Wenn Ihr aber mit Euern Pfarrern disputiert und streitet bis zu Händeleien und Schimpfreden, wie es geschehen sein soll, so ist sicher, dass dadurch ihr Dienst, in dem der Glorienschein unseres Herrn Jesu Christi leuchten sollte, dem Schimpf und der Schande ausgesetzt, ja fast mit Füßen getreten wird. Es ist deshalb Eure Pflicht, Euch sorgfältig zu hüten, dass Ihr nicht im Glauben, Menschen höhnen zu können, tatsächlich Gott selbst den Krieg erklärt. Und es darf Euch durchaus nicht unwichtig scheinen, ob in der Kirche Spaltungen und Sekten entstehen und gepflegt werden; ja kein Christenherz soll solches ohne Schrecken hören können. Dass solches aber wirklich der Fall ist, wo dergleichen Trennung ist und gleichsam ein Auseinandergehen von Pfarrer und Gemeinde stattfindet, das bezeugt Eure Lage selbst. Schließlich also vernehmt noch das. Wenn Ihr mich für Euern Bruder halten wollt, so sei unter Euch eine feste Verbindung, die auch diesen Namen verdient, dass Ihr nicht den Dienst verschmäht, den ich zu Eurem Nutzen und zum Wohl der Kirche anerkennen musste, ohne auf Gnade oder Ungnade der Menschen zu achten. Weil die ganze Zeit, da mein treuer und frommer Mitarbeiter im Herrn hier war, so weit meine gewöhnliche Beschäftigung es erlaubte, der Besprechung [Eurer Verhältnisse] gewidmet war, konnte ich Euch nicht ausführlicher schreiben, wie ich vorhatte. Es wurde deshalb unter uns abgemacht, ich solle Euch in kurzen Worten den rechten Weg anweisen, den Ihr hier gehen sollt, er aber, wie es ihm gut schiene, Euch persönlich an Eure Pflicht mahnen. Indem ich hier also meinen freundlichen Gruß an Euch beifüge, bitte ich den Herrn Jesus, er möge Euch mit seinem heiligen Schutze bewahren, Euch mit seinen Gaben mehr und mehr überhäufen, Eure Kirche wieder in den rechten Stand bringen, und vor allem Euch erfüllen mit dem Geist seiner Milde, damit wir Alle uns in wahrer Geistesgemeinschaft dem Fortschritt seines Reiches widmen können.

Straßburg, 25. Juni 1539.
Euer ganz ergebener
J. Calvin.

Luther an Bürgermeister und Rath zu Coburg

Betrifft eine Pfarrdifferenz

G. v. f. yn Christo, ersamen, weisen lieben herrn. Was Ir an Hans Schotten geschriben habt mit Ewren fromen pfarrher zum H. Creutz angericht, wisset Ir wol vnd seid dadurch zum schimpf komen bey vielen fromen leuten, dass Ir so vnfursichtig des guten mans schande so hinderwerts gesucht, vnd solt wissen, dass ich je erst ich kann, bjey vnserm g. herrn solchs nicht wil vergessen vnd dahin arbeiten, dass Ir vnd der Schott musset der sachen war machen. Villeicht drucken den Schotten seine alten sunden, dass er nach schanden ringen muss vnd sein lohn auch empfahen von gott, der sein hertz wol kennet. Wollet Ir, wie Euch mit m. Feselius versunen vnd abbitten, als christen geburt, ist gut, wo nicht, so lasst Euch Schotten vber gott gefallen, denn wo man so will mit predigern handeln, wird das land wust werden, so bereit zu wenig ym lande sind. Aber weiter dismal nicht, bis ich m. gsten. herrn bericht. Ist mit leid fur Euch, dass Ir Euch selbs yn die schande gefurt habt, vnd mussen mit Ewren hohn meister Feselius from machen. Gott gebe Euch hinfurt bessern versand, vnd hutet Euch ein ander mal fur bosen ratgebern. Solchs nempt von mir zur guten bruderlichen yn Christo warnung vnd seid demselben hiemit befolhen. Amen. Dinstags nach Viti 1539.

Martinus Luther D.

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefwechsel
Herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt
Leipzig
Verlag von F. C. W. Vogel
1866

Churfürst Johann Friedrich an Luther

Beauftragt Luthern zur Schlichtung der Streitigkeiten in Werdau.

Vnsern grus zuuor, erwirdigen vnd hochhgelarten, lieber andechtiger vnd getreuer. Was vns vnsere auch lieben getreuen, der rad zu Werdau ictzt abermals irs pfarners halben schreiben vnd mit zuschickung verhorter kunthschaften darauf vntherdeniglichen biethen thun, solchs findet Ir hierbey liegend zuuornhemen. Nun erfaren wir solche zwayung, die sich aldo zu Werdaw zwuschen demselben iren pfarner vnd dem maisten teil seiner pfarvorwandten zutregt gantz vngerne.

Besorgen auch, do dorein nit gesehen, es wurde daraus die lenge meher ergernus dann guts erfolgen. Wan wir aber solch ergernus yhe am liebsten vfgehaben vnd zwuschen dem pfarrer vnd eingepfarten ainigkeit seghen vnd wissen wolten, so begern wir gnediglichen, Ir wollet solchen handel lesen vnd mit vleis erwegen, was vns nach gelegenhait desselbten darauf zuthun sein wil, vnd do villeicht Euerm bedenken nach mit dem pfarner anderung solte gemacht vnd ein ander an sein stat dahin verordent werden, dorauf verdacht sein, wer darzu zugebrauchen vnd wie der iczige pfarner widerumb vnterzubringen sein mocht, vnd vns des alles neben vberschickung der beyvorwarten schrieften furderlichen berichten, damit wir vns darauf auch ferner zuerczaigen haben. In deme thut Ir vnsere gefellige meynung vnd seint Euch mit gnaden gneigt. Datum Torgau Dinstags nach Trinitatis. Anno 1539.

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefwechsel
Herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt
Leipzig
Verlag von F. C. W. Vogel
1866

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Zwischen Genf und den Nachbarkirchen bahnte sich eine Einigung an. Die Genfer Pfarrer wurden von den Andern anerkannt und begannen ihrerseits nun auf Kirchenzucht im Sinne ihrer Vorgänger zu dringen. Einige undurchsichtige Bemerkungen sind weggelassen.

Über die Lage in Genf. Heiratspläne.

Sei mir gegrüßt, bester, liebster Bruder. Was du mir in deinem letzten Brief meldetest, war mir angenehm zu vernehmen, wenn es auch großenteils nichts sehr Heiteres war. Aber es nicht zu wissen, macht auch nicht froh, und es zu wissen, ist nützlich. Auf Einzelnes zu antworten ist unnötig. – –

Aus dem, was sie [in Genf] anfangen, kann ich beurteilen, welchen Erfolg sie haben werden in der Besserung der kirchlichen Verhältnisse, wenn ihnen der Herr nicht unverhofft zu Hilfe kommt. Wenn unsere Nachfolger in guten Treuen dabei handeln, werden sie in kurzer Zeit merken, dass es schwerer ist, als sie gedacht haben. Vielleicht müssen sie uns schließlich selbst bezeugen, dass wir unser Amt gut und treulich geführt haben. Dass sie neben deinem Eifer sehr zurückhalten, ist nicht verwunderlich. Denn so warm sind sie noch nicht geworden, dass sie dich erreichen mit ihrem Laufen, selbst wenn du es dir bequem machst. Du aber sieh, was die Zeitlage fordert und was notwendig ist, und richte nach diesem Maß deinem Eifer ein. –

Dass Zebedee so unsanft behandelt wird, tut mir sehr leid. Auch bei Butzer, glaub´ es mir, kommen die nicht in Gunst, die seine Bücher so rechthaberisch verteidigen. Er selbst nimmt die Freiheit recht milde auf, mit der ich oft anderer Meinung bin als er. Darüber möchte ich aber lieber mit dir mündlich reden; und das kann geschehen, wenn du eine mäßige Anstrengung nicht scheust. Ich sagte Butzer auch, dass dir großes Unrecht geschieht, weil alle seine Freunde fortführen, dir Feind zu sein; die aber deine Freunde gewesen seien, um seinetwillen dir jetzt entfremdet seien. Er wurde betrübter, als ich gedacht hatte. Als er ein Mittel dagegen suchte, sagte ich, die Wunde sei gefährlich zu berühren, so solle er es lassen, bis uns eine bessere Gelegenheit erscheine.

Von meinen Heiratsplänen will ich nun offener reden. Ich weiß nicht, ob dir schon jemand vor Michels Abreise die Person erwähnte, von der ich schrieb. Aber jedenfalls weißt du, was ich an ihr suche. Denn ich gehöre nicht zu der verrückten Art von Liebhabern, die auch die Fehler [ihrer Geliebten] preisen, wenn sie einmal von der Schönheit hingerissen sind. Das ist die einzige Schönheit, die mich anlockt, wenn sie züchtig ist, gehorsam, nicht hochmütig, sparsam, geduldig, wenn ich auch hoffen darf, dass sie zu meiner Gesundheit Sorge trägt. Also wenn du es für zuträglich hältst, so gürte dich [zur Reise], dass nicht ein Anderer zuvorkomme. Bist du anderer Ansicht, so lassen wir das. Ich werde dir nicht mehr schreiben, bis du kommst. Du wirst uns allen sehr willkommen sein. Wohlan, du kannst durch diese Reise dein Gemüt wieder wunderbar frei machen. Es hindert dich aber nichts, doch noch zu schreiben, während du dich zur Reise vorbereitest. Alle lassen dich mehr als freundschaftlich grüßen, Capito, Butzer, Sturm, Bedrot, Gaspard und die Franzosen, die ich nicht nenne, weil du die Namen doch nicht behältst. Grüße mir alle Brüder. Der Herr erhalte Euch alle ihm und seiner Kirche unversehrt.

Straßburg, 19. Mai 1539.
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Andre Zebedee, Pfarrer in Orbe.

Zebedee, Pfarrer in Orbe, später in Nyon, war ein Hauptgegner der Einigungsbestrebungen zwischen Lutherischen und Reformierten.

Verteidigung der Lutherischen und vor allem Butzers.

Dein Brief, der mich auch sonst bestürzt machte, hat vor allem dadurch mich heftig erschreckt, dass ich daraus sehe, wie sehr du noch vor der Einigung einen Abscheu hast, die, wie ich glaube, für Jedermann ganz in Ordnung war. Da ich denke, du habest solche Abneigung nicht grundlos gefasst, so will ich, soweit es mir möglich ist, auf deine Einwendungen eingehen; und dann die Sache selbst kurz berühren. Du sagst, die Männer, deren Geist und Herz ich so rühme, und zwar die Unwichtigern wie die Bedeutenden, seien bei näherer Bekanntschaft meistens in ihrem Ansehen gesunken. Ich gebe das zu. Aber durch wessen Schuld! Du sagst: Wenns nur nicht ihre eigene war. Aber sieh zu, dass du Knechten Christi kein Unrecht tust, die du selbst in so bösem Verdacht hast, obwohl sie dir nicht den geringsten Anlass dazu boten. Butzer z. B. hat sich bei der Einigungsarbeit so benommen, dass viele laut schreien, sein Tun gefalle ihnen nicht; aber es kann niemand nur das Geringste sagen, worin er gefehlt. Ich weiß, welche Klagen über ihn man überall bei denen hört, die gegen die Einigung reden. Untersuchst du aber genauer, so ergibt sich, dass es nichts als leere Beschuldigungen sind. Verurteilen wir so leichthin einen Mann, der so außerordentliche Gaben empfangen und dessen Dienst Gott zu hochberühmten Ereignissen gebraucht hat, was soll dann denen geschehen, die sich bisher noch durch nichts bewährt haben! Wenn du auch weiterhin dir erlaubst, Unschuldige zu verdächtigen; dazu bringst du es nicht, dass ich Leute für unredlich halte und sie so nenne, deren Redlichkeit ich mit Augen sehe. Umsonst greifst du zu dem Gemeinplatz, Bewunderung für Menschen dürfe uns nicht von Gottes Wahrheit ablenken. Denn für keinen Menschen ist eine so verkehrte und blinde Bewunderung in mir vorherrschend, dass sie mich an klarem Urteil, geschweige an der Heiligkeit des Glaubens hindert. Auch Farel ist, das weiß ich, fester, als dass er in der Weise vom Wort Gottes getrennt werden könnte. Da aber alle, die auf Luthers Seite stehen, den Unsern, wie ich wusste, allzu großer Schlauheit verdächtig sind, wollte ich nicht haben, dass Farel sich mit ganz überflüssigen Bedenken plage. Denn was nützts, sich vor eines Mannes Verschlagenheit zu fürchten, wenn man doch seiner Ehrlichkeit ganz sicher sein kann. So werde ich nicht aufhören, [Butzers] Tüchtigkeit zu rühmen, dieselbe die ich auch an Melanchthon deutlich zu erkennen glaube. Ich gebe freilich zu, Einiges wünschte ich auch bei ihm anders; soweit bin ich davon entfernt, irgendjemand ganz auf seine Worte schwören zu lassen. Nur das ist mein Wunsch, dass wir alle uns hindernden [persönlichen] Vorurteile aufgeben, ruhig hinüber und herüber auf einander hören, und die sachliche Entscheidung uns vorbehalten, bis das Wahre gefunden ist. – Dass Butzer früher Gesagtes zurückgenommen hat, darüber brauchst du dich nicht so sehr zu entrüsten. Weil er geirrt hat in seinen Aussagen über die Bedeutung der Sakramente, hat er das mit Recht zurückgenommen. Ja, wenn doch nur Zwingli sich dazu auch entschlossen hätte, dessen Ansicht von dieser Sache ebenso falsch als gefährlich war! Als ich sah, wie viele der Unsern diese Ansicht Zwinglis beifällig aufnahmen, habe ich, damals noch in Frankreich, sie ohne Scheu bekämpft. Darin fehlt Butzer freilich, – ich gebe es zu -, dass er versucht, Ökolampads und Zwinglis Meinung so zu erweichen, dass er sie selbst schon fast Luther zustimmen lässt. Aber das werfen ihm die gar nicht vor, die sonst alles Andere an ihm gehässig übertreiben. Denn nichts liegt ihnen mehr am Herzen, als dass ja Zwingli ungetadelt bleibe. Ich aber wollte, sie gäben unter Verzicht auf so besorgte Verteidigung Gott die Ehre durch einfaches Eingestehen der Wahrheit. Dass in Zwinglis Lehre gar nichts Bedenkliches gewesen sei, gebe ich dir keineswegs zu. Denn das ist leicht zu sehen, dass er, zu sehr damit beschäftigt, den Aberglauben an fleischliche Gegenwart Christi auszurotten, auch die wahre Kraft der Gemeinschaft [mit Christo im Abendmahl] zugleich wegwarf, oder doch sicher verdunkelte. Das gerade musste aber mehr beleuchtet werden.

Nicht mit Unrecht ärgert es dich, dass Luther selbst gar nichts zurücknimmt, nichts mindert, sondern hartnäckig alles festhält. Aber was sollte Butzer tun? Du sagst, er hätte warten sollen. Aber besser wars doch, durch sein Beispiel Luther und die Andern an ihre Pflicht zu erinnern. Was soll da alle heilige Entrüstung? Denn wenn er seine Irrtümer zurückgenommen hat, dann darf er auch im Namen Gottes die Andern mahnen, dass sie ihrerseits verbessern, was sie Falsches gesagt haben. Was Luthers Buch gegen die Arianer enthält, weiß ich nicht, außer dass ich vom Titel auf den Hauptinhalt schließen kann. Wenn darin den Karlstadt gehörig durchbläute, so hat er darin nicht Unrecht. Darüber können sich seine Gegner doch nicht erzürnen; es sei denn etwa, dass es bedauerlich ist, wenn durch unnötiges Erinnern an Kämpfe der Vergangenheit die Geister erbittert werden. Dass freilich Karlstadt mit dem törichten Dogma [der Arianer] der Wittenbergischen Kirche zu schaffen machte, ist sicherer als sicher. Butzers lateinisches Buch habe ich nicht. Wenn darin solche Einschränkungen sich fänden [wie du schreibst], missfielen sie dir mit Recht und würden auch mir nicht besser gefallen, wenn ich sie läse. Aber es braucht nicht aus jeder Verschiedenheit der Meinungen ohne weiteres eine Trennung zu folgen, vielmehr auch wo dich dein Gewissen nötigt, irgendwie von seiner Meinung abzuweichen, musst du dir doch Mühe geben, dass eine brüderliche Gemeinschaft zwischen dir und ihm bleibt. Denn wir dürfen uns nicht leichthin von denen trennen, die der Herr zur Gemeinschaft an seinem Werk mit uns verbunden hat. Besonders bitte ich aber das von dir, dass, wie du die Wahrheit, in der du bisher fest gewesen bist, so standhaft festhältst, du auch nicht den Schein erweckst, als suchtest du absichtlich uneins zu werden mit denen, denen du das Ihrige nicht nehmen kannst, da du und alle Guten sie als Vorkämpfer unter den Dienern Christi achten müsst. Guter Gott, worauf komme ich zurück? Mit keinem andern Gefühl mussten wir einst uns von Dienern Christi trennen, als ob uns das Herz aus dem Leibe gerissen würde. Und nun solls fast ein Spiel sein, nicht irgendein Glied, sondern die wichtigsten Lebensorgane von unserer Genossenschaft abzuschneiden? Das überlege bei dir, so eilig und unordentlich ich es aufgeführt habe, und ertrage meine Freiheit mit billigem Sinn! Übrigens brauchst du für mich gar nichts zu fürchten. So gern ich in Todesgefahr gerettet werden möchte, so gewiss halte ich fest, was ich geschrieben habe.

Straßburg, 19. Mai [1539].

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Die weiteren Fortschritte der Versöhnungsversuche sind in ihren Einzelheiten nicht durchsichtig. Du Tally (vgl. 24, 25) ein Freund Calvins in Genf. Das Straßburger Gemeindeglied, über das Calvin klagt, ist unbekannt. Wendelin Rihel war Calvins Verleger in Straßburg. Über Zebedee vgl. 36.

Von der Lage in Genf. Schwierigkeiten im Amt und Geldnöten. Vom deutschen Protestantismus.

Ich fange doch an, von dem Versuch [uns mit den Genfern] zu versöhnen, etwas Besseres zu hoffen als früher. So oft ich überlegte, mit welchen Leuten wir zu tun hätten, und als wie schlüpfrig und rasch zerfließend wir doch schon oft ihre Treue erfahren hätten, dachte ich, bei diesem Versöhnungsversuch könne für uns nichts oder doch nur sehr wenig herauskommen. Dazu konnte ich die Bedingungen, die beiderseits aufgestellt wurden, auch wenn sie nicht gerade Unwürdiges enthielten, nicht ganz billigen. Wenn nun aber wahr ist, was du erzählst, dass jene Beiden zum Abfall verleitet werden, ist es sicher nötig, dass wir auch durch einen Vergleich unter ungünstigen Bedingungen solchem Übel entgegentreten. Auf ihre größere Standhaftigkeit setze ich doch einige Hoffnung, weil sie durch das Versprechen, das sie allen Kirchen gegeben haben, doch ziemlich festgehalten werden, so dass sie nicht so leichthin abweichen können. In gewisser Hinsicht haben wir ja schon erreicht, was wir in erster Linie wünschten, dass jene ganz schlimmen Zwistigkeiten unter den Brüdern, die die Gemeinde zerrissen, beigelegt wurden. Wir können Gott nie genug dafür danken, der durch seine Güte all unser Hoffen übertrifft. Was meine Rückkehr angeht, so geschieht, glaube ich, nicht, was du Tally schreibt; denn ich habe davon seither kein Wort mehr vernommen. Ich dachte, die Brüder hätten diese Frage als überflüssig bei Seite gelassen, da sie sahen, dass auch anderswoher Heilung kommen könne. Weil ich daher annahm, die ganze Bewegung zu diesem Zweck sei ermattet oder ganz hingefallen, so machte es mir auch keine Sorge mehr. Die Botschaft, die mir nun du Tallys Brief brachte, hat mich nicht ohne Grund so sehr erschreckt. Ich habe dir noch nicht alle Gründe genannt, und die wenigen, die ich erwähnte, mehr nur angedeutet als ausgeführt. Gewiss, das, was ich von dir sagte, ist von großer Wichtigkeit. Denn entweder müssen wir beide wieder eingesetzt werden, oder es scheint, ich sei nur aus Gnade wieder eingesetzt. So wird dann nur meiner Person die Wiedereinsetzung zugestanden, und nicht unserer Sache. Vor allem aber macht mich die Überlegung stutzig, wenn ich mir vor Augen halte, in welchen Strudel von Arbeit ich mich stürzen soll; denn ich spürte schon, dass er mich ganz verschlang, als er um die Hälfte weniger war.

Ich habe ja, das will ich gestehen, auch hier manche Kämpfe, und das harte; aber doch dienen sie mir zu Übung, und werfen mich nicht ganz nieder. Allerdings, diese Ostern hätte ich keinen geringen Handel bekommen, wenn jener schreckliche Mensch, über den du klagst, hier gewesen wäre. Entweder hätte ich ihn gezwungen, Rechenschaft zu geben von seinem Tun, oder er wäre nicht zum Abendmahl zugelassen worden. Einer seiner Schüler (der gleiche, den er gegen Claude Normain hatte aufhetzen wollen) hatte im Sinn, zu kommen, wenn ich ihm nicht die Mahnung hätte zukommen lassen, er müsse sich erst vor mir rechtfertigen oder bestimmt Besserung versprechen. Den ganzen Monat hatte er keine Predigt gehört, und das öffentliche Ärgernis seines Spielens und Zechens gleichsam zu Markte getragen; auch von Hurerei munkelt ein Gerücht, und trotzdem hätte er sich frech zum hochheiligen Sakrament gedrängt, wenn ich ihm nicht den Weg versperrt hätte. Dem, der ihm meldete, was ich ihm sagen lassen wollte, antwortete scherzend, die Beichte überlasse er den Papisten. Ich gab zur Antwort, es gebe auch eine Art christlicher Beichte. Wenn sein Meister zurückkommt, so wird zwischen uns der Krieg schon erklärt sein. Mein Verdienst ist es nicht, dass ich nicht schon längst einen Zusammenstoß mit ihm hatte. Denn ich habe seine Gottlosigkeit schon öffentlich und deutlich, auch in der Predigt, so gekennzeichnet, dass weder ihm noch Andern die Rede unverständlicher war, als wenn ich ihn mit Namen genannt oder mit dem Finger auf ihn gewiesen hätte. Jetzt, da er nach Frankfurt gereist war, habe ich Butzer beschworen, sich vor ihm nicht anders als vor einem geschworenen Feinde zu hüten. Sobald er merkt, dass ich ihn so behandle, welche Stürme wird er wider mich erregen: Also ob ich hier bleibe, ob ich reise, – viele Sorgen, Beschwerden und Schwierigkeiten drohen mir.

Ich gestehe, es ist mir lieb, dass ich die Brüder so voll Sorge für mich sehe, dass sie bereit sind, meinem Mangel aus ihren Mitteln abzuhelfen. Ich könnte ja nicht anders, als über einen solchen Beweis ihrer Liebe mich freuen. Aber ich habe beschlossen, doch auf deine und ihre Wohltätigkeit zu verzichten, bis größere Not mich zwingt. Der Buchdrucker Wendelin, dem ich mein Büchlein zum Druck gegeben habe, gibt mir, soviel ich für unvorhergesehene Ausgaben brauche. In meiner Bibliothek, die noch in Genf ist, wird wohl soviel Wert stecken, dass ich meinen Hauswirt bis zum nächsten Winter zahlen kann; für später wird er Herr sorgen. Da ich doch früher ungezählte Freunde in Frankreich hatte, bot mir keiner einen Heller an; und doch, hätten sie es getan, so hätten sie den billigen Ruhm ihrer Wohltätigkeit genießen können; denn sie hätten mir noch so wenig anbieten können, ich hätte es genommen. Ich vergaß Louis [du Tillet], der allein hat mir seine Hilfe angeboten; aber auch er verkaufte seine Spende zu teuer. Wenn er mich auch nicht gerade zum Widerruf aufforderte, so hat er doch deutlich ausgesprochen, ich sei aus der Kirche entronnen. Ich antwortete, was sich auf einen solchen Vorwurf gehört, fürchte aber, mein Brief ist verloren gegangen. Für die Gegenwart will ich mich also mit deinem und der Brüder gutem Willen begnügen; habe ichs einmal nötig, so will ich seine Leistungsfähigkeit erproben. Dagegen bitte ich, dass Ihr nach Eurer Freundlichkeit gegen mich auch zufrieden seid mit meiner Dankbarkeit. Es tut mir leid, dass die Krone verloren gegangen ist; ich muss mich wegen meiner Unachtsamkeit deswegen anklagen; nur glaubte ich, es müsse einen schon die Scham abhalten, [mein Vertrauen] so zu missbrauchen.

– – Wie kannst du mein Versprechen fordern, den Brüdern zu helfen bei der Wiederherstellung der Kirchenzucht [in Genf]? An wen sollte ich da schreiben und in welcher Art? Wodurch hast du mir dazu einen Weg bereitet, oder aber wie kannst du erwarten, ich solle mich da kühn einmischen?

Philippus gegenüber habe ich neulich ihm gerade ins Gesicht kein Hehl daraus gemacht, wie sehr mir die große Menge ihrer Zeremonien missfalle. Mir scheine, das Formenwesen, an dem sie festhielten, war nicht weit vom Judentum entfernt zu sein. Als ich mit Gründen in ihn drang, wollte er mir das nicht bestreiten, dass sie zu viel hätten von diesen teils törichten, teil überflüssigen Bräuchen; aber er sagte, man habe dies eben notwendig dem Starrsinn der Kirchenrechtler, die sie dort hätten, zugestehen müssen. Übrigens sei kein Ort in Sachsen, wo man nicht freier sei als in Wittenberg, und diese Gemeinde selbst werde nach und nach viel von diesem Zeuge abschaffen. Zum Schluss aber sagte er, Luther billige die Zeremonien, die er nur gezwungen festgehalten, nicht mehr als unsere Sparsamkeit in solchen Dingen. Wenn doch unser guter Zebedee sehen könnte, wie aufrichtig Philippus ist. Sicher würde er allen Verdacht eines Betruges ablegen. Dass Butzer weiter die lutherischen Zeremonien verteidigt, geschieht nicht, weil er sie selbst wollte oder sie einzuführen trachtete. Den lateinischen Gesang zu billigen, dazu kann ihn nichts bringen. Vor den Bildern hegt er Abscheu. Anderes dünkt ihn zum Teil verächtlich, zum Teil kümmerts ihn gar nicht. Aber das ist nicht zu befürchten, dass er, was einmal abgeschafft ist, wieder durch eine Rückkehr zum Alten einführe. Nur will er nicht leiden, dass wir uns um solcher äußerer Bräuchlein willen von Luther trennen. Ich glaube auch, dass das keine genügenden Ursachen zur Trennung sind.

Das deutsche [schmalkaldische] Bündnis hat nichts an sich, was ein frommes Herz verletzen müsste. Ich bitte dich, warum sollten sie nicht die Kräfte, die ihnen der Herr gegeben, vereinigen zu gemeinsamer Verteidigung des Evangeliums. Übrigens ziehen sie niemand weder mit Gewalt, noch irgendwelcher Nötigung in ihren Bund. Ja, es gibt vielmehr evangelische Städte, denen ein Bündnis mit Papisten, ja mit Bischöfen sogar, besser schien, z. B. Nürnberg. Wenn doch Zebedee wüsste, mit welchen Künsten die Bundesglieder bei ihrem Konvent versucht worden sind, und wie mannhaft sie widerstanden! Der kaiserliche Gesandte versuchte nichts mehr, als sie von den Schweizer Kirchen wegzuziehen. Er nannte diese freilich nicht, aber er verlangte, sie sollten die Sache der Sakramentierer nicht zur ihrigen machen. Ihre Antwort war, sie hätten brüderliche Gemeinschaft mit denen, die er Sakramentierer nannte. Wie viel Mut zeigten sie nur bei der letzten Verhandlung! Der Kaiser stellte die Bedingung, sie dürften niemand in ihren Bund aufnehmen während der Frist des Waffenstillstandes, der geschlossen werden solle. Sie stimmten dem zu, aber nur unter der Bedingung, dass, wer das Evangelium annehme, auch sicher sein solle außerhalb des Bundes. Würden solche angegriffen, so erklärten sie, alle für Bundesgenossen halten zu wollen, die Christi Sache unterstützten. Dagegen forderten sie ihrerseits vom Kaiser, dass während besagter Frist auch keine Bündnisse gegen das Evangelium geschlossen würden. Der Kaiser wollte, das Kirchengut solle den Priestern bleiben bis zum Ablauf des Waffenstillstandes. Die Unsern willigten ein, doch solle daraus für Kirchen und Schulen gesorgt werden, und bestanden darauf bis zuletzt. Was soll ich berichten von der berühmten Festigkeit dieser Stadt [Straßburg]? Als die kaiserlichen Bedingungen bekannt gegeben wurden, es sollen alle seit dem Nürnberger Konvent geschlossenen Bündnisse ungültig sein und keine neuen unter den Unsern geschlossen werden, damit jede Partei gleich bleibe, bis nach einem Religionsgespräch die deutsche Kirche reformiert würde, da gab es sofort einen Ratsbeschluss des Inhalts: Lieber wollten sie sehen, dass ihre Weiber und Kinder vor ihren Augen getötet würden, dass all ihr Gut zu Grunde ginge, ihre Stadt zerstört würde, ja dass sie selbst alle fallen und sterben müssten, als dass sie ein Gebot annehmen sollten, durch das dem Evangelium Christi der Weg versperrt würde.

Lieber Farel, überlege dirs, ob wir nicht solchen Männern Unrecht tun, wenn wir in aller Muße sie beschuldigen, während sie durch keine Gefahr noch Schrecken sich vom rechten Pfad abdrängen lassen. Die Sache wendet sich ohne Zweifel doch zum Krieg; schon wurde ein Einfall ins Gebiet von Lüneburg unternommen. Du sagst, es sei unsre Pflicht, Alles eifrig zu meiden, wodurch wir Gefahr liefen, guten, frommen Leuten Ärgernis zu geben. Das gebe ich zu; aber es ist doch die Pflicht der guten Leute, sich zu hüten, dass sie sich nicht von ungefähr und ohne allen Grund ärgern.

Während ich schreibe, kommt der Schüler, den ich erwähnte, und will in Gnaden aufgenommen werden: ja, er nennt obendrein den Claude als Vermittler. Ich hoffe, der Herr verleiht uns, dass wir seinen Trotz entkräften durch ernste Milde. Gut, dass wir bis zum Abendmahl noch vierzehn Tage haben, um vorher unsere Erfahrung mit ihm zu machen. Grüße mir Thomas freundlichst und die übrigen Brüder. Der Herr bewahre Euch alle unversehrt und einmütig. Lasst Euch im Gebete die Kirchen ja recht angelegen sein, da uns von allen Seiten die Gefahren so bedrängen.
Geschrieben im April 1539.
Dein Calvin.