Beza, Theodor von – An König Heinrich VI.

Genf, 10. Juli 1572.

Erhabenster König, es verräth einen hohen Sinn, wenn der Mensch in Widerwärtigkeiten nicht erliegt, sondern durch sie zum Streben nach dem Kranze des Sieges getrieben wird; diese Kraft der edlen Seelen schenkte euch Gott. Er ließ euch in der Lehre. der Wahrheit, mit der er seinen Geist der Sündhaftigkeit, der die Schwächsten stark und unbesieglich macht, zu verbinden pflegt, unterrichten; darum leben wir alle der Hoffnung, das Unglück, das Euch und die ganze Kirche betroffen, werde Euch nicht niederstürzen, sondern Euch vielmehr Anlaß geben, zu zeigen, welche Stärke der Seele und welch großen Muth Euch der Herr verliehen. Da mich Gott an den Posten gestellt hat, den ich einnehme, so beschwöre ich Euch beim Namen Christi, der sich Euch von Eurer Jugend an zu seinem Dienste erkoren, daß ihr entschlossen, muthvoll und standhaft fortfahret, und die betretene Bahn bis aus Ende durchlaufet. Vorsichtig müßt Ihr vor Allem werden, wenn Ihr bedenkt, daß Satan keinem König und Fürsten der Erde so nachstellt, wie Euch, weil er einsieht, daß ihm alles daran liege, Euch vom begonnenen Laufe und der ergriffenen Religion zu entfernen. Ihr werdet es schon oft bemerkt haben, daß jener Feind unzählige Diener und Helfer hat, deren er sich bedient, um Euch vom rechten Wege abzulenken, und allmählich zu verderben. Eure Klugheit erfordert es zu wachen, daß sich jener Feind nicht Eurer selbst bediene, um seine Absichten zu erreichen. Wollte doch Gott nach seiner großen Barmherzigkeit, dieß Unglück von Euch und uns allen wenden! Die Zeiten sind schlecht, unzählige Menschen verlassen die wahre Religion und rufen die Gebräuche des Aberglaubens zurück, weil sie denken, man könnte diese den Unwissenden lassen, und sie selbst nur zum Scheine üben. Diese Denkart ist aber nur eigentliche Gottlosigkeit, es ist ein Hohn aller Religionen, es ist eine Gleichgültigkeit gegen den Dienst des höchsten Wesens, vor der Ihr Euch, wie vor einem ansteckenden Gifte, darum am Meisten zu fürchten habt, weil dadurch der Mensch in einen Abgrund stürzt, in dem keine Hoffnung der Rettung ihm bleibt. Da ich nun Tag und Nacht an Eure Ruhe denke, so kommt mich eine große Furcht an, die Flamme eines so furchtbaren Brandes möchte auch Euch ergreifen. Doch Muth! in Gottes Hand ist alles: er wird auch an Euch seine Kraft und Gnade durch Eure Erhaltung zeigen, er wird Euch durch seinen Beistand bewegen, Mittel gegen jene Uebel zu gebrauchen. Das erste ist unstreitig, daß Ihr nie aus Ueberdruß oder langer Weile den Predigten beizuwohnen versäumt, daß ihr nicht blos den Predigern, welche die reine Lehre vortragen, Euer Ohr gern leiht, weil Gott ihnen das Predigtamt übertragen, und Christus gesagt hat: wer euch hört, der hört mich, wer euch verachtet, verachtet mich; sondern auch alle die gerne hört, welche Euch durch fromme Reden zur Gottseligkeit ermuntern. Es ist aber noch nicht dem Worte Gottes gehorchen, wenn man ihm das Ohr leiht, man muß es in das Innere seiner Brust aufnehmen, damit es dort wohne, Augen und Ohren regiere, Gedanken, Reden und Handlungen lenke. Ist dieß bei Euch der Fall, so werden wohl viele Stürme über Euch hereinbrechen, aber Ihr werdet gewiß auch an Euch das Wort des Herrn als Wahrheit erfahren: ich will die ehren, die mich ehren. Laßt Ihr euch dagegen nur einen Fuß breit von diesem Wege ableiten, so zweifelt nicht, daß die, welche Euch von Gott entfernten, und Euch vor Augen schmeichelten, im Verborgenen Euch verachten und tadeln werden. Damit Ihr desto gewisser vor allem Uebel Euch bewahret, so rufet Gott von ganzem Herzen an und behaltet das Beispiel Davids, des frommen Königs, immer vor Augen. Wenn sein 101. Psalm mehr als irgend eines Sterblichen Rath Eurer Seele gegenwärtig ist, so seid überzeugt, daß die Gnade Gottes, die gleichsam Euer Erbgut war, Euch bleiben werde, und daß Eure Nachkommen noch größere Beweise derselben erhalten werden. Zu Gott siehe ich, zu ihm, der ein König aller Könige, ein Herr aller Herrn ist, daß er Euch in seinen Schutz nehme, und mit seinem heiligen und königlichen Geiste erfülle, daß Ihr auf diesen vertrauend Euch selbst durch Reinheit des Wandels, Frömmigkeit und Tugend besieget, aber ich flehe zugleich, daß er Euch mit allen seinen Gaben beglücke und erfreue zum Ruhme seines b. Namens, zum Troste seiner Kirche, zum Nutzen des Reichs.