Luther, Martin – An Michael Stiefel (22.10.1527).

Gnade und Friede. Lieber Herr Michael, ich habe die Historie von Leonhard Kaisern empfangen, aber unterdessen auch von seinem Vetter Alles wie Leonhard selbst mit eigner Hand es aufgezeichnet hat. Mit ehestem will ich sie Drucken lassen; Christus gebe dazu seine Gnade.

Bittet ernstlich für mich, der ich schier heftig von des Satans Engel geplagt und geschlagen werde, daß mich Christus nicht verlasse. Ach ich elender Mensch, wie gar ungleich bin ich dem Leonhard; ich bin mit vielen Worten ein Prediger des Worts, er aber hat sich beweiset als ein rechter gewaltiger Thäter dieses Worts. Ach daß ich deß würdig wäre, nicht mit dem Doppelten, nein nur mit der Hälfte eines solchen Geistes den Satan zu überwinden und dieß Leben zu lassen. Gelobt sei Gott, der unter so vielen Ungeheuern doch einmal uns Unwürdigen so einen herrlichen Anblick seiner Gnade hat schauen lassen, daran wir merken sollen, daß er nicht gar uns verlassen hat. Bittet für mich, mein Bruder Michael; Christus gebe, daß auch wir des Leonhard Nachfolger werden. Er heißet nicht allein König, sondern billig Kaiser; denn er hat den überwunden, deß Gewalt so groß ist, daß ihr kerne auf Erden mag verglichen werden. Zudem ist er nicht allein ein Priester, sondern ein rechter Bischof, ja Papst, der seinen Leib geopfert hat zu einem lebendigen, heiligen, Gott wohlgefälligen Opfer. Also heißt er auch recht und billig Leonhard, das ist, Leuen hart, denn er hat sich bewiesen als ein starker unerschrockener Leue: Alles ist in diesen Namen zuvor versehen. Er ist der Erste, der den Namen seines Geschlechts erfüllt und geweiht hat.

Eurer lieben Frauen dankt und befiehlt sich mein nun fast lallendes Hänschen; ich und meine Käthe wünschen ihr, daß sie mit ihrem Kinde seliglich leben möge in Christo. Pomeranus grüßt euch herzlich. Gehabt euch wohl in Christo. Am 22. October 1527. Euer Martin Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867