Luther, Martin – Brief an Johann Rühel, seinen Schwager. 1525

Dem Achtbaren und Hochgelahrten Herrn Johann Rühel, Doctori, meinem günstigen Herrn und freundlichen Schwager

Gnade und Friede in Christo! Ich danke euch, mein lieber Herr Doct. und Schwager, euers Diensts in den neuen Zeitungen: Gott gebe des Jamers ein Ende mit Gnaden, wie wir bitten und hoffen sollen. Daß die Leute mich einen Heuchler schelten, ist gut, und höre es gerne; laßt es euch auch nicht wundern, als der ihr nu etliche Jahr her wohl mehr gehört habt, wie man mich zuscholten und beredt hat in vielen stücken, die alle mit der Zeit von ihnen selbs zunichte und zu schanden worden sind. Ich müßte viel Leders haben, sollt ich einem Jeglichen sein Maul zuknäufeln. Es ist gnug, daß mein Gewissen für Gott sicher ist: der wirds wohl richten, was ich rede und schreibe; es soll und wird so gehen, wie ich geschrieben habe, da hilft nichts für.

Daß man den Bauren will Barmherzigkeit wünschen: sind Unschüldige drunter, die wird Gott wohl erretten und bewahren, wie er Lot und Jeremia thät. Thut ers nicht, so sind sie gewiß nicht unschüldig, sondern haben zum wenigsten geschwiegen und bewilligt: ob sie gleich das thun aus Blödigkeit und Furcht, ists dennoch unrecht und für Gott stäflich, eben sowohl als wer Christum verleugnet aus Frucht. Denn ich auch deste härter wider die Bauren schreibe, darumb, daß sie solche Furchtsame zu ihrem Muthwillen und Gottes Strafe zwingen und nöthigen, und hören nicht auf.

Der weise Mann saget: Cibus, onus et virga asino, in einen Bauren gehöret Haberstroh. Sie hören nicht das Wort, und sind unsinnig, so müssen sie die Virgam, die Büchsen, hören, und geschieht ihnen recht. Bitten sollen wir für sie, daß sie gehorchen: wo nicht, so gilts hie nicht viel Erbarmens: lasse nur die Büchsen unter sie sausen, sie machens sonst tausendmal ärger.

An den Bischof will ich schreiben, und deß euch eine Copey schicken. Man hat dem Thomas Münzer nicht rechte interrogatoria geben; ich hätte ihn viel anders lassen fragen. So ist solch sein Bekenntniß nichts anders, denn ein teufelische, verharte Verstockung in seinem Fürnehmen. Bekennet er doch kein Übels gethan, daß ich mich dafür entsetze, und nicht gemeint, daß müglich seyn sollt, daß ein menschlich Herz so tief verstockt sollt seyn.

Wohlan, wer den Münzer gesehen hat, der mag sagen, er habe den Teufel leibhaftig gesehen in seinem höchsten Grimm. O Herr Gott, wo solcher Geist in den Bauren auch ist, wie hoche Zeit ists, daß sie erwürget werden, wie die tollen Hunde. Denn der Teufel fühlet vielleicht den jungsten Tag, darumb denkt er die Grundsuppe zu rühren und alle hellische Macht auf einmal zu beweisen. Haec sunt tempora, meine ich. Nu, Gott lebet und regieret noch, wird doch uns nicht lassen: seine Güte ist näher, mächtiger und klüger denn des Satans Wüten und Toben.

Es ist das Geschrey herkomen, der Schösser zu Alstädt soll selb dritte gericht seyn, hoffen aber, es soll erlogen sein. Desselben gleichen ist von Doctor Straussen gesagt. Grüßet mit euer liebe Rebe, meine Schwägerin, Hanna Rüblin, mit ihren Trauben. Hiemit Gott befohlen. Die zwo Sermones im Begräbniß des Kurfürsten werden gedruckt. Am Dienstag nach Exaudi, Anno 1525

Martinus Luther

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefe, Sendschreiben und Bedencken, vollständig aus den verschiedenen Ausgaben seiner Werke und Briefe, aus andern Büchern und noch unbenutzten Handschriften gesammelt, kritisch und historisch bearbeitet von Dr. Wilhelm Martin Leberecht de Wette, Professor der Theologie zu Basel. Zweyter Theil. Luthers Briefe von seinem Aufenthalt auf Wartburg bis zu seiner Verheurathung Berlin, bey G. Reimer 1825