Oekolampad, Johannes – An Zwingli (1523)

Basel, 27. April 1523

Selig bist Du in Christo, l. Zwingli. der Du der übermüthigen und unglücklichen Tochter Babylons vergiltst, die täglich zu den Ihrigen schreit: vernichtet, vernichtet sie bis auf den Grund! Jene Thörin glaubt nicht, daß der Herr die Thore Sions befestigte, und daß alle Plane und Ränke wider den Herrn ohnmächtig seien. Heil Dir, der Du mit frommem Eifer ihre Kinder an einen Felsen schlägst. Der Sieg ist gewiß, so oft man unter der Leitung und Führung Christi wider die Unbeschnittenen und Fremdlinge den Krieg unternimmt und führt. Der hochgelobte Gott selbst lehre Deine Hände zum Krieg und Deine Hände zum Treffen. Ferner legten auch wir kürzlich etwas fleißiger die Hand an den Pflug, und es fanden sich viele Gegner, sobald der Eingang eröffnet war, doch ist nichts abgeschmackter, als sie, was Du, glaube ich, von Andern erfahren hast. Gott läßt das Werk wohl gerathen, und zeigt auf verschiedene Weise, wie man sie unerschrocken angreifen müsse und nicht zurückstehen dürfe. Es ist wohl begründete Hoffnung, daß auf ungewöhnliche Art ein Tag eintreten wird, da alle zu Schanden werden, die den Heiligen Israel schmähen. Indessen weil wir in diesen Fall gesetzt sind, fürchten wir so wenig für uns, daß wir vielmehr ihre Drohungen, Schmähungen, Beschimpfungen, Lästerungen, und was sie irgend gegen uns vorbringen, nicht nur nicht verlachen, sondern auch als Segnungen aufnehmen, durch den bestärkt, der uns selig nannte, wenn sie allerlei Uebels wider uns um Christi willen redeten, so sie darin logen. Es ist den Kindern der Pharisäer leid, ihrem Stolze etwas nachgeben zu müssen, da sie nicht beachten, daß der Name des Königs der Herrlichkeit gesegnet wird; aber sie wollten oder würden sich doch nicht darum kümmern, wenn der Name des tapferen Israel unter den Heiden befleckt würde. Es gilt daher zu wagen und ohne Ermüden den Feinden, die nicht schlafen, zu widerstehen. Wir sehen, die Ernte ist groß, der Arbeiter sind wenige; denn jene zahlreichen faulen Bäuche, die da vorgeben zu bauen, in der That aber zerstören und Unkraut und dergleichen säen, wo nicht wirken, sind auch ungerechte Arbeiter. Bitte den Herrn, daß er uns nicht von seinen Kindern verstoße und auch uns ein, sei’s noch so niederes Loos in seinem Hause gewähre. Denn ich brenne, daß ich sehen muß, wie das Volk anders wohin gerissen wird. – Wie verächtlich Fabers Stärke ist, hast Du schon längst erfahren. Auch die Wagnisse des erbärmlichen Greisen (des Hasius), der die fallende Wand voll Tollheiten schmieren will, werden nicht erschrecken, ja sie sind von Niemand zu fürchten. Entweder täusche ich mich, oder es herrscht in ihrem ganzen Lager Furcht und Zittern. Ich wollte, Du würdest uns öfters mit Briefen besuchen, da das mündliche Gespräch versagt ist. Doch wenn es soviele Geschäfte gibt, so soll auch wohl aufgenommen werden, was die Noth gestattet. Der Herr lasse Dich zunehmen, und segne Dich und Deine Kirche ewiglich. Es grüßen Dich Repos und Cratander.

Dein Joh. Oecolampadius.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’S Verlag.) 1862